Man schaut zueinander – sogar nachts
Sie können unser Dasein zur Hölle machen. Oder unser Leben bereichern. Über die Feiertage erzählen Angehörige der Beobachter-Redaktion von ihren Erlebnissen mit ihren Nachbarinnen und Nachbarn.
Veröffentlicht am 31. Dezember 2022 - 07:00 Uhr
Geschichten aus der Nachbarschaft
Nachbarinnen und Nachbarn erleichtern unser Leben, helfen, wenn das Salz ausgeht, tragen schwere Einkaufstaschen die Treppen hoch. Oder aber sie machen uns die Hölle heiss, beklagen sich über ein nicht ordnungsgemäss angebrachtes Schuhgestell, schimpfen über lautes Kinderlachen, petzen bei der Verwaltung.
Nachbarschaft ist ein soziales Phänomen, das zwar alle kennen, aber ganz unterschiedlich aufgefasst wird. Über die Feiertage erzählen Angehörige der Beobachter-Redaktion, was sie mit ihren Nachbarinnen und Nachbarn erlebt haben.
Alle Nachbarschaftsgeschichten finden Sie hier.
Meine Grosseltern sind sehr lebenslustige Menschen. Opa Dieter, 89, stammt ursprünglich aus Berlin, Oma Magdalena, 88, aus der Pfalz. Kennengelernt haben sie sich an der Basler Fasnacht.
Auch jetzt sind sie immer zu einem Scherz aufgelegt, obwohl er an Parkinson leidet und starke Schmerzen hat – und sie Probleme an der Wirbelsäule und mit den Beinen. Eine Nachbarsfamilie kauft für sie ein und hilft, wenn Opa mal umfällt und Oma ihm nicht mehr aufhelfen kann. Selbst in der Nacht. Sie schauen öfters für ein kurzes Check-in vorbei oder sie plaudern am Telefon.
Ein anderes pensioniertes Ehepaar fährt die beiden regelmässig zu Arztterminen, bewässert den Garten und ist gleich zur Stelle, wenn zum Beispiel der Herd ausfällt. Der pensionierte Nachbar, der über ihnen wohnt, kommt öfters auf einen Schwatz vorbei, oder sie essen zusammen Raclette oder bestellen eine Pizza.
Ohne ihre Nachbarn könnten meine Grosseltern nicht mehr in ihrer Wohnung bleiben. Als Dankeschön verteilt Oma gerne Wiehnachtsguetsli oder bringt etwas von ihrem fantastischen Essen vorbei. Für mich als Enkelin ist das natürlich auch eine enorme Hilfe und Erleichterung. Mir wäre es nicht möglich, all das zu übernehmen.
Welcher Nachbarschaftstyp sind Sie?
Die Distanzierten (47 Prozent der Bevölkerung)
Ihnen sind Abstand, Diskretion und Unabhängigkeit wichtig, sie möchten weder gestört werden noch jemandem zurLast fallen. Im Notfall sind sie aber zur Stelle. Und ab und zu schätzen sie auch zweckorientierte Treffen.
Die Inspirationssuchenden (30 Prozent)
Für sie stehen Toleranz und anregende Begegnungen im Vordergrund. Inspirationssuchende schätzen kollektive, sinnerfüllte Aktionen und Vielfalt und suchen den Blick überden eigenen Tellerrand hinaus.
Die Beziehungspflegerinnen und -pfleger (14 Prozent)
Sie wünschen sich ein freundschaftliches, fast familiäres Verhältnis in einer homogenen, harmonischen Nachbarschaft. Sie legen Wert auf enge Kontakte, Gemeinschaftsaktivitäten und gegenseitige Unterstützung im Alltag.
Die Wertorientierten (9 Prozent)
Sie möchten unter Leuten leben, die ähnliche Ansichten teilen. Statt enger Beziehungen wünschen sich Wertorientierte respektvolle Distanz und einen rücksichtsvollen Umgang miteinander. Sie sind hilfsbereit. Im Alltag reicht ihnen ein gelegentlicher Austausch im Treppenhaus.
Quelle: «Hallo Nachbar:in. Die grosse Schweizer Nachbarschaftsstudie» des Gottlieb-Duttweiler-Instituts, August 2022. Um die Studie einzusehen, hier klicken.