Ein ganzes Leben wegräumen
Gerade ältere Leute müssen oft unvermittelt ihre Wohnung verlassen. Für die Angehörigen stellt sich die Aufgabe, den Haushalt rasch aufzulösen - eine logistische wie emotionale Herausforderung.
Veröffentlicht am 14. Juli 2006 - 16:04 Uhr
«Den Haushalt meiner Freundin aufzulösen war eine heilsame Erfahrung», sagt Yvonne Abdul aus Zürich. «Wenn man erlebt, wie schnell die Besitztümer eines Menschen verschwinden, macht man sich so seine Gedanken.» Ihre Freundin Klara Wüthrich durfte nur einen Stuhl, ihre Kleider und ein paar persönliche Sachen ins Altersheim mitnehmen. Zurück blieben Erinnerungen eines 79-jährigen Lebens.
Bevor die allein stehende alte Frau überstürzt ihre Zweieinhalb-Zimmer-Mietwohnung verlassen musste, hatte ihr die jüngere Yvonne Abdul regelmässig beim Einkaufen und bei sonstigen Alltagsverrichtungen geholfen. Bis zu jenem Tag, als sie Klara Wüthrich verletzt auf dem Boden ihres Wohnzimmers fand, wo sie zwei Tage lang gelegen hatte. Im Spital war bald klar, dass ein sofortiger Altersheimeintritt unumgänglich war.
Für Yvonne Abdul hiess das als Erstes, die Wohnung zu kündigen und die Suche nach einem Nachmieter einzuleiten (siehe Nebenartikel «Der erste Schritt: Wohnung kündigen»). Und vor allem: all die kleinen und grossen Dinge, mit denen Wohnung, Estrich und Keller voll gestopft waren, rasch wegzuschaffen. «Mir war wichtig, mit den Sachen von Klärli respektvoll umzugehen und auch die Umwelt zu schonen», erzählt Yvonne Abdul.
Viele Brockenhäuser bieten an, ganze Wohnungen zu räumen; die meisten rechnen auf einer Stundenlohnbasis ab. «Wir holen alles und entsorgen das nicht mehr Brauchbare», sagt Doris Bucher vom «Zürcher Brockenhaus». «Dabei nehmen wir vor Ort Rücksicht auf die alten Leute, die ein Leben lang mit diesen Möbeln gelebt haben und sich nur ungern davon trennen.» An einzelnen Möbelstücken haben Brockenhäuser in der Regel nur dann Interesse, wenn diese sehr gut erhalten sind und dem heutigen Geschmack und Stil entsprechen oder sonst wie wertvoll sind. Wer dafür eine Entschädigung erwartet, ist dort an der falschen Adresse. Eine Anzeige am Anschlagbrett eines Einkaufszentrums oder im Internet bringt diesbezüglich oft mehr Erfolg - am besten mit einer exakten Beschreibung des Möbels und einem guten Foto.
Der Trottoir-Gratismarkt
Yvonne Abdul nahm die rasche Räumung der Wohnung ihrer Freundin selber in die Hand - und musste dazu alle Register ziehen. Zuerst hiess es, Abfälle und den Sperrmüll zu sortieren und fachgerecht zu beseitigen; der Abfallentsorgungsplan der Stadtverwaltung war dabei unerlässlich. Kaputte Elektrogeräte oder Lampen zum Beispiel entsorgte Abdul separat. Funktionierende Geräte, viele Bücher sowie die Tisch- und Bettwäsche holte eine Bekannte für den Flohmarkt ab. Zwei Schränke fanden den Weg ins Brockenhaus, alle anderen Möbel nahmen Abdul und ihre Helfer auseinander und stellten sie für die Abfuhr bereit.
«Geschirr und andere Haushaltsachen stellten wir laufend aufs Trottoir mit dem Vermerk ‹Zum Mitnehmen›. Sie wurden von Passanten geprüft und sogleich davongetragen», freut sich Yvonne Abdul über den Erfolg ihrer Räumungsvariante. Aber aufgepasst: Der Trottoir-Gratismarkt ist nicht überall erlaubt. Es empfiehlt sich, zuerst auf der Gemeinde- oder Stadtverwaltung nachzufragen. Denn rasch kann eine wilde Deponie entstehen, weil andere Leute ihren Abfall dazustellen; die Behörden können dies als illegale Entsorgung ansehen und Bussen ausstellen. So oder so ist es ratsam, Material und Abfallsäcke erst am Morgen aufs Trottoir zu stellen, um nächtlichen Plünderungen vorzubeugen - und der Sauerei danach.
«Wir haben uns immer wieder gewundert, wie viel im Laufe eines Lebens zusammenkommt», sagt Yvonne Abdul. Umso erstaunlicher die Bilanz der Räumungsaktion, die sie durchzog: In fünf Tagen war alles restlos weg.
Tipps und Links
- Pro-Senectute-Beratungsstellen organisieren das Räumen einer Wohnung oder lösen Haushalte selber auf Stundenlohnbasis auf. Wenn es gewünscht wird oder erforderlich ist, wird auch Schriftliches erledigt. Informationen finden Sie unter www.pro-senectute.ch
- Brockenhäuser holen einzelne Möbel gratis ab oder lösen Haushalte auf Stundenlohnbasis auf – einzelne auch unentgeltlich, wenn man sich früh genug meldet. Es lohnt sich, Offerten einzuholen. Adressen unter www.secondhand.ch
- Viele Antiquariate holen Bücher gratis ab. Adressen unter www.buecherei.ch
- wIn der «Fundgrueb» kann man Inserate schalten und findet Termine der Flohmärkte: www.fundgrueb.ch/flohmarkt
- Abfallinfo Schweiz bietet eine Plattform mit Informationen zum Thema Abfall und Recycling: www.abfall.ch
- Für den Online-Verkauf helfen einige Tipps: Schwere Möbel und Zerbrechliches nur mit dem Vermerk «Muss abgeholt werden» verkaufen; einen tiefen Anfangspreis wählen – das lockt mehr Käufer an; die Auktion an einem Wochenende auslaufen lassen; Ware erst nach Bezahlung aushändigen. Die wichtigsten Anbieter: www.ebay.ch, www.ricardo.ch, www.flohmarkt.ch