Zeit zum Abrüsten
Trotz verschärftem Gesetz strotzt die Schweiz vor Schusswaffen: Mehr als drei Millionen sollen es sein. Die Zahl der Familiendramen und Suizide ist ungebrochen hoch. Höchste Zeit, Pistolen und Gewehre abzugeben, denn: weniger Waffen, weniger Tote.
Veröffentlicht am 11. Mai 2009 - 09:14 Uhr
Hier kommen sie alle zusammen. Scharenweise strömen sie Anfang April an die Waffenbörse Luzern: Händler, Jäger und Sammler, Sport- und Hobbyschützen, Waffennarren. Hier können sie drei Tage unbefangen ihrer Leidenschaft frönen. In Stuttgart wurde die zeitgleiche Internationale Waffenbörse abgesagt – wegen des Amoklaufs in Winnenden vom 11. März. «Hätte das schreckliche Ereignis in der Schweiz stattgefunden, hätten wir reagiert», sagt der Luzerner Messeveranstalter Marco Biland.
Aber so trübt nichts die Freude. Mehr als 10'000 Waffenfreunde begeistern sich an den Schiesseisen. Alles ist zu kaufen an den 100 Ständen: museale Langgewehre, legendäre Winchester-Repetiergewehre, rustikale Jagdflinten, modernes Sport- und Kriegsgerät, klobige Colts, fremdländische Pistolen, sogar die handliche Walther PPK von James Bond. Eine Stunde in der Halle, und man hat begriffen: Die Schweizer lieben Waffen.
Tatsächlich ist das Land bis an die Zähne gerüstet. Die jährlich vom Institut de Hautes Etudes Internationales et du Développement in Genf publizierte Erhebung «Small Arms Survey» weist 2007 für die Schweiz, über alles geschätzt, 2,3 bis 4,5 Millionen Feuerwaffen aus. Dies ergibt 46 Schusswaffen pro 100 Personen. Damit steht die Schweiz auf Platz drei der Weltrangliste, nach den USA und Jemen und weit vor Krisengebieten wie Irak, Palästina oder Sierra Leone.
Bei den Armeewaffen führt das Verteidigungsdepartement genau Buch: Anfang Jahr lagerten 237182 Sturmgewehre und Pistolen bei aktiven Armeeangehörigen und weitere 16'800 Sturmgewehre zur Ausleihe an Jungschützen. Nach der Dienstzeit können Wehrmänner ihre Waffe behalten; das tun etwa 40 Prozent. Allein zwischen 2001 und heute gingen über dieses Veteranenprivileg 381'264 Gewehre und Pistolen in Privatbesitz über. Für die Zeit vorher kann das VBS nur grob schätzen: «über 500'000». Insgesamt liegen in Schubladen und Schränken weit über eine Million Waffen militärischer Herkunft – also etwa die Hälfte aller Feuerwaffen.
Hinzu kommen im Handel gekaufte Waffen: Repetier-, Jagd- und Matchgewehre, Halbautomaten, ausländische Ordonnanzgewehre, Revolver, Pistolen – grob gerechnet 580'000 Stück. Vollends vage wird es bei der Frage, wie viele legale Waffen sonst noch zirkulieren. Bis vor kurzem war beim Verkauf unter Privaten kein Waffenerwerbsschein nötig. Jeder konnte sich problemlos eine Waffe besorgen, über einschlägige Magazine, im Internet, bei Freunden. Keine Behörde weiss, wer eine besitzt. Von den illegal erworbenen Waffen ganz zu schweigen.
Die breite Streuung von Schusswaffen im Volk ist gewollt. Seit der Alten Eidgenossenschaft gilt die Selbstbewaffnung als Fundament der Verteidigung und als Zeichen des souveränen Bürgers. Auch im Bundesstaat von 1848 war es normal, dass der Wehrmann seine Waffe zu Hause hatte. Und lange gab es auch keinerlei Absicht, privaten Waffenbesitz zu reglementieren. Immer erstarb die Diskussion vor dem Argument, man könne nicht dem Bürgersoldaten aus Vertrauen die Ordonnanzwaffe mitgeben und ihm zugleich aus Misstrauen die Privatwaffe entziehen.
