Stockwerkeigentum: Im Voraus alle Eigenheiten abklären
Für Singles oder Familien mit knappem Budget stellt Stockwerkeigentum eine gute Alternative dar. Man sollte sich jedoch vor dem Kauf genaustens informieren – sonst kann die Eigentumswohnung zum Eigengoal werden.
Veröffentlicht am 14. März 2001 - 00:00 Uhr
Unklare Reglemente, unfähige Verwaltungen, falsch
berechnete Wertquoten oder kleinliche Nachbarn können
die Freude am Stockwerkeigentum empfindlich trüben. Und
dabei handelt es sich nicht um Einzelfälle: Ein Fünftel
aller Beobachter-Beratungen im Bereich Wohnen betrifft das
Stockwerkeigentum.
Bei den Beratungsgesprächen wird jeweils schnell klar,
dass viele nicht genau wissen, worauf sie sich mit dem Kauf
einer Eigentumswohnung eingelassen haben. Denn: Wie es der
Begriff «Stockwerkeigentum» bereits andeutet,
ist man zwar Eigentümer, zugleich aber zwingend in eine
Gemeinschaft eingebunden. Das hat Folgen – nicht nur
im zwischenmenschlichen, sondern auch im juristischen Bereich.
Das einzelne Mitglied der Gemeinschaft verfügt nicht
über einen bestimmten physischen Teil des Objekts, sondern
nur über eine entsprechende Quote. Konkret: Jeder Miteigentümer
ist im Umfang seiner Wertquote Eigentümer am Ganzen.
Die Wertquote ist eine rein rechnerische Grösse und
sagt nichts über den Verkehrswert oder den Kaufpreis
der Wohnung aus. Von Bedeutung ist sie aber bezüglich
der Aufteilung der gemeinschaftlichen Kosten. In aller Regel
müssen die Miteigentümer im Rahmen ihrer Wertquote
für die Gemeinschaftskosten aufkommen: je höher
die Quote, desto grösser der Kostenanteil. Lassen Sie
im Zweifelsfall Ihre Wertquote durch einen Fachmann prüfen.
Das oberste Organ der Stockwerkeigentümergemeinschaft
ist die Stockwerkeigentümerversammlung. Dort werden die
entscheidenden Beschlüsse gefasst. Oft muss sich das
einzelne Mitglied dann einem Mehrheitsentscheid beugen. Wer
damit Mühe hat und allgemein andere Ansichten und Lebensweisen
nur schlecht akzeptieren kann, ist in einer Stockwerkeigentümergemeinschaft
fehl am Platz.
Jeder Stockwerkeigentümer hat das Recht, seine Einheit
ausschliesslich zu benutzen, zu verwalten und baulich den
eigenen Bedürfnissen anzupassen. Dank diesem «Sonderrecht»
ist er in den eigenen vier Wänden einem richtigen Eigentümer
beinahe gleichgestellt. Hingegen bleiben der Boden, auf dem
das Haus steht, die Gebäudehülle sowie alle Teile,
die nicht einem einzelnen Eigentümer ausschliesslich
dienen, gemeinschaftliche Teile.
Kaufentscheid in aller Ruhe fällen
Aber Vorsicht: Nur in sich abgeschlossene Gebäudeteile,
die über einen eigenen Zugang verfügen, können
unter das «Sonderrecht» gestellt werden. Der Gartensitzplatz
ist daher nie sonderrechtsfähig.
Dem Käufer einer Parterrewohnung kann nur ein «ausschliessliches
Nutzungsrecht» am Gartensitzplatz eingeräumt werden.
Meist haben die restlichen Miteigentümer bei der äusseren
Gestaltung des Gartens ein Wörtchen mitzureden. Informieren
Sie sich daher, worin Ihr «ausschliessliches Nutzungsrecht»
besteht. Es ist mehr als ärgerlich, wenn Sie im Nachhinein
feststellen, dass Sie keinen Sichtschutz erstellen dürfen,
ja nicht einmal bei der Wahl der Pflanzen freie Hand haben.
Lassen Sie sich auf keinen Fall zu einem Kaufabschluss drängen.
