Am Lauenensee picknicken, auf dem Weg von Seelisberg nach Flüelen die Aussicht geniessen, in der hektischen Zürcher Altstadt kurz innehalten – all das wäre nur halb so schön ohne Sitzbänke. Sie sind ein Ort der Ruhe, aber auch Rastplatz auf der Wanderung, Treffpunkt fürs Mittagessen, Liegeplatz an der Sonne, beliebtes Fotosujet und Etappenziel für ältere oder gehbehinderte Menschen. Während der Corona-Zeit sind sie ein Zufluchtsort geworden, ein Platz im Freien, wo man sich ohne Bedenken hinsetzen kann.

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Etwa 200'000 öffentliche Bänkli gibt es hierzulande, sagt Renate Albrecher. Sie ist Soziologin und Gründerin des Vereins Bankkultur, der Projekte rund um Sitzbänke realisiert. «Das ist nur eine Schätzung.» Zahlen gebe es keine. Ein Grund dafür sei, dass neben Gemeinden auch Verschönerungsvereine Bänke errichten. Einzelne werden zudem auch von Privatpersonen oder lokalen Musik-, Sport- und Elternvereinen gesponsert.

Eine spezielle Bankkarte

Die Schweiz ist ein Land der Sitzbänke. Ein Rätsel ist oft nur, wo sie stehen. An manchen Orten sucht man stundenlang vergebens, an anderen steht alle hundert Meter eine. Um die Suche zu vereinfachen, hat Albrecher 2016 den Verein Bankkultur gegründet und die erste Bänkli-Landkarte der Schweiz lanciert. Auf Bankgeheimnisse.ch kann man Bänke suchen und sie auf der Plattform auch selber erfassen. Heute sind bereits 20'000 Bänke auf der Karte zu finden. 

Die Website sei mehr als nur ein Bänkli-Führer, so Albrecher. «Bänke hinterlassen in sehr vielen Leben Spuren. Wir wollen ihnen ein Gesicht geben und ihre Geschichten erzählen.» So dürfen Bänkli-Fans gern auch Fotos von ihren Fundstücken hochladen, die Aussicht und die Umgebung beschreiben, Informationen zur Entstehung der Bank oder eine persönliche Geschichte hinzufügen. Dank der Zusammenarbeit mit der Stiftung Cerebral kann man auch angeben, ob die Sitzgelegenheiten rollstuhlgängig sind.

Auf die Idee, eine Landkarte einzurichten, sei sie spontan gekommen, erzählt die Österreicherin. «Als ich in die Schweiz zog, fiel mir auf, dass an allen Aussichtspunkten ein Bänkli steht. Da dachte ich: Wenn ich wüsste, wo die Bänke sind, dann wüsste ich, wo die schönsten Orte in der Natur sind.»

Engländer als Pioniere

Dass Bänke immer an den besten Plätzen stehen, ist kein Zufall. Das liegt an ihrer Geschichte. Anfang des 19. Jahrhunderts entdeckten Engländer die Alpen als Reiseziel. Inspiriert von Malern und Reiseberichten, interessierten sie sich vor allem für wilde Natur. Für diese ersten Touristen errichteten die Einheimischen Fusswege und Bänke, um ihnen die schönsten Stellen zu zeigen. Ein beliebter Ort waren die Giessbachfälle oberhalb des Brienzersees. Hier wurde 1818 die erste Bank aufgestellt.

Erst später entstanden Bänke für die breite Bevölkerung. Beliebte Standorte waren zunächst Wegkreuzungen. Hier begegneten Menschen einander, hier offerierte man ihnen einen Platz zum Sitzen. Auch heute noch treffe man immer wieder auf solche Bänke, erzählt Albrecher. «Sie stehen meist an Orten, wo heute niemand mehr eine Bank hinstellen würde.» Zum Beispiel an stark befahrenen Strassen, an Kreuzungen oder auf Parkplätzen. Meist sind solche Bänke, oder zumindest ihre Lage, mehr als 50 Jahre alt.

