Das gibt es tatsächlich noch: ein wildes Tal ohne Erlebnisgastronomie, Rodelbahn oder Seilpark. Dafür reich an Wanderwegen, auf denen man kaum einmal jemandem Grüezi sagen muss. Berückend schöne Wasserfälle, deren heftiges Toben den Atem stocken lässt. Wo man das findet? Zum Beispiel im Kiental im Berner Oberland.

Kulisse für «Zauberberg»-Verfilmung

Wie wenn so viel Anmut belohnt werden müsste, steht zuhinterst in diesem Tal auch noch eine bezaubernde Herberge: das Hotel Waldrand. Gebaut wurde es im Chaletstil, die ersten Gäste empfing es 1911. Das Haus ist nur teilweise beheizbar und deshalb nur im Sommerhalbjahr geöffnet. 

In den Zimmern stehen noch die originalen Möbel und auf der Terrasse, die einen herrlichen Blick ins Tal freigibt, die historische Gartenbestuhlung. Es erstaunt nicht, dass ausgerechnet dieses Gasthaus 1981 als Drehort für die Verfilmung des Romans «Der Zauberberg» von Thomas Mann diente.

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Durch und durch stimmig

«Letztes Jahr habe ich sie frisch streichen lassen», sagt Bruno Sieber über die Gartenmöbel, die nun ebenso rot leuchten wie seine Irokesenfrisur. Der heutige Besitzer hat das Hotel gemeinsam mit seiner Partnerin Marieken Verbruggen wieder in Schuss gebracht. Nichts wirkt aufgesetzt, nichts zu viel. Aber alles, was da ist, ist stimmig – und durch und durch von der Herzlichkeit und Freundlichkeit der Gastgeber geprägt.

Als Sieber das Hotel kaufte, lag der Betrieb am Boden. Doch nun finden jedes Jahr mehr Gäste den Weg zum versteckt gelegenen Juwel. Zu verdanken ist das auch der Auszeichnung zum historischen Hotel des Jahres 2016.

Zum Hotelier über Umwege

Eigentlich bleiben nur noch zwei Fragen offen. Wie kommt ein ehemaliger Werkzeugmacher zu einem so besonderen Hotel? In seinem ursprünglichen Beruf habe alles immer schneller und günstiger gehen müssen, und irgendwann habe er den Bezug zu seiner Arbeit verloren, sagt Sieber.

Da hat er auf der Pochtenalp als «Mädchen für alles» angefangen. Als die Pächterin krankheitshalber aufhören musste, übernahm er. «Ich chrampfe gern von morgens bis abends, wenn ich weiss, wofür.» Von Mai bis Oktober lebt er mit seiner Familie hier oben, im Winter im Dorf Kiental, wo er im Sportgeschäft arbeitet.

Und wie ist der Hotelier zu seiner kecken Frisur gekommen? Das habe weder mit seiner Lebenseinstellung noch mit der Musik zu tun, sagt Bruno Sieber, der in verschiedenen Bands Schlagzeug spielt. Zu seiner Frisur habe ihn ganz einfach ein Skifahrer inspiriert, den er einst auf einer österreichischen Piste gesehen hat und dessen Irokesenschnitt ihm gefiel.

Seither gehöre der feuerrote Kamm zu ihm. «Zum Glück habe ich dich vorher kennengelernt», scherzt Marieken Verbruggen, «sonst hätte ich dich nicht genommen.»

Doch die Gäste scheinen damit kein Problem zu haben. Wer hierherkommt, schätzt das Einfache, die Ruhe und genau das – einen Schuss Originalität.

Zum flachen See und zu Wasserfällen

Von der Pochtenalp (1362 m ü. M.) geht es in zehn Minuten auf die Griesalp und von dort aus auf einem Höhenweg durch das Kiental Richtung Ramslauenen.

Zurück wandern wir auf einem tiefer gelegenen Weg. Vor dem Tschingelsee überqueren wir das Gornernwasser. Der Tschingelsee entstand 1972 nach einem Gewitter, das einen heftigen Murgang auslöste. Ein Damm bildete sich, dahinter formte sich der Tschingelsee. Weil der Gamchigletscher schrumpft, findet heute immer mehr Geröll den Weg in den verwunschenen, kaum noch knietiefen See.

Der Aufstieg durch die Griesschlucht zur Pochtenalp führt uns zuerst am imposanten Dündefall und später am Pochtefall vorbei. Unbedingt die Gischt ins Gesicht spritzen lassen! Dauer der Wanderung: 4½ Stunden.

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