Alle Kinder schreiben an einem bestimmten Tag eine Prüfung, und danach gibt es Noten von 1 bis 6: Das wird es in der Stadt Luzern nicht mehr geben. Ab Sommer 2026 schafft sie Prüfungsnoten in der Primarschule ab, ein Jahr später auch in der Oberstufe. Diesen Entscheid gab die Volksschule der Stadt Luzern bekannt.

Es soll zwar weiterhin Zeugnisnoten geben. Während des Schuljahres sollen die Kinder aber in anderer Form Rückmeldungen erhalten. Zum einen durch Feedbackgespräche, aber auch durch Kompetenzraster, Lerntagebücher oder einen Lernkompass – je nachdem, welches Instrument den Lehrpersonen am besten geeignet erscheint für den Austausch mit Kindern und Eltern. Der Lernerfolg werde so gestärkt, heisst es im neuen «Rahmenkonzept Beurteilung» der Volksschule Luzern – weil die Schule stärker auf die einzelnen Kinder eingehen könne.

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Noten sind wenig aussagekräftig

Noten werden in der Forschung schon lange hinterfragt. Es ist unbestritten, dass sie wenig aussagekräftig sind und oft eine negative Wirkung auf Kinder und Jugendliche haben. Vor allem Eltern und Ausbildungsfirmen haben sich in der Vergangenheit aber immer wieder für Noten starkgemacht, weil sie die Entwicklung von Schulkindern einfach nachvollziehbar und vergleichbar machen.

Jetzt hat der Wind aber gedreht. Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse kritisierte im Februar, dass die Zeugnisnoten den Firmen kaum helfen, passende Lehrlinge zu finden. Und erstmals will auch eine knappe Mehrheit der Eltern Noten für Primarschulkinder abschaffen, zeigt eine vom «Blick» veröffentlichte Studie von Sotomo.

Eltern sehen Noten als Belastung

51 Prozent wollen eine Schule ohne Noten. 54 Prozent der Eltern von Primarschulkindern sehen in Bewertungen und Prüfungen eine Belastung für ihr Kind. Dabei zeigt sich, dass vor allem jüngere Eltern bis 35 Jahre Noten gegenüber kritisch sind (61 Prozent sagen Ja oder eher Ja zur Abschaffung). Eltern über 55 wollen sie grösstenteils beibehalten (nur 26 Prozent sind für eine Abschaffung).

Luzern ist nicht die einzige Stadt, die künftig fast ohne Noten und ohne klassische Prüfungen auskommen will. Die stille Revolution in der Schule , die der Beobachter bereits vor einigen Jahren beschrieb, schreitet in der ganzen Schweiz voran. In den Kantonen Aargau und Bern arbeiten bereits mehrere Schulen ohne Prüfungsnoten, darunter auch Oberstufen.

Lehrplan 21 erfordert andere Beurteilung

Ziel ist es überall, mit neuen Beurteilungsformen die Leistungen genauer und fairer abzubilden und die Kinder und Jugendlichen stärker zu motivieren – ganz im Sinne des Lehrplans 21. «Viele Schulen machen wirklich guten Unterricht, fördern die Schülerinnen und Schüler individuell», sagte Philipp Bucher von der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz vor zweieinhalb Jahren im Beobachter. Bei der Beurteilung aber sei die Reform auf halbem Wege stecken geblieben. «Die Leistungen werden nicht wirklich individuell erfasst.»

Wie umstritten das Thema Noten Schule Sind Noten überflüssig? aber immer noch ist, zeigte sich vor bald einem Jahr im Kanton Zürich. Was die Stadt Luzern jetzt einführt, hat der Kantonsrat dort explizit verboten – gegen den Willen des Zürcher Bildungsrats. Zürcher Lehrerinnen und Lehrer dürfen ab der zweiten Primarschulklasse keine alternativen Bewertungssysteme wie Feedbackgespräche anstelle von Prüfungsnoten einsetzen. Als Grund gab die bürgerliche Mehrheit im Kantonsrat die Bedürfnisse der Wirtschaft und der Eltern an.