Ihren sozialen Wert haben die Bänke aber behalten. «Sie laden uns ein, uns im öffentlichen Raum aufzuhalten und mit Leuten in Kontakt zu kommen.» Allein in ein Café zu gehen, ist nicht jedermanns Sache. Auf eine Bank traut man sich hingegen eher. «So kann man sehr niederschwellig an der Gesellschaft teilnehmen.» Das gelte auch für ältere oder kranke Menschen, die auf Sitzmöglichkeiten angewiesen sind. «Bänke sind die Tankstellen der Fussgänger. Denn zu einer Bank gehen wir letzten Endes immer zu Fuss.» So könne sie neben der sozialen auch zur physischen Gesundheit beitragen.

Wie Bänke das Zu-Fuss-Gehen unterstützen oder sogar fördern, erforscht die Soziologin aktuell an der École polytechnique fédérale de Lausanne. «Wir wollen herausfinden, wer was braucht. So können wir die Gemeinden dabei unterstützen, ein öffentliches Sitzkonzept zu errichten, das für alle stimmt», sagt Renate Albrecher.

Drei Bänkligeschichten

Haben auch Sie ein Lieblingsbänkli und eine Geschichte dazu? Schreiben Sie sie uns in die Kommentare.
 

Auf dem Höhenweg vom Klingenstock zum Fronalpstock

Das Bänkli auf dem Höhenweg vom Klingenstock zum Fronalpstock
Quelle: Hans-Peter Bruder

«Ich habe bisher rund 2000 Bänke fotografiert. Sie sind für mich das perfekte Sujet in einer schönen Landschaft. Sie stehen ja auch oft an den besten Plätzen auf einer Wanderung. Für mich kann aber auch eine Bahnhofbank oder eine mitten in Zürich ihren Reiz haben. Mir gefällt auch die Vielfalt der Bänke selbst: Einige sind aus Holz, andere aus Metall oder Stein, einige sind farbig, andere naturbelassen, manche haben eine Inschrift und einige eine ausgefallene Form.

Meine Lieblingsbank befindet sich auf dem Höhenweg vom Klingenstock zum Fronalpstock. Von da aus habe ich eine tolle Aussicht auf das Urner Reussdelta, und ich sehe, wo ich damals zur Schule gegangen bin. Das hat natürlich einen grossen emotionalen Wert.»

Hans-Peter Bruder, Bänkli-Botschafter und Fotograf des Vereins Bankkultur

 

Am Plage du Pélican – direkt am Genfersee

Bänkli am Plage du Pélican am Genfersee

 

 

Quelle: Renate Albrecher

«Ein Lieblingsbänkli habe ich nicht. Mir gefällt jedes Bänkli. Allein der Gedanke, dass sich jemand die Mühe gemacht hat, eine Bank aufzustellen, freut mich. Eine Bank ist eine Einladung, die mir sagt: Hier bist du willkommen, hier darfst du sein, ohne dass eine Gegenleistung erwartet wird.

In meiner Umgebung habe ich einige Bänke, auf denen ich sehr häufig sitze. Eine davon ist am Plage du Pélican, direkt am Genfersee. Wenn immer ich Zeit habe, komme ich abends her und geniesse den Sonnenuntergang.»

Renate Albrecher, Soziologin, wissenschaftliche Assistentin an der EPFL und Gründerin des Vereins Bankkultur

 

Am Froschteich bei Birmensdorf ZH

Bänkli am Froschteich bei Birmensdorf ZH
Quelle: Monika Schwentner

«Mit einem angeborenen Herzfehler bin ich auf Sitzbänke angewiesen. Sobald mein Assistenzhund sein Signal gibt, muss ich mich sofort setzen oder hinlegen. Wenn ich weiss, wo die nächste Bank steht, ist das eine grosse Erleichterung. Andernfalls müsste ich mich auf den Boden setzen.

So bin ich auf den Verein Bankkultur und seine Karte gestossen. Es ist schön, zu sehen, wie sehr die Schweizer Bänkli-Landschaft die Leute begeistert und wie viel Freude sie ihnen schenkt. Mich eingeschlossen.

Wo immer ich bin, fotografiere ich Bänke und teile sie mit der Community – am häufigsten mein Lieblingsbänkli am Froschteich bei Birmensdorf. Das Schönste ist, wenn jemand reagiert, der bereits auf derselben Bank wie ich gesessen hat. Das schafft eine Verbindung.»

Monika Schwentner, Bänkli-Botschafterin und Leiterin der Facebook-Gruppe des Vereins Bankkultur

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