Am 21. Februar 2011 hat die Schweiz als erstes Land überhaupt Gelder und wirtschaftliche Ressourcen von Muammar al-Gaddafi und seiner Entourage per Notrecht gesperrt. Deshalb kann der libysche Machthaber zurzeit nicht mehr auf seine Vermögenswerte in der Schweiz zugreifen. Im März hat die Schweiz die Liste um weitere Namen und fünf Staatsbetriebe Libyens ergänzt, wie zum Beispiel die Zentralbank Libyens oder den Staatstrust Libyan Investment Authority. Gleichzeitig hat sich gezeigt, dass sich Gaddafi länger als erwartet als libyscher Herrscher halten kann.

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Was heisst das nun für die gesperrten Gelder? Muss die Schweiz sie freigeben, falls Gaddafi an der Macht bleibt? Kann er von der Schweiz womöglich Schadenersatz verlangen? Sieben Fragen und Antworten zu den Gaddafi-Geldern:

Der Bund hat alles unternommen, um das zu verhindern. Tamoil ist zwar nicht auf Berns Sanktionenliste aufgeführt, aber gemäss Departement des Äusseren (EDA) ist es ausgeschlossen, dass das Geld an den Diktator gehe, weil Tamoil Schweiz keine Zahlungen an Gaddafi, seine Entourage oder die fünf in der Liste aufgeführten Staatsbetriebe leisten dürfe.

Tamoil Schweiz gehört dem in Holland angesiedelten Unternehmen Oilinvest, das von Libyen kontrolliert wird. Daher zweifelt der Basler Strafrechtsprofessor Mark Pieth, Präsident der OECD-Expertengruppe gegen Unternehmenskorruption, ob nicht doch Geld von Tamoil Schweiz nach Libyen gelangt. Nach der Verhaftung des Gaddafi-Sohns Hannibal im Juli 2008 in Genf habe Libyen nämlich eine zweitägige Blockade über die Schweiz verhängt. In dieser Zeit sei kein libysches Öl an Tamoil Schweiz geflossen. «Das zeigt klar, welche Kontrolle der Gaddafi-Clan über das Unternehmen hat», meint Pieth. Beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), das die Sanktionen verhängt und überwacht, kontert man die Kritik: «Tamoil Schweiz hat sich gegenüber dem Seco schriftlich verpflichtet, keine Gelder oder sonstigen Leistungen an Personen, die auf der Sanktionenliste aufgeführt sind, zu zahlen oder anderweitig zukommen zu lassen», sagt Roland E. Vock, Leiter des Ressorts Sanktionen beim Seco. Oilinvest Holland habe identische Zusicherungen abgegeben und ist seit dem 30. März ebenfalls auf der Sanktionenliste aufgeführt.

Darüber gibt der Bund keine Auskunft. Immerhin ist klar, dass es sich nicht nur um Geld, sondern auch um andere wirtschaftliche Ressourcen wie Immobilien oder Firmen handeln kann. Auch zu allfällig gesperrten Geldern des ägyptischen Ex-Präsidenten Hosni Mubarak und seines Umfelds will der Bund keine Angaben machen. Mitgeteilt wurde bisher nur, dass 80 Millionen Franken des tunesischen Ex-Präsidenten Zine el-Abidine Ben Ali und seiner Entourage blockiert wurden.

Laut Statistik der Nationalbank lagen im Jahr 2009 Gelder von Libyern in der Höhe von 818 Millionen Franken auf Schweizer Konten, von Ägyptern waren es 3,6 Milliarden und von Tunesiern 621 Millionen Franken.

Nein. Dieses Geld wurde auf ein Konto in Deutschland eingezahlt, da unser Nachbarland als Vermittler für die Freilassung der Schweizer Geisel Max Göldi fungierte. Von diesem Konto wurden die 1,5 Millionen Franken Mitte letzten Jahres auf ein libysches Konto überwiesen. Die Summe ist somit nicht mehr im Einflussbereich der Schweiz. «Gemäss unseren Informationen liegt dieses Geld immer noch auf diesem Konto», betont aber der Mediensprecher des EDA.

Der Bundesrat hat die Sperrung der libyschen Gelder per 30. März nicht mehr auf Notrecht, sondern auf das Embargogesetz gestützt. Das kann er, weil im Fall von Libyen – im Unterschied zu Ägypten oder Tunesien – eine Uno-Resolution die Sanktionen vorsieht. Damit kann nur noch die Uno über die Freigabe der Gelder entscheiden. Damit unterscheidet sich die Situation der libyschen Gelder grundlegend von jener der tunesischen oder ägyptischen Gelder. Zur Freigabe dieser Gelder braucht es ein Strafverfahren gegen Ben Ali, respektive Mubarak oder Mitglieder ihrer jeweiligen Entourage. Erst gestützt auf ein solches Verfahren kann ein Rechtshilfegesuch an die Schweiz gestellt werden, um die Freigabe der gesperrten Gelder zu verlangen. Das ist im Fall von Tunesien und Ägypten bereits geschehen. Entsprechende Rechtshilfegesuche werden derzeit vom Bundesamt für Justiz geprüft.

Sobald die Schweiz, gestützt auf die Uno-Resolution, Gaddafis Gelder gesperrt hat, ist es Aufgabe der Uno, zu entscheiden, was damit passiert. Auch wenn sich Gaddafi an der Macht halten kann, bleiben die Gelder weiterhin blockiert, da die entsprechende Uno-Resolution 1973 verlangt, dass die gesperrten Vermögenswerte «für das Wohl des libyschen Volkes» verwendet werden. Gaddafi würde erst dann wieder Zugriff auf die Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen erhalten, wenn die Uno-Resolution geändert würde. Im Fall von Saddam Hussein hat die Uno auf die gleiche Art Gelder gesperrt und diese später in einen Fonds zum Wiederaufbau des Irak überführt.

Auf den gesperrten Konten werden die normalen Zinsen verbucht, die bei der jeweiligen Bank gelten. Ebenso werden Mieten für Immobilien eingezogen. Grundsätzlich könnte Gaddafi von der Schweiz auch Schadenersatz verlangen, wenn er der Meinung ist, dass die Konten widerrechtlich gesperrt wurden. Doch da auch Uno-Sanktionen die Sperrung verlangen, wird es sehr schwierig, deren Widerrechtlichkeit zu belegen. Das EDA dazu diplomatisch: «Allfällige Forderungen nach Entschädigungen werden in jedem Fall genau geprüft.»

Wohl kaum. Vieles deutet darauf hin, dass Muammar al-Gaddafi über grosse Geldquellen in Libyen selbst verfügt. Gemäss «New York Times» soll er über Milliarden Dollar an Bargeld und gemäss der Wirtschaftszeitung «Financial Times» über 6,5 Milliarden Dollar in Form von Gold verfügen. Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds sind in der libyschen Zentralbank nämlich 143,8 Tonnen Gold gelagert. Gaddafi habe direkten Zugriff auf die Zentralbank, schreibt die «Financial Times». So könne er problemlos über Monate einen Krieg gegen die Rebellen im eigenen Land und gegen den Westen finanzieren.