Generation Gemeinsam
Ältere Mitarbeiter sind stur und teuer, junge frech und nachlässig: Das sind Klischees. Denn der Altersmix macht Teams besser – wenn man Vorurteile über Bord wirft.
Veröffentlicht am 18. September 2013 - 13:48 Uhr
Alt und Jung in einem Team – die beste Konstellation, die man sich wünschen kann? Im Prinzip schon. Weil ältere Mitarbeiter Lebens- und Berufserfahrung sowie grosses Fachwissen mitbringen. Während die Jungen mit neuen Ansätzen und Meinungen, frisch von der Ausbildung oder vom Studium, in die Firma kommen. Der Altersmix fördert diese Vielfalt an Perspektiven, die Unterschiede im Denken und Handeln. Weil sie überraschende Blickwinkel eröffnet. Ideen liefert, auf die man sonst nicht käme. Lösungen ermöglicht, die durchdacht sind und deshalb so bestechend. Nicht umsonst verordnen sich einzelne Firmen heute «Diversity»-Konzepte, um unter anderem die Generationenvielfalt zu fördern.
Für den Altersmix spricht ein weiterer Grund: Wären alle Mitarbeiter 50 – was würde in 15 Jahren, nach deren Pensionierung, mit dem wertvollen Wissen passieren? «Für den kontinuierlichen Erfolg einer Firma ist eine durchmischte Altersstruktur wesentlich», sagt Markus Theiler, Geschäftsführer der Jörg Lienert AG, die Fach- und Kaderleute vermittelt. Firmen seien sich dessen durchaus bewusst, wenn sie Stellen besetzen. Besteht ein Team ausschliesslich aus jungen Leuten, wird oft ausdrücklich eine erfahrene Person gesucht. Sind alle über 45, kommt eine junge Arbeitskraft dazu. Viele Firmen haben zudem junge und alte Kunden – wer verstünde deren Bedürfnisse besser als ein Team aus jungen und alten Mitarbeitenden?
In der Praxis aber begegneten sich die Generationen oft mit Vorurteilen, hat Personalvermittler Theiler beobachtet. Da heisst es schnell, die Alten verschlössen sich heutigen Technologien. Und den Jungen unterstellt man, sie prahlten nur mit ihrem theoretischen Wissen. Dass die Zusammenarbeit verschiedener Altersklassen harzig sein kann, zeigt eine Studie des international tätigen Personaldienstleisters Robert Half. Demnach unterscheiden sich Alte und Junge vor allem in puncto Arbeitsmoral und Work-Life-Balance.
So will die Generation Y – noch in Ausbildung oder demnächst auf dem Arbeitsmarkt – vor allem gutes Geld verdienen, und das nicht zwingend in einer Führungsfunktion. Im Job vorankommen und anerkannt werden ist hingegen für die Generation X wichtig, für die zwischen 1965 und 1978 Geborenen. Dafür opfern die Mittelalten sogar ihre Freizeit. Was für Babyboomer der Jahrgänge 1946 bis 1964 wiederum nicht in Frage kommt – sie wollen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Job und Privatem, obschon ihnen auch der berufliche Status etwas bedeutet.
Drei Generationen mit unterschiedlichen Bedürfnissen. Das ist normal. Woran es laut der Studie in der Arbeitswelt mangelt: sich in andere hineinfühlen, begreifen, was ihnen wichtig ist und warum. Das wäre eine der Voraussetzungen, um im Team erfolgreich zu sein. Leute unterschiedlichen Alters betrachten die Dinge aus ihrer Warte. Auch das ist legitim, weil sie sich in ihrem Wissensstand ebenso unterscheiden wie in ihrer Erfahrung. «Wichtig ist, dass man nicht die alleinige Wahrheit für sich beansprucht, sondern die Sichtweise des anderen nachvollzieht», sagt Yvonne Seitz, bei Axa Winterthur für den Bereich Diversity verantwortlich. Die Versicherungsgesellschaft fördert nach eigenen Angaben den Altersmix gezielt, stellt Teams zusammen, in denen sich Generationen treffen – von der 20-jährigen Berufs- und Brancheneinsteigerin bis zum 57 Jahre alten Mitarbeiter, der seit über zwei Jahrzehnten für die Firma tätig ist. Eine eigentliche «Altersmixquote» gibt es nicht, wird aber jemand gesucht, der ein Team leiten soll, wählt man öfter bewusst jemanden, der langjährige Berufserfahrung mitbringt. Die Vorteile: Die Jungen profitieren vom Fachwissen und vom Netzwerk der Alten. Tritt eine Führungskraft vor der Rente etwas kürzer, kann ein jüngerer Nachfolger oder eine jüngere Nachfolgerin aufgebaut werden, indem man ihm oder ihr Stück für Stück mehr Verantwortung überträgt.