Während des Zweiten Weltkriegs wurde eine grosse Streuung ohnehin als nützlich erachtet – damit der Soldat sofort einsatzbereit und die Partisanenarmee im Fall der Besetzung schon ausgerüstet wäre. Auch nachher blieb die Gesetzgebung liberal – noch in den achtziger Jahren waren halbautomatische Pistolen in den meisten Kantonen frei käuflich. Erst 1997 kam es zur Vereinheitlichung in einem Bundesgesetz. Aber auch dieses blieb dem Geist verpflichtet, den Zugang nur zu kontrollieren, nicht jedoch zu erschweren.
Verbreitung und Gefahren von Feuerwaffen
Seit Mitte Dezember gilt nun das revidierte Waffenrecht, das wegen des Beitritts zum Schengen-Raum nötig wurde. Neu braucht auch der Kauf unter Privaten einen Erwerbsschein, die Meldepflicht wurde erweitert, besonders gefährliche Waffen sind verboten. Aber das Ziel ist auch jetzt primär Kontrolle, nicht Reduktion des Arsenals.
An der Sammlerbörse in Luzern haben Händler keine Freude an den neuen Regeln. «Es ist nicht mehr lustig», sagt Buchhalter Roger Simonet von der W. Glaser Waffen AG in Zürich, seit gut 30 Jahren im Geschäft. «Man muss bald für jede Waffe eine Sekretärin anstellen.» Das Waffenrecht vermiese seriösen Händlern das Geschäft und nütze nichts gegen Missbräuche. «Oder glauben Sie, alle Ganoven melden sich nun?»
An den Messeständen läuft der Verkauf jedoch routiniert ab. Viele Kunden kämen bereits mit dem Schein, sagt Büchsenmacher Kurt Renggli von der Winterthurer Natur Aktiv AG. Falls nicht, wird das Geschäft dennoch gemacht. Der Kunde zahlt gegen Quittung, und sobald er den Erwerbsschein nachreicht, erhält er die Waffe per Post, erklärt der Zürcher Waffenhändler Robert Bürchler. «Und die Luzerner können sich den Schein gleich hier im temporären Büro der Kantonspolizei besorgen.» Es seien mehr Scheine ausgestellt worden als in den Vorjahren, weiss Messeveranstalter Biland. «Sonst haben wir keine Auswirkungen festgestellt.»
«Es gibt Leute, die haben ganze Zeughäuser zu Hause», sagt der Kriminologe Martin Killias, der seit Jahren die Verbreitung von Waffen und den Missbrauch erforscht. Aber das sei nicht das eigentliche Problem. Auch nicht, ob es nun zwei oder drei Millionen Waffen seien. «Um zu töten, braucht man schliesslich nur eine.» Die Gefährdung hänge vielmehr davon ab, wie viele Leute Zugang zu einer Waffe hätten. Im Jahr 2000 war dies in knapp 36 Prozent der Haushalte der Fall, jetzt noch in gut 27 Prozent (840'000 Haushalte) – europaweit der Spitzenwert.
Dies spiegelt sich in den Kriminal- und Todesfallstatistiken. Im Schnitt werden pro Jahr 213 Menschen Opfer von versuchten und vollendeten Tötungsdelikten. 36 Prozent geschehen mit Messern und 34 Prozent mit Feuerwaffen. «Die Schusswaffe ist zwar nicht das häufigste, aber das effektivste Tatmittel», hält das Bundesamt für Statistik (BFS) fest: Während Opfer von Messerattacken meist überleben, enden 45 Prozent der Schussverletzungen tödlich. Zählt man nur vollendete Morde, ist die Schusswaffe mit 43 Prozent das häufigste Tatmittel.
Schulamokläufe wie in den deutschen Städten Winnenden (März 2009), Emsdetten (2006), Coburg (2003) und Erfurt (2002) oder wie an der Columbine High School in den USA vor fast genau zehn Jahren hat die Schweiz noch nicht erlebt. Der Amoklauf im Zuger Parlament (2001) war bisher die einzige Massentötung und der Mord an der Bushaltestelle von Zürich-Höngg (2007) eine der wenigen Amoktaten eines Durchgedrehten. Aber für Fachleute ist es nur eine Frage der Zeit, bis Ähnliches in der Schweiz passiert.
