Big Brother überwacht die Edelboutique
Angestellte dürfen nicht permanent gefilmt werden. Die Zürcher Boutiquen-Kette Tierra tut es trotzdem.
Veröffentlicht am 8. November 2016 - 14:49 Uhr
Die Kleiderläden Tierra Fashion führen edle Damenmode. Weniger edel ist ihr Umgang mit Angestellten. Die Verkäuferinnen werden konstant per Video überwacht. Die Kameras erfassen das ganze Ladenlokal und zeichnen sogar Ton auf. «Es macht mich richtig krank, zu wissen, dass ich die ganze Zeit beobachtet und abgehört werde», klagt eine Angestellte. Konstante Videoüberwachung könne die Gesundheit der Mitarbeitenden tangieren, schreibt dazu der eidgenössische Datenschutzbeauftragte.
Vor allem aber ist eine permanente Videoüberwachung gesetzwidrig. Dass dies gegen Persönlichkeitsrechte verstösst, müsste Boutiquenbesitzer Andrin Waldburger wissen. Der selbständige Unternehmensberater war früher als Geschäftsleitungsmitglied bei PricewaterhouseCoopers und dort unter anderem für den Geschäftsbereich Human Resources zuständig.
Waldburger sieht sich im Recht: «Tierra AG kommt den arbeitsgesetzlichen Verpflichtungen vollumfänglich nach», schreibt er. Die Kameras dienten nicht der Überwachung des Personals, sondern seien aus versicherungstechnischen Gründen installiert worden. Ausserdem gebe es unbewachte Räume wie Umkleidekabinen, Toiletten und das Lager, in die sich die Angestellten zurückziehen könnten.
Die ladeninterne «Hausordnung» untersagt den Angestellten jedoch, dass sie Umkleidekabinen als Ruheräume nutzen. Immerhin will Waldburger nach der Intervention des Beobachters die Kameras durch Modelle ohne Mikrofon austauschen.
Die Tierra-Verkäuferinnen müssen gemäss Hausordnung auch jederzeit mit Mystery-Shoppern rechnen, also Testkunden. Das Datenschutzgesetz verbietet aber unangekündigte Testkäufe, da sie die Persönlichkeitsrechte der Angestellten verletzen. Tierra-Besitzer Waldburger sagt, er setze keine Testkäufer ein. Allenfalls täten das Dritte, zum Beispiel Lieferanten.
Der Gewerkschaft Unia sind Videoüberwachung und Mystery-Shopping schon lange ein Dorn im Auge. «Wir haben oft Anfragen dazu», sagt die Zuständige Natalie Imboden. «Der Detailhandel ist hier immer noch der reinste Wilde Westen.»
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