Beobachter: Was macht eine gute Führungskraft aus?
Dominik Egloff: Eine der Hauptkompetenzen eines Chefs ist seine Vorbildfunktion. Wasser zu predigen und Wein zu trinken ist etwas vom Problematischsten überhaupt. Eine gute Führungskraft muss ausserdem auf mehreren Ebenen kompetent und aktiv sein, inhaltlich und bei der Führung selbst. Ein guter Chef im Kontext A muss aber nicht automatisch ein guter Chef im Kontext B sein.

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Beobachter: Gibt es eindeutig negative Eigenschaften bei einem Chef?
Egloff: Ein schlechter Chef passt das Führungsverhalten nicht den Bedürfnissen und dem Umfeld an. So mag ein Patron alter Schule zwar nicht einem modernen Führungsverständnis entsprechen, kann in einem kleinen Traditionsbetrieb aber sehr gut funktionieren.

Beobachter: Darf man auch heute noch autoritär führen?
Egloff: Man darf nicht nur, in gewissen Berufsfeldern ist das sogar sinnvoll. Wenn beispielsweise bei der Feuerwehr ein Notruf eingeht, braucht es klare Anweisungen, keine Diskussionen über die Bedürfnisse und Lösungsansätze jedes einzelnen Mitarbeiters. Der Vorteil eines autoritären Führungsstils sind eindeutige Zuständigkeiten und klare Anforderungen.

Beobachter: Das ist allerdings ein Extrembeispiel.
Egloff: Sicher, aber davon gibt es etliche. Hinzu kommt, dass längst nicht alle Arbeitnehmenden mitwirken und mitentscheiden wollen. Es gibt durchaus auch solche, die sehr zufrieden sind, dass ihnen jemand klar sagt, was zu tun ist und was nicht.

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Beobachter: Aber es gibt doch auch Berufsgruppen, die ein Mitentscheiden schätzen und sogar fordern.
Egloff: Klar gibt es die. Lehrerinnen und Lehrer sind so ein Beispiel, die gern selbst mitreden, statt nur Anweisungen zu befolgen. Der Vorteil des partizipativen Führungsstils ist sicherlich eine höhere Identifikation mit dem Arbeitgeber, was auf lange Sicht erfolgversprechender ist.

Beobachter: Muss man den Leuten alles vorschreiben, damit sie ihren Job machen?
Egloff: Manchmal ist es ein Teufelskreis. Der Arbeitgeber stellt viele Regeln auf, weil er die Mitarbeitenden für faul hält. Das führt dazu, dass die Leute nur noch Dienst nach Vorschrift machen. Der Chef wiederum fühlt sich in seiner Vermutung bestätigt, dass es Regeln braucht.

Beobachter: Funktioniert auch eine «Positiv-Spirale»?
Egloff: Absolut. Und die ist in sehr vielen Fällen möglich und wünschenswert. Selbstverständlich gibt es aber auch Mitarbeitende, die Freiheiten ausnützen.

Beobachter: Opportunisten gibt es aber in jedem System.
Egloff: Natürlich. Wer will, findet meist einen Weg, wie er den Chef ausnutzen kann. Als Führungsperson muss ich mir aber die Frage stellen, ob ich das System auf ein paar schwarzen Schafen aufbauen will, statt diese Einzelfälle gesondert anzugehen.

«Oft will eine Führungsperson, dass man ihr vertraut, vertraut aber umgekehrt den Mitarbeitern nicht.»

Dominik Egloff

Beobachter: Kann man als Chef seinen Führungsstil ändern?
Egloff: Das will ich doch hoffen! Aber es braucht Zeit, bis das bei den Mitarbeitenden ankommt. Wer 20 Jahre Dienst nach Vorschrift geleistet hat, ändert nicht von einem auf den andern Tag sein Verhalten. Manche werden sich vielleicht sogar gegen die Änderung des Führungsstils wehren. Oder sie glauben, dass der Chef genau deshalb besser bezahlt wird, weil er sich mit den Grundsatzfragen der Geschäftsführung auseinandersetzen muss. Die Mitarbeitenden müssen spüren, dass sie ernst genommen werden und ihr Mitdenken und Mitwirken tatsächlich etwas bringt.

Beobachter: Kann aus einem schlechten ein guter Chef werden?
Egloff: Als Organisationsberater muss ich das glauben. Natürlich ist es schwierig, die Persönlichkeit eines Menschen zu ändern. Man kann ihm aber die nötigen Systeme und Techniken zeigen, um etwas Neues zu versuchen. Elementar dafür ist die Bereitschaft, etwas zu verändern. Wenn man überzeugt ist, dass man alles richtig macht und alle anderen schuld an der Misere sind, wird es schwierig. Tatsächlich scheitern viele Chefs an ihrem Ego.

Beobachter: Woran noch?
Egloff: Am Vertrauen. Den Mitarbeitern zu vertrauen ist eine Kernkompetenz eines Chefs. Die Krux: Oft will eine Führungsperson zwar, dass man ihr vertraut, vertraut aber umgekehrt den Mitarbeitern nicht.

Beobachter: Das Gegenstück zur Führung nach alter Schule sind Google, Facebook und andere Firmen mit Rutschbahn und Ruheräumen. Braucht es das?
Egloff: Ich glaube nicht, dass eine Grossbank eine Rutschbahn montieren muss, um als Arbeitgeberin attraktiv zu sein. Letztlich sollte es darum gehen, dass sich die Mitarbeitenden wohl fühlen. Dadurch leisten sie bessere Arbeit und sind loyaler. Ob ich das nun mit einem Töggelikasten im Pausenraum oder mit einem Teamausflug erreiche, ist letztlich egal. Wichtig ist, dass man selbstkritisch und flexibel bleibt. Das gilt übrigens nicht nur für die Führungskräfte, sondern auch für die Mitarbeitenden selbst.