Üblicherweise wird ausser Haus das Messer gezückt, während Schusswaffen hierzulande vor allem gegen Familienangehörige und für Selbsttötungen eingesetzt werden. «Waffen sind dort gefährlich, wo sie sind», hält Killias fest. «Und das ist eben im häuslichen Bereich.» Die Schweiz weist zwar eine relativ tiefe allgemeine Mordrate auf, aber im Familienkreis ist sie sehr hoch – nahezu gleich hoch wie in den USA. Laut BFS wurden 2000 bis 2004 im häuslichen Bereich von 476 Opfern 139 erschossen.
Bei solchen Affekthandlungen wie der Tötung der Skirennfahrerin Corinne Rey-Bellet 2006 zeige sich deutlich, wie gefährlich die Verfügbarkeit einer Feuerwaffe sei, sagt Killias. Sie erleichtere die Tötung mehrerer Menschen sehr, versetze zuvor nicht gewalttätige Männer in die Lage, zu töten, und ermögliche es ohne weiteres, dass sich der Täter selber umbringe. «Neun von zehn Familiendramen mit Suizid des Täters werden mit Schusswaffen verübt.»
Ähnlich bei Selbsttötungen. In der Schweiz begehen im Schnitt 1400 Menschen im Jahr Suizid, europaweit ein hoher Wert. Laut BFS erhängen sich im langjährigen Vergleich 26 Prozent und erschiessen sich 24 Prozent, jährlich also knapp 340 Schusswaffensuizide. Neuerdings steht Erschiessen mit gut 27 Prozent an erster Stelle.
Killias wertet derzeit aus, welche Tötungen mit welchen Schusswaffen begangen werden. Nach Daten aus vorerst sechs Kantonen geschehen 68 Prozent der Suizide und 36 Prozent der Familienmorde mit Ordonnanzwaffen. Hochgerechnet auf die ganze Schweiz, sterben laut Killias 280 Menschen jährlich durch Ordonnanzwaffen.
«Der Zusammenhang von Selbstmorden und häuslicher Gewalt mit der Verfügbarkeit von Schusswaffen ist so eindeutig, dass er kaum mehr bestritten werden kann», sagt Killias. Bestritten wird er allerdings stark von der Waffenlobby und den Schützen: Nicht die Waffe töte, sondern der Mensch dahinter. Und wer sich oder andere töten wolle, finde andere Wege. Gegen diese Ansicht wendet sich Killias entschieden. Natürlich sei die Täterpersönlichkeit eine wesentliche Ursache. Aber kausal ebenso wichtig sei die bereitliegende Waffe. So stellte eine Arbeitsgruppe des Bundes zu den Ordonnanzwaffen Ende 2008 fest: «In Ländern, die in den letzten zwei Jahrzehnten die Verfügbarkeit von Schusswaffen erfolgreich einschränkten – wie Kanada, Australien, Schottland, England und Wales –, ging nicht nur die Zahl der Suizide durch Schusswaffen zurück, sondern die Suizidrate insgesamt. Die Tatmittel sind erwiesenermassen nicht einfach austauschbar.» Ähnlich bei den Mehrfachtötungen im häuslichen Bereich. Solche wären mit Messern oder Äxten technisch wie psychisch kaum zu vollbringen, so Killias. «Keine andere Waffe ausser Sprengstoff kann so effizient töten wie eine Schusswaffe.»
Gewaltneigung habe viele Ursachen und könne nicht einfach auf den Waffenbesitz zurückgeführt werden, betont der Zürcher Kriminologe. Es wäre somit falsch, generell alle Waffenbesitzer zu verdächtigen. Wenn jemand jage oder sportlich schiesse, gebe es wenig Grund zur Beunruhigung. Vor allem weil diese Waffen wie auch die militärischen in einen sozialen Zusammenhang eingebettet seien, der hemmend wirke.
