Wie KMU in die Falle tappen
Versprochen wird «gratis» – doch dann kostet die Website oder das Werbevideo mehr als 20'000 Franken.
aktualisiert am 20. Dezember 2013 - 16:00 Uhr
Gisela Kellers Vorsatz stand fest: «Ich unterschreibe sicher nichts, das kostet.» Der Vertreter einer Firma Euroweb hatte telefonisch angekündigt, seine Firma wolle die Website von Kellers Sägerei auffrischen. Und das komplett gratis, denn Euroweb wolle hierzulande aktiv werden und suche nach Firmen, die man dann weiteren Kunden als Referenz angeben könne.
Auch als der Vertreter dann Kellers Betrieb besuchte, war von Kosten nie die Rede. «Das Gratisangebot gelte aber nur, wenn ich sofort zustimme, sagte er», erinnert sich Gisela Keller, denn er müsse weiter zum nächsten Termin. «Ich kam mir vor wie in einer Gehirnwäsche.» Es war halb zwölf, und im Betrieb war noch jede Menge zu tun, da unterschrieb Keller und gab dem Vertreter eine Liste mit knapp 20 weiteren Betrieben in der Region, die interessiert sein könnten. «Ich sah zwar, dass da irgendwas von 400 Franken stand, aber ich meinte, es gehe um eine einmalige Aufschaltgebühr», so Keller.
Ein fataler Irrtum, denn laut Vertragstext muss Kellers Sägerei jetzt vier Jahre lang jeden Monat CHF 453.60 bezahlen, total also fast 22'000 Franken. Dafür erstellt Euroweb eine Website, ein Kurzvideo sowie einen E-Mail-Newsletter über Kellers Sägerei, Hobel- und Leimwerk in Unterstammheim ZH.
Nach wenigen Tagen merkte Gisela Keller, dass die Sache erstens wohl ziemlich nutzlos und zweitens vollkommen überteuert ist. Sie sei getäuscht worden, der Vertrag daher ungültig, machte sie geltend. Doch Euroweb beharrt auf dem Vertrag.
Wie Gisela Keller geht es vielen Kleingewerblern; mehr als ein Dutzend von ihnen haben sich beim Beobachter-Beratungszentrum erkundigt, ob sie aus den ungewollten Verträgen aussteigen können. Ihre Schilderungen, wie die Verträge zustande gekommen sind, sind praktisch identisch. Bis Redaktionsschluss nahm Euroweb nicht zum Vorwurf Stellung, die Kunden gezielt zu täuschen.
Gleich zweimal hereingefallen ist Dominik Brun aus Luzern. Er unterschrieb bei Euroweb einen Vertrag für eine Website und bei Astramedia für ein Video, das für seine Firma werben soll, die auf Luftreinigungssysteme spezialisiert ist. Auch Astramedia versprach zunächst, das Video sei gratis – tatsächlich kostet es rund 16'000 Franken, in Monatsraten zu 330 Franken. Sehr viel Geld für ein 76 Sekunden dauerndes Werbefilmchen.
Astramedia bezeichnet sich als «erstaunt» darüber, dass beim Beobachter zahlreiche Beschwerden gegen die Firma vorliegen. Man habe vor anderthalb Jahren das Geschäftsmodell verändert, die Preise deutlich reduziert und sich von den «damals verantwortlichen Mitarbeitern vollständig getrennt», sagt Astramedia-Geschäftsleitungsmitglied Thomas Pfister. Astramedia ist eine in Pfäffikon SZ beheimatete international tätige Schweizer Firma mit Prominenz an der Spitze: Der neue Präsident des HC Davos, Gaudenz Domenig, sitzt ebenso im Verwaltungsrat wie Werner Dubach, ehemaliger Chef der Brauerei Eichhof.
Bei Euroweb hingegen handelt es sich um den Schweizer Ableger einer deutschen Firma. Gegen einen Garagisten aus dem aargauischen Seetal, der nicht bezahlen will, weil er sich getäuscht fühlt, geht Euroweb mittlerweile gerichtlich vor – und lässt dabei die Muskeln spielen: Euroweb hat eine der teuersten Anwaltskanzleien Zürichs mit dem Fall betraut; diese verlangt pro Stunde mindestens 600 Franken.
Das Bezirksgericht Zürich hat aber bereits in Aussicht gestellt, dass es der obsiegenden Partei eine Anwaltsentschädigung von höchstens 2400 Franken zusprechen wird. Für Euroweb wird damit der Prozess – ein Urteil fällt wohl erst im nächsten Frühling – mit Sicherheit zum Verlustgeschäft. Die Vermutung liegt deshalb nahe, dass es um einen Musterprozess geht. Gewinnt Euroweb, müssen wohl die übrigen Geschädigten ebenfalls mit Gerichtsverfahren rechnen.
Euroweb: Zweifelhaftes Urteil
Der Internetanbieter Euroweb gewinnt einen Musterprozess. Ein Coiffeurbetrieb aus dem Thurgau muss nun für eine wertlose Homepage 6000 Franken bezahlen, dazu 8000 Franken für Prozesskosten. So entschied das Bezirksgericht Zürich. Das alles, weil Coiffeuse Monique Kälin* vor zwei Jahren einen Vertrag mit der Firma Euroweb unterschrieb. Zwei Euroweb-Vertreter hatten versprochen, für ihren Betrieb gratis eine Homepage samt Werbevideo zu erstellen. Sie müsse nur den Unterhalt der Website zahlen.
Als Kälin den «Internet-System-Vertrag» wenige Tage später genauer studierte, wurde ihr fast übel. Laut den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) müsste sie vier Jahre lang jeden Monat 486 Franken zahlen, total über 23'000 Franken. Ein völlig überrissener Preis für eine simple Website. Kälin fühlte sich übervorteilt und getäuscht. Der Vertrag sei daher ungültig, machte sie geltend und kündigte. Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht: Es liege weder eine Übervorteilung noch eine Täuschung vor. Auch sei es nicht ungewöhnlich, dass die vierjährige Laufzeit nur auf der Rückseite des Vertrags in den AGB vermerkt worden sei und nicht auf dem Vertragsformular.
Coiffeuse Kälin kostet das 14'000 Franken, wovon 8000 Franken Prozesskosten und Honorar der Anwaltskanzlei Homburger. Nach diesem Urteil gilt erst recht: Finger weg von Euroweb!
20.12.2013 – Michael Krampf
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