Kraftort mit Charme
Mit feinen Polentaschnitten und viel guter Energie erwecken zwei junge Hüttenwarte die Capanna Salei zu neuem Leben. Und die Region hat Wanderfreunden Zauberhaftes zu bieten.
aktualisiert am 25. August 2017 - 15:43 Uhr
«Er ist da!» ruft Gianluca, 27, und strahlt über das ganze Gesicht. Er, das ist nicht etwa ein guter, alter Freund, sondern eine unförmige Kartonschachtel, die soeben per Motorschubkarre von der Bergstation der Seilbahn Salei zur Capanna Salei gebracht worden ist.
Wie sich herausstellt, steckt darin ein nigelnagelneuer Gasherd mit fünf statt vier Kochstellen. Er wird einen Hauch von Luxus in das Leben der beiden Hüttenwarte zaubern. Denn bislang briet Gianluca bis zu 60 Polentaschnitten pro Tag auf dem uralten Herd, der in der winzigen Hüttenküche steht.
Doch der Reihe nach. Die Capanna Salei liegt mitten im Onsernonetal und ist ein Glückstreffer für Wanderer. Bereits die Fahrt durch das wilde Onsernonetal mit seinen urtümlichen, an den Hang geklebten Dörfern ist ein Erlebnis. Von Zott aus geht es dann mit einer ruckelnden Seilbahn auf die Alpe Salei auf 1777 Meter hinauf.
Schon nach wenigen Schritten erreicht man die Capanna Salei, eine Alphütte aus Naturstein, in der früher Käse hergestellt wurde. Seit 1993 wird sie wieder bewartet. 18 Gäste können in drei kleinen Dachstockzimmern übernachten, das Angebot ist einfach – aber umso sympathischer. Denn seit zwei Jahren hauchen Ilenia und Gianluca dem Ort neues Leben und viel Seele ein.
Gianluca war früher Marketingmanager, Ilenia hat als Coiffeuse gearbeitet, beide haben sie in der Nähe von Mailand gelebt. Bis sie ihr «Leben geändert» haben, wie Gianluca in Englisch erzählt. Er lacht laut, als würde es ihn heute noch belustigen, wie einfach so etwas geht.
Ilenia verbrachte als Tochter eines Venezianers und einer Innerschweizerin alle ihre Ferien in der Schweiz und hatte sich immer gewünscht, später einmal in diesem Land zu leben, inmitten dieser «wunderbaren Natur».
Als sie im Internet auf die Anzeige stiess, mit der das Patriziato di Comologno neue Hüttenwarte für die Capanna Salei suchte, fragte sie Gianluca, ob er mitmachen würde. «Sicher!», habe dieser geantwortet, und da hätten sie es einfach probiert und sich, wie zwanzig andere Paare auch, beworben. Offenbar konnten die Neulinge überzeugen, sie bekamen die Stelle auf Anhieb.
«Als ich zum ersten Mal hier war, wusste ich sofort: Das ist es!», sagt Ilenia. In anderen Alphütten habe sie oft so etwas wie eine «alte Energie» gespürt, erzählt sie. «Hier nicht. Hier fühlt sich alles frisch an. Ob es mit dem Wind zu tun hat? Ich weiss es nicht.»
Nach einem halbstündigen Fussmarsch erreicht man von der Capanna Salei aus das Bergseeli Salei, von wo aus man bis zum Lago Maggiore hinuntersehen kann. Man glaubt gerne, dass der traumhaft schöne Moorsee an diesem besonderen Ort ein Kraftort ist, wie es Claudio Andretta in seinem Buch «Orte der Kraft im Tessin» schreibt. Der kleine See liegt wie ein Auge mitten in einer mandelförmigen Anordnung mächtiger Berge. Früher sollen hier Jugendliche mit einem besonderen Ritual auf ihr Leben als Erwachsene vorbereitet worden sein.
Das passt gar nicht mal so schlecht zum jungen Hüttenwartpaar, das sich während eines Seminars in einem zen-buddhistischen Kloster in der Nähe von Parma kennengelernt hat. Für die tägliche Praxis fehlt Gianluca auf der Alp zwar die Zeit, aber die anstrengenden Arbeiten seien auch eine Art Meditation, meint er. Zudem lädt der Yoga- und Qigong-Lehrer gelegentlich Gleichgesinnte zum Retreat auf seine Alp ein. Einmal im Jahr macht er dies gemeinsam mit seinem Lehrer, einem Zen-Mönch. Dann meditieren sie um sechs Uhr in der Früh beim Brunnen und frühstücken anschliessend gemeinsam in der Stille.
Yoga und Qigong übe sie am liebsten oben, auf dem nahe gelegenen Pizzo Zucchero, sagt Ilenia. «Dort spüre ich die besondere Energie noch stärker als beim See.» Und die Aussicht ins Tal sei schlicht sensationell.
Letztendlich brauche sie aber keinen Kraftort, um zu wissen, dass sie ihren Ort gefunden habe. Es sei ganz einfach: Sie habe an vielen Orten gelebt – und sei überall traurig gewesen. «Bis ich hierherzog. Hier bin ich glücklich.»
- Höhe: 1777 Meter über Meer
- Unterkunft: 3 Zimmer, 18 Betten.
- Preis: ab 25 Fr./Person. Schlafsack kann gemietet werden.
- Saison: Mai bis Oktober
Wanderung:
- Tag: Alpe Salei–Lago di Salei–Alpe Pesced–Alpe Salei (knapp 2 Stunden).
- Tag: Alpe Salei–Lago di Salei–Passo del Bùsan–Pièi Bachei–Capanna Alpe Arena–Valascia–Zott (5½ Stunden). Einkehr- und Übernachtungsmöglichkeit auch in der Capanna Alpe Arena (in ca. 1 Stunde 40 Minuten erreichbar).
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- Weitere Informationen: www.ticino.ch, Suchwort: «Berghuette Salei»