Durch die private Übernahme der Armeewaffe oder durch Waffenbesitz ausserhalb von Schützenvereinen falle jedoch das soziale Regelwerk weg. «Am gefährlichsten sind jene Leute, die sagen, sie bräuchten die Waffe zum Selbstschutz», weiss Killias. Zudem gebe es eine kleine Minderheit sehr gewalttätiger und oft psychisch angeschlagener Menschen, die sich von Waffen angezogen fühlten. «Bei ihnen spricht vieles für die Annahme, dass der Besitz ihre Gewaltneigung zusätzlich anheizt.» Ähnliches beobachtet Josef Sachs, Facharzt für Psychiatrie in Brugg AG, der gerade das Buch «Umgang mit Drohungen. Von Telefonterror bis Amoklauf» veröffentlicht hat. Bei schweren Straftaten seien Leute mit einer Affinität zu Waffen übervertreten. Bei ihnen sei der Gedanke, die Waffe einzusetzen, präsenter.
Das Show-Highlight in Luzern ist der Softair-Parcours. Dort können die Besucher mit gasbetriebenen Imitationswaffen Plastikkugeln verschiessen. Journalisten und Fotografen werden weggeschickt. Die Softair-Fans haben schlechte Erfahrungen gemacht, werden sie doch oft als Kriegsgurgeln dargestellt. Von ungefähr kommt das nicht. Es ist inzwischen eine Szene von Klubs entstanden, die in Uniform Gefechte im Gelände veranstalten und sich gegenseitig abknallen. Die einen betonen, es gehe um Sport, Team und Taktik, andere betreiben sogenanntes Re-Enactment, bei dem sie in authentischer Montur etwa Vietnam-Einsätze nachspielen. Auf den Websites wird zwar betont, man sei weder paramilitärisch noch waffennärrisch. Aber immer geht es darum, in möglichst echter Gefechtssimulation den Gegner auszuschalten. In einschlägigen Zeitschriften wird geschwärmt von toll kopierten Kalaschnikows («Eine wirklich gute Waffe»), Maschinengewehren («Aussen ein Monster, innen ein Biest»), Granatwerfern («Fühlt sich einfach nur fies an») und Pistolen («Knackiger Rückstoss»). Zudem gibt es eine Subkultur von Teenagern, die mit Imitationswaffen herumballern und immer wieder Polizeiaktionen auslösen. Deshalb wurden Softair-Waffen ebenfalls dem Waffengesetz unterstellt – Leute erschrecken und Tankstellen überfallen kann man auch mit ihnen.
Sportschützen sehen den Softair-Trend nicht gern. «Man zielt nicht auf Menschen, das ist bei uns ein eherner Grundsatz», sagt Walter Häfliger vom Luzerner Kantonalschützenverband, der an der Messe gleich neben dem Softair-Parcours einen Luftgewehrstand betreibt. «Ich kann nicht goutieren, was die machen. Das geht Richtung Rambo.»
Während Softair-Waffen boomen, sinkt das Interesse am geordneten Schiesswesen seit Jahren. Jährlich melden sich 3,5 Prozent weniger Leute für Jungschützenkurse, letztes Jahr noch gut 10000. «Es ist sehr schwierig, Junge zu gewinnen», sagt Thomas Scherer, Ressortleiter Jungschützen beim Schweizer Schiesssportverband (SSV). Man müsse den Nachwuchs wie andere Sportverbände bereits mit zehn Jahren ansprechen, ist etwa Walter Harisberger, Präsident der Schützengesellschaft Baselland, überzeugt.
Viele Vereine veranstalten nun «Schnupperschiesstage», an denen sich Zehnjährige ans Sturmgewehr legen – mit gütiger Hilfe des Bundesrats. 2003 senkte er das Mindestalter fürs Sturmgewehr von 13 auf 10. Auch an Armeetagen können sich Minderjährige im «Schiesskino» am Sturmgewehr versuchen. Der linke Nationalrat Josef Lang (ZG) argumentierte vergeblich, Konfliktforscher Johan Galtung habe nachgewiesen, dass eine solche Einübung einer «Kultur der Gewalt» die Hemmschwelle senke, Gewalt tatsächlich anzuwenden. Nach einer Intervention des Zürcher SP-Nationalrats Daniel Jositsch gegen Schnupperschiessen ab zehn Jahren bekräftigte 2008 Verteidigungsminister Samuel Schmid diese Art Jugendarbeit. Es sei sinnvoll, durch eine verantwortungsvolle Einführung in den Schiesssport «bei jungen Menschen die Gefährlichkeit, die diese Waffe auch haben kann, frühzeitig und korrekt weiterzugeben».
