Bei Linkedin sind «Mutter» und «Vater» nun ein Beruf
Mit neuen Jobkategorien für Eltern will Linkedin Lücken im Lebenslauf füllen. Expertinnen sind davon wenig angetan. Denn wer in Bewerbungen auf Elternzeit hinweist, wird regelmässig benachteiligt.
Veröffentlicht am 6. Mai 2021 - 16:32 Uhr
Dass der Mutterschaftsurlaub alles andere als Urlaub ist, sollte allen klar sein. Ebenso, dass Kinderbetreuung nicht mit Freizeit gleichzusetzen ist. Meist bedeutet es mehr Arbeit als ein Vollzeitjob. Dennoch wirkt sich die Kinderpause negativ auf die Karriere vieler Frauen aus. Die Lücke im Lebenslauf führt im schlimmsten Fall dazu, dass die Frau nicht wieder eingestellt und schon gar nicht befördert wird.
Deshalb hat das Karrierenetzwerk Linkedin neue Jobkategorien eingeführt: «Stay-at-home mom», «Stay-at-home dad» und «Stay-at-home parent». In der Schweiz nutzen bereits etliche Frauen die Bezeichnung. Die deutschen Kategorien «Mutter» und «Vater» würden derzeit «ausgerollt», sagt eine Linkedin-Sprecherin.
Die neuen Kategorien sind gut gemeint. Fachleute raten aber davon ab, sie zu verwenden. Mütter, die in Bewerbungen auf ihr Familienleben hinweisen, würden regelmässig benachteiligt, sagt Shelley Correll, Professorin an der US-Eliteuni Stanford. Sie spricht deshalb von «Mutterschaftsstrafe». Auch Männer seien von einer solchen Diskriminierung betroffen. Firmen stellten lieber einen Arbeitslosen ein als jemanden, der kinderbedingt ausgefallen sei, zeigen Untersuchungen.
Andere Leistungen betonen
Gudrun Sander, die an der Universität St. Gallen das Programm «Women Back to Business» initiiert hat und zu Gleichstellung forscht, sieht Berufsbezeichnungen wie «Stay-at-home mom» im Lebenslauf ebenfalls kritisch. Auch in ihren Studien habe sich gezeigt, dass es eine Elternschaftsstrafe bei Frauen und Männern gibt – besonders nach einer Auszeit, die mehrere Jahre dauerte.
Sander rät, Erwerbsunterbrüche lieber mit Leistungen neben den elterlichen Aufgaben zu ergänzen: Freiwilligenarbeit etwa in Spielgruppen, Nachbarschaftshilfe, Umbauprojekte.
Dennoch kann Sander den neuen Jobkategorien etwas Positives abgewinnen: Sie schärften das Bewusstsein für die unbezahlte Care-Arbeit. Diese müsse aufgewertet werden. Entstandene Lücken zu benennen, könne dazu beitragen. «Unbezahlte Arbeit taucht im Bruttoinlandprodukt nicht auf, macht aber einen grösseren Anteil an der gesamt geleisteten Arbeit aus als die bezahlte Erwerbsarbeit.»
Wir alle diskriminieren, ohne es zu wollen
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