Viele Arbeitnehmende fühlen sich wegen der Pandemie verunsichert, selbst wenn sie keine Angst haben müssen, dass man ihnen kündigt. Viele hinterfragen auch den Sinn ihrer Arbeit. Ist es das, was ich will? Kann ich bieten, was gefordert wird? Hat mein Job Zukunft? Was wären Alternativen?
«Die Unzufriedenheit im Job kommt oft schleichend», sagt Michael Gschwind, Arbeitspsychologe und Laufbahnberater aus Basel. «Man kann sich nicht weiterentwickeln, sieht keine Chance, aufzusteigen, der Lohn ist schon länger nicht mehr gestiegen – all das kann dazu führen, dass man sich unzufrieden fühlt.» Wenn das zum Dauerthema wird, rät Gschwind, zu handeln. Man könne damit beginnen, sein Umfeld zu befragen, wie es die Jobzufriedenheit wahrnimmt. Jammert man wie üblich – oder steckt mehr dahinter?
Wer entlassen wird und sich neu orientieren muss, hat es schwerer. Wut und Enttäuschung machen sich breit, Arbeitslosigkeit droht . In dieser Situation hilft es, sich mit anderen auszutauschen, sagt Arbeitspsychologe Gschwind. Bewegung könne einem unterstützen, die negative Energie herauszulassen. Es ist nicht einfach, einen Hebel zu finden, um auf «Jetzt gehts weiter» umzustellen und nicht im Grübeln zu verharren.
Hilfreich ist es, die Gründe für die Entlassung zu kennen. Wer sie nicht erfährt, kann sich einen konstruieren. Zum Beispiel: «Ich habe halt mit der Leitung das Heu nicht auf der gleichen Bühne gehabt.» Das kann helfen, schneller abzuschliessen – und Folgen wie Schlafprobleme und Krankheit zu verringern.
Bei wirtschaftlich oder organisatorisch begründeten Entlassungen fällt es oft leichter, die Kündigung zu verstehen und zu akzeptieren. Viele kommen nach einer wirtschaftlich bedingten Entlassung gar nicht erst ins Grübeln; Optimistinnen sehen sie sogar als Chance. Andere quält trotzdem die «Warum ich?»-Frage. Auch hier hilft eine Konstruktion wie: «Sie haben den Jüngsten entlassen, das war halt ich.»
Ob der Druck zur Neuorientierung von innen kommt oder äussere Umstände die Ursache sind – klar ist, dass es sich lohnt, aktiv zu werden und eine Standortbestimmung zu machen. Das kann man in einer ersten Phase für sich selber machen. Stelleninserate sind nützlich, um sich zu orientieren – sie zeigen, was der Markt aktuell hergibt, und beschreiben, was verlangt wird . So kann man seinen eigenen Rucksack mit dem vergleichen, was gefragt ist und gefordert wird. Manchmal kann es bereits helfen, Freunde oder Familie zu fragen, in welchem Job sie einem spontan sehen, um in neue Richtungen zu denken.
Wer allein nicht weiterkommt, lässt sich vielleicht in einer professionellen Laufbahnberatung unterstützen. Oft kann ein Blick von aussen helfen, zu klären, ob man sich in seinem Beruf weiterentwickeln oder vielleicht etwas anderes machen will. Arbeitspsychologe Gschwind schlägt seinen Kundinnen durchaus mal einen Beruf ins Blaue vor. «Es ist erstaunlich, was das bewirken kann.»
Wer entscheidet, im Job zu bleiben, sich aber weiterentwickeln möchte, sollte das gut prüfen. «Wohin will man? Und was ist einem dabei wichtig?», sagt Michael Gschwind. Es kann sein, dass eine Person vom Arbeitgeber nicht gefördert wird, weil ihr vielleicht das Zeug dazu fehlt. Solche blinden Flecke müssen erkannt werden.
Wer sein Potenzial besser nutzen möchte, sucht am besten das Gespräch mit der Vorgesetzten. Dabei kann man durchaus erwähnen, wenn bislang Weiterentwicklungen ausgeblieben sind – und auch konkret Möglichkeiten vorschlagen.
Am besten setzt man sich eine Frist, wie lange man zuwarten möchte. Wenn sich bis dann nichts verändert hat, kann man sich selber weiterbilden oder eine neue Stelle suchen. Oft lohnt es sich, bereits parallel nach einem neuen Job Ausschau zu halten.
Wenn man bei der aktuellen Stelle keine Zukunft sieht oder einem gekündigt wurde, aktualisiert man möglichst rasch seine Unterlagen. Falls man ein spannendes Inserat entdeckt, soll man sich schnell bewerben können. Und dabei glänzen. Da Übung bekanntlich den Meister macht, kann eine Probebewerbung nicht schaden.
Auch hier kann eine Laufbahnberatung unterstützen: Von aussen wird ein kritischer Blick auf Lebenslauf, Strategie und Auftritt geworfen und Feedback gegeben. Dazu gehören auch Tipps zur Präsentation auf Social Media. Ein Bewerbungsgespräch kann professionell geübt werden. Wichtig ist dabei, auf Fragen zu Lücken im Lebenslauf und Kündigungen plausibel und knackig antworten zu können.
Auch die äussere Erscheinung und Details wie ein edler Kugelschreiber und Notizblock sind nicht zu unterschätzen. Der Onlineauftritt der Unternehmung kann einen Hinweis geben, welcher Dresscode erwünscht ist.
- Zwischenzeugnis: Wenn Sie schon lange in der gleichen Stelle sind oder intern in ein neues Gebiet wechseln, sollten Sie ein Zwischenzeugnis verlangen . Das dürfen Sie jederzeit und ohne besonderen Grund. Das Zeichen, das Sie damit setzen, ist natürlich deutlich. Nutzen Sie daher Situationen wie einen Chefwechsel oder eine Weiterbildung als Vorwand.
- Kündigungsfreiheit: Beide Parteien können den Arbeitsvertrag kündigen. Es braucht keinen besonderen Grund und auch keine Verwarnung. Sie haben aber das Recht auf eine schriftliche Begründung (siehe Musterbrief «Bitte um Kündigungsbegründung» bei Guider, exklusiv für Beobachter-Abonennten). Nur in wenigen Situationen kann eine Entlassung missbräuchlich sein , etwa bei einer Rachekündigung. Auch eine missbräuchliche Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis. Entlassene können dann eine Entschädigung von maximal sechs Monatslöhnen einklagen.
- Achtung Einstelltage: Eine Stelle einfach zu kündigen, ohne einen neuen Job zu haben, ist aus Sicht der Arbeitslosenversicherung ein schweres Selbstverschulden. Das wird mit bis zu 60 Einstelltagen bestraft – Tage, an denen es kein Arbeitslosengeld gibt. Bei einer Fünftagewoche bedeutet das in der Regel rund drei Monate lang kein Geld.
Was braucht es, damit Leute bei der Arbeit nicht unzufrieden werden? Laut der Zwei-Faktoren-Theorie von Frederick Herzberg machen gewisse Hygienefaktoren den Unterschied aus: sicherer Arbeitsplatz, angenehmes Arbeitsklima oder gute Sozialleistungen. Diese Faktoren werden oft als selbstverständlich wahrgenommen. Um im Job richtig zufrieden zu sein, braucht es noch mehr: zum Beispiel Wertschätzung, Verantwortung und Aufstiegschancen.
Das Neuste aus unserem Heft und hilfreiche Ratgeber-Artikel für den Alltag – die wichtigsten Beobachter-Inhalte aus Print und Digital.
Jeden Mittwoch und Sonntag in Ihrer Mailbox.