Am Messestand instruiert Häfliger Kinder am Luftgewehr. «Eine schöne Erfahrung», sagt Julian, 15, nach dem Schiessen. Er ist gekommen, weil ihn die Technik fasziniere, «die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine». Der zehnjährige Amer findet auch, es sei «schön» gewesen, und später wolle er eine grosse Waffe.
Mit dem revidierten Waffengesetz müssen besonders gefährliche Waffen abgeliefert werden, etwa unveränderte oder zu Halbautomaten geänderte Seriefeuerwaffen und Maschinengewehre. Der Erwerb anderer Waffen erfordert in aller Regel einen Erwerbsschein. Einschüssige Waffen, Handrepetiergewehre, Druckluft-, Softair- und Paintball-Waffen dürfen mit einem schriftlichen Vertrag gehandelt, müssen aber gemeldet werden. Fürs Erben gelten weitgehend dieselben Bestimmungen. Das erhöht zwar die Kontrolle, aber nach wie vor sind Feuerwaffen leicht zu kaufen. Den Erwerbsschein stellt die Behörde ohne Umstände aus, wenn man 18 Jahre alt und nicht vorbestraft ist und nicht den Eindruck macht, sich oder andere zu gefährden. Auch an der Heimabgabe der Ordonnanzwaffe hielt das Parlament Mitte März fest. Dies, obwohl die Arbeitsgruppe Ordonnanzwaffe des Bundes feststellte, dass die Akzeptanz schrumpft: 1989 befürworteten 57 Prozent der Stimmberechtigten die «Armeewaffe im Schrank», letztes Jahr waren es noch 38 Prozent. Der militärische Nutzen wird bezweifelt, die Tradition nicht mehr als Grund anerkannt und die Heimabgabe als Gefahr eingestuft.
Viele Kantone organisieren derzeit Sammeltage. So ermöglichen sie, gratis Gewehre, Pistolen, Bajonette und Messer loszuwerden. In Luzern kamen kürzlich fast 3500 Waffen zusammen, im Aargau rund 3000, in Basel 800, in Solothurn 400. Im Schrott landeten vor allem historische Gewehre und Pistolen, aber auch Kalaschnikows, Pump-Actions, Granatwerferaufsätze und Nachtsichtgeräte. Selbst wenn weitere Kantone Sammeltage durchführen – für die Sicherheit ist dies wenig relevant. Auch anonyme Rückkaufaktionen, wie sie US-Städte bieten, wären bloss ein gutgemeintes Zeichen. Bei mehreren Millionen Feuerwaffen in der Schweiz fallen einige tausend weniger kaum ins Gewicht. Kaum hilfreich wäre auch ein Verbot von Gefechten mit Paintball- und Softair-Waffen im Freien, wie es der SP-Nationalrat Hans Widmer (LU) anstrebt.
Will man die Schweiz abrüsten, müsste man konsequenter vorgehen. «Die Bestände und der Zugang müssten verringert werden. Und es braucht eine bessere Selektion der Personen, denen Erwerb und Besitz von Waffen gestattet wird», sagt Martin Killias. Nötig wäre dazu eine weitere Verschärfung des Waffenrechts, wie es die von Linken, Grünen und Pazifisten im Februar eingereichte Initiative «Schutz vor Waffengewalt» verlangt:
- Ordonnanzwaffen werden den Soldaten nicht mehr nach Hause gegeben, sondern bei der Armee gelagert.
- Nach dem Ausscheiden dürfen Armeeangehörige keine Waffen mehr privat übernehmen.
- Wer eine Waffe erwerben, erben oder behalten will, muss einen Bedarf und die nötigen Fähigkeiten nachweisