Extra Südtirol
Auf hohem Niveau
Wandern macht hungrig. Da kommen die aussergewöhnlichen Berghütten in Alta Badia gerade gelegen. Hier wird man nicht nur satt, sondern auch nach allen Regeln der Kunst verwöhnt.
Veröffentlicht am 23. Februar 2018 - 13:32 Uhr,
aktualisiert am 23. Februar 2018 - 12:35 Uhr
Nicht nur kulinarisch ist man dem Himmel in Alta Badia ein Stück näher.
Quelle: Stefan WalterWer erinnert sich noch an Alberto Tomba? Den italienischen Skirennfahrer, genannt Tomba la Bomba? In der Region Alta Badia in den Südtiroler Dolomiten bestimmt alle. Denn dort befindet sich die Gran Risa, eine der schwierigsten Strecken im Skiweltcup, auf der seit 1990 die Weltcup-Riesenslaloms der Männer ausgetragen werden. Sie war die Lieblingsstrecke von Alberto Tomba.
Während die Weltcuprennen der Region einen Aufschwung brachten, sorgten Superstar Tomba und seine illustren Freunde aus dem Skizirkus dafür, dass die Gegend im Gadertal zum Promitreff avancierte. George Clooney hat seine Ferien ebenso in Alta Badia verbracht wie Fürst Albert von Monaco.
Da versteht es sich fast von selbst, dass das kulinarische Niveau in der Gegend hoch ist. Auf einer Fläche von nur gerade 15 Quadratkilometern leuchten mittlerweile sechs Michelin-Sterne. Und es scheint – das ist mindestens so interessant –, als wäre dies ansteckend: Denn auch in den einfachen Hütten wird mit Anspruch gekocht.
Im Restaurant Heilig Kreuz etwa, das von Karin Irsara, 37, bereits in fünfter Generation geführt wird. «Wir kochen einfach», sagt die fröhliche Wirtin, bevor sie von ihrer Tochter unterbrochen wird. Diese darf an eine Geburtstagsparty und freut sich so darauf, dass sie in einem fort um ihre Mutter herumwirbelt. Der Grossvater, der noch jeden Tag in der Gaststube steht, wird sie hinunter ins Tal bringen. Immerhin befinden wir uns auf 2045 Metern über Meer, zwei Sessellifte halten die Verbindung ins Tal.
«Aber unsere Gäste lieben genau das», fährt Irsara lachend fort, nachdem sich der «Sturm» gelegt hat. «Sie kommen wegen der Bratkartoffeln mit Speck und Spiegeleiern und wegen des Kaiserschmarrens.» Das kann man gut verstehen, denn ihr Ehemann bereitet die traditionellen Gerichte mit grosser Sorgfalt zu, die Polenta etwa mit herrlich duftenden Pilzen und vier verschiedenen Käsesorten aus der Region.
Neben dem Restaurant steht die Wallfahrtskirche Heilig Kreuz, um deren Entstehung sich Legenden ranken. So erzählt man sich, Graf Volkhold von St. Lorenzen habe nach einer Pilgerfahrt ins Heilige Land seinen ganzen Besitz verschenkt, hier oben als Einsiedler gelebt und eine kleine Kapelle erbaut. Die heutige Kirche wurde 1484 errichtet, das Restaurant noch einmal 200 Jahre später – als Wohnung für den Mesner und als Unterkunft für die Pilger. Unter Kaiser Joseph II. wurde der Kirchendienst Ende des 18. Jahrhunderts eingestellt und die Kirche zeitweise gar als Schafstall genutzt. Es ist dem Bauern Irsara aus Abtei zu verdanken, dass sie 1839 wiedereröffnet wurde. Bis heute amtet Karin Irsaras Vater als Mesner.