In der Praxis heisst das jedoch oft: sich zusammenraufen. Denn die Unterschiede in der Art, die Dinge zu sehen und die Arbeit anzupacken, sind gross. «Ältere Mitarbeitende sind sehr kundenorientiert und identifizieren sich stark mit dem Unternehmen», sagt Monica Dreher, 50. Sie leitet bei Axa ein zehnköpfiges altersgemischtes Team, das den Direktvertrieb unterstützt und Kundenberatungen wie Versicherungsabschlüsse vor- und nachbereitet.
Auch orientierten sich die Älteren an Bewährtem. Worauf die Jüngeren nicht immer Rücksicht nehmen: Sie sagen direkt, was sie als eingefahren wahrnehmen und schnell ändern wollen – und stossen damit bei den Älteren auf Skepsis.
«Erfahrene Kollegen nehmen andere Ansichten und Verbesserungsvorschläge nicht immer an, vor allem, wenn sie die Komfortzone verlassen müssen», sagt Luca Genovese, 20. Er arbeitet in Drehers Team. Dass die Älteren Änderungen rundweg ablehnten, stimme allerdings nicht, entgegnet sein 50-jähriger Kollege, Bereichsleiter Martin A. Engelhart. Sie reagierten oft besonnener. Jüngere seien rasch bei der Lösung – manchmal zu rasch.
Luca Genovese räumt ein: «Ältere brauchen manchmal mehr Zeit, dafür liefern sie bessere Qualität. Wir Jungen bevorzugen oft den einfachen, schnellen Weg.» Und sie orteten oft zielsicher, was sich verbessern liesse. «Weil sie einen unverbrauchten Geist mitbringen und nicht betriebsblind sind», sagt Monica Dreher. Ihrer Erfahrung nach ist es anspruchvoller und aufwendiger, ein altersgemischtes Team zu führen. Es lohnt sich aber: Dank der Vielfalt werden Stärken und Schwächen ausgeglichen. Erfahrung und Wissen mit Neugierde und Speed kombiniert. Und davon profitiere das Team und letztlich die ganze Firma.
So klappts mit Jung und Alt am Arbeitsplatz
Junge sagen über Alte oft: Die sind verkrustet und nicht bereit, sich nur einen Millimeter zu bewegen. Manchmal trifft das zu. Aber nicht immer haben Bedenken der Älteren damit zu tun, dass sie Neues rundweg ablehnen. Manchmal wissen sie es einfach besser. Sie können zum Beispiel einschätzen, was der Markt will, weil sie ihn gut kennen. Jüngere mögen fit sein in Bezug auf neue Technologien und Hilfsmittel. Was aber nützt die innovativste Idee, wenn die Zeit dafür noch nicht reif ist?
«Die Stereotypen einer Generation erfüllen weit weniger Personen, als man vielleicht glaubt», heisst es in einer Altersmix-Studie. Ergo: Auch Junge sind manchmal festgefahren. Und Alte offen für Veränderungen.
Kollegen und Kolleginnen aus unterschiedlichen Generationen können sich gegenseitig viel beibringen. Ein junger Senkrechtstarter ist froh, wenn er sein Technikfaible ausspielen darf. Er kann Ältere in eine neue Software einführen – und dabei von Älteren lernen, worauf es bei Schulungen ankommt.
Kluge Arbeitgeber stellen ältere Mitarbeiter in Teilzeit an, um jüngere Kollegen zu coachen. Das führt nach Angaben von Experten zu guten Ergebnissen für die Firma und fördert Respekt und Verständnis.
Ältere hocken auf ihrem Know-how und denken nicht daran, es zu teilen? Das kann der Fall sein, und manchmal liegt es an schlechten Rahmenbedingungen. Deshalb: Langjährige Mitarbeiter müssen sich ernstgenommen und geschätzt fühlen. Im Team, aber auch in der Firma. Und sie dürfen keine Angst haben, ihren Job zu verlieren. Dann nämlich helfen sie bereitwillig und geben ihr Wissen noch so gerne an die junge Generation weiter.
Ausflüge? Bowlingabende? Grillfeste? Aber sicher. Aktivitäten, bei denen Personen jeden Alters sich wohlfühlen und den anderen von einer privaten Seite kennenlernen können, schweissen zusammen.
Info: Broschüre «Viele Generationen – ein Team. Wie man Mitarbeiter unterschiedlicher Altersgruppen bindet», zum Herunterladen auf www.roberthalf.ch