Bei einem Erwerb ab Plan sollten Sie Verträge nur mit
Firmen abschliessen, die über einen guten Leistungsnachweis
verfügen. Sprechen Sie mit Ihrer Bank und verlangen Sie
Referenzen. Unterschreiben Sie nichts, ohne Ihren Vertragspartner
genau zu kennen.
Wer sich für einen Altbau interessiert, muss unbedingt
das ganze Gebäude unter die Lupe nehmen. Für Reparaturen
an gemeinschaftlichen Teilen werden nämlich alle Miteigentümer zur Kasse gebeten. Ein undichtes Dach
oder eine sanierungsbedürftige Fassade können sehr
schnell ins Geld gehen.
Besondere Vorsicht ist bei Häusern geboten, die erst
nachträglich zu Stockwerkeigentumseinheiten umgebaut
wurden. Diese Erfahrung machte auch Peter M. aus Bern: «Meine
Wohnung ist so ringhörig, dass mich schon die Toilettenspülung
des Nachbarn aus dem Schlaf reisst.» Lassen Sie sich
daher eine genügende Schalldämmung vertraglich zusichern.
Ein detailliertes Reglement bildet die Basis für eine
gut funktionierende Gemeinschaft und gewährleistet, dass
Beschlüsse gefasst und Konflikte bereinigt werden können.
Setzen Sie sich also gründlich und vertieft mit dem Reglement
auseinander. Achten Sie dabei insbesondere auf die Gemeinschaftskosten: Nicht immer ist die sture Kostenverteilung
nach Wertquoten gerechtfertigt. Sollten Sie auf Unstimmigkeiten
stossen, verlangen Sie eine Abänderung des Reglements
– das ist bei Neubauten in aller Regel noch möglich.
Besonders empfehlenswert ist die Aufnahme einer Schiedsklausel:
Wenn es zu einem Streit kommt, wird ein unabhängiger
Schiedsrichter bestimmt, der für eine gütliche Einigung
sorgt.
Wenn Sie sich in eine bestehende Stockwerkeigentümergemeinschaft
einkaufen wollen, tun Sie gut daran, sich auch über die
künftigen Nachbarn zu informieren. Fragen Sie die Verwaltung,
wie es um den Haussegen bestellt ist. «Heute wissen
wir, warum der frühere Besitzer die Wohnung loshaben
wollte», klagt Martina K. aus Chur. «Wenn unsere
Kinder nur schon laut lachen, erhalte ich ein erbostes Telefon
von meiner Nachbarin.» Ein Verkauf der Wohnung ist derzeit
nur mit Verlust möglich, so dass Martina K. bis auf weiteres
wird ausharren müssen.
Der Erneuerungsfonds bildet die Reserve für Unterhalts-
und Erneuerungsarbeiten. Die Bildung eines solchen Fonds ist
nicht vorgeschrieben, doch Sanierungsarbeiten sind teuer –
und wehe dem, den sie unvorbereitet treffen. Nur bei Neubauten
darf in den ersten Jahren auf die Äufnung eines solchen
Fonds verzichtet werden.
Erneuerungsfondsgelder prüfen
Das Reglement sollte klar festhalten, wozu der Erneuerungsfonds
verwendet wird. Grundsätzlich darf er nur dazu dienen,
Erneuerungsarbeiten ohne Belastung der einzelnen Stockwerkeigentümer
durchzuführen. Wie viel und bis zu welcher Höhe
die einzelnen Eigentümer einzahlen müssen, bestimmt
die Stockwerkeigentümergemeinschaft.
Wenn Sie sich für eine bereits bestehende Eigentumswohnung
interessieren, prüfen Sie genau, ob der Verkäufer
auch alle Beiträge an die Gemeinschaft bezahlt hat. Die
Stockwerkeigentümergemeinschaft kann für ausstehende
Beiträge ein Grundpfandrecht eintragen lassen. Ihnen
bleibt dann nichts anderes übrig, als die Ausstände
des Verkäufers auch noch zu begleichen, wenn Sie die
Errichtung des Grundpfands verhindern wollen.