Die sieben Prozessionen, die jedes Jahr vom Tal zur Wallfahrtskirche hinaufführen, bringen viele Einheimische aus dem Tal in Karin Irsaras Gaststube. Im Gang hängen Bilder von den Prozessionen – und der Prominenz, die ebenfalls gern hier vorbeischaut. Auf einem Bild ist Italiens ehemaliger Ministerpräsident Giulio Andreotti zu sehen. Als der heutige Ministerpräsident, Paolo Gentiloni, neulich hier oben gewesen sei, erzählt Irsara, habe er unbedingt auch ein Foto für die Gastgeber machen wollen. Noch sucht man es vergebens. «Ich bin noch nicht dazu gekommen, es aufzuhängen», entschuldigt sich die Wirtin.
Das ist typisch für sie. «Ich erkenne die Promis oft nicht mal», gibt sie lachend zu. In ihrer Gaststube seien eben alle gleich. Zudem genössen hier oben alle denselben Luxus: die Ruhe und die Berge. Die Lage der Wallfahrtskirche am Fuss des Heiligkreuzkofels, der direkt hinter der kleinen Gebäudegruppe steil in den Himmel ragt, ist spektakulär. «Am schönsten sieht die Szenerie im Abendrot aus, dann leuchtet der Fels in wunderbaren Rottönen.»
Ebenfalls von prächtigen Dolomitengipfeln umgeben ist der Berggasthof Pralongià. Auf 2157 Metern kann man nicht nur in einfachen Schlafsälen, sondern auch in modern eingerichteten Zimmern übernachten. Im Restaurant überprüft Dieter Niederkofler, 39, ob die Brotkörbe gefüllt und die Tische gedeckt sind. Bald werden die Gäste zum Mittagessen einkehren. Er hat den Betrieb vor einem Jahr von seiner Mutter übernommen und macht bei der Initiative «Aufstieg mit Genuss» mit, in deren Rahmen italienische Sterneköche Menüs für Berghütten kreieren.
Zwar weiss er noch nicht, welches Feinschmeckermenü er diese Saison auf seine Karte setzen darf – aber in einem Punkt ist er sich sicher: «Diese Initiative hat uns Berghüttenwirte angespornt. Die Zusammenarbeit mit den Sterneköchen ist inspirierend.» Die Hüttenwirte wollten mit ihren eigenen Gerichten in Sachen Geschmack und Präsentation mithalten, was zu einem gesunden Wettbewerb unter den Hütten geführt habe. «Alle ziehen mit.»
Niederkofler setzt in seiner Küche auf die für Südtirol so typische Kombination aus österreichischen und italienischen Spezialitäten. «Knödel und Gulasch, das sind unsere kulinarischen Wurzeln, die dürfen wir nicht aufgeben», sagt er. «Aber wir servieren zum Rehragout dann eben gern italienische Kartoffelgnocchi.» 
Auf der anderen Talseite, oberhalb der Ortschaft Badia, liegt der stattliche Maso-Runch-Hof. Enrico Nagler führt ihn als Ferienbauernhof. Tag für Tag kümmert er sich mit seiner Familie um den Hof, seit einigen Jahren auch um die Ferienwohnungen, und abends schmeissen sie den Gasthof, der weitherum für seine gute Küche und seine stilvoll renovierte und eingerichtete, uralte Gaststube bekannt ist.
Darin wird nur ein einziges Menü serviert – seit 25 Jahren dasselbe. Wie es dazu kam? Das Fremdenverkehrsamt habe ein neues touristisches Angebot lancieren wollen und Bauern gesucht, die «etwas mit den Feriengästen auf ihrem Bauernhof machen und ihnen ein Plättli Speck und Käse anbieten». Niemand habe sich gemeldet, erzählt Nagler lächelnd, und es wirkt nicht so, als wäre er traurig darüber, «also habe ich es eben gemacht».
Aus der rustikalen Idee ist längst ein Edel-Agriturismo geworden. In dem – wie könnte es anders sein – auch schon so einige Prominenz und bestimmt der halbe Skizirkus eingekehrt ist.
«Wir kochen nur Sachen, die wir richtig gut können», sagt der Bauer. Es ist ihm ein Anliegen, die Küche seiner Heimat zu bewahren. Das Gadertal ist eines von fünf Tälern, in denen die ladinische Kultur und Sprache bis heute überlebt hat. Ladinisch sprechen nur noch 32500 Menschen. Nagler will die schlichte ladinische Küche genauso auf den Teller bringen wie früher. So wird der Schweinshaxenbraten, wie anno dazumal, stundenlang im Holzofen geschmort. «So schmeckt er einfach viel besser», sagt der Wirt.
Das Maso-Runch-Menü besteht aus sechs Gängen: Serviert werden eine Gerstensuppe, Ravioli mit Spinat- und Ricottafüllung, frittierte Teigtaschen mit Mohn und Marmeladenfüllung und zum Hauptgang beispielsweise Schweinshaxe mit Polenta. Das üppige Menü wird mit dem obligaten Apfelstrudel oder mit Apfelkücherl mit Eis gekrönt und mit einem selbstgebrannten, vom Chef offerierten Grappa abgeschlossen.
Wie schaffen ihre Gäste bloss ein solches Menü, Herr Nagler? «Selbstverständlich darf man auch nur einzelne Gänge bestellen», beschwichtigt Enrico Nagler, «und wer mehrere Tage bei uns logiert, kann aus drei verschiedenen Hauptgerichten auslesen.»
In der Küche stehen übrigens Naglers Frau Maria und ihr ältester Sohn, der morgens früh auch noch die rund 30 Rinder und drei Pferde füttert. Im Sommer sind Doppelschichten hier mehr die Regel als die Ausnahme.
Aber was macht nun mehr Spass, das Restaurant oder der Bauernhof? «Den Kühen brauchst du nur zu fressen zu geben, das ist einfach», sagt Nagler schelmisch. «Unsere Gäste sind zwar um einiges anspruchsvoller, aber dafür kannst du sie auch so richtig glücklich machen.
Ausgangspunkt für diese einfache Familienwanderung am Fuss der gewaltigen Wände des Heiligkreuzkofels ist Badia. Von dort geht es mit zwei Sesselliften nach Heilig Kreuz/La Crusc (2045 m), wo man sich nach der Besichtigung der Wallfahrtskirche im Restaurant Heilig Kreuz stärken kann. Die Wanderung zur Schneegrotte beginnt hinter der Kirche. Bei der Ebene Plan Sotsas weicht man, der Beschilderung folgend, vom Weg ab und erreicht die Grotte. Auf dem Abstieg nach Badia durchquert man die berühmten Blumen-Almwiesen von Armentara.
Zeit: 3 Stunden
Aufstieg: 180 m; Abstieg: 890 m
Infos: www.altabadia.org
Diese Tageswanderung führt vom Valparola-Pass zur Pralongià-Hütte und zu den Blumenwiesen am Piz Sorega. Von St. Kassian bringt Sie
ein Linienbus auf den Valparola-Pass, wo der Wanderweg Nr. 24 startet.
An den Hängen des Settsass geht der Pfad durch eine hochalpine Landschaft. Nach einem Abstecher auf die Settsass-Spitze führt der Abstieg auf Weg Nr. 23 zur Pralongià-Hütte. Nach einer wohlverdienten Rast geht es
zum Piz Sorega, von dort führt die Gondelbahn hinunter nach St. Kassian.
Zeit: 4¾ Stunden
Aufstieg: 760 m; Abstieg: 950 m
Infos: www.altabadia.org
Die leichte Halbtageswanderung bietet herrliche Ausblicke auf die umliegende Dolomitenlandschaft. Der Ort Pedraces (Bushaltestelle Badia) liegt an der Grenze zu den Naturparks Fanes-Sennes-Prags und Puez-Geisler. Von dort führt der Weg durch die Weiler Ciaminades und Paracia zum Lech
da Sompunt (1460 m), wie der See
auf Ladinisch heisst. Weiter geht es Richtung Norden bis zum zweiten See, dem Lech dlá Lunch (Lalung-See,
1537 m). Auf dem Rückweg kommt man am Restaurant Maso Runch vorbei (Reservation empfohlen).
Zeit: 3 Stunden
Höhendifferenz: 356 Meter
Infos: www.bergwelten.com/t/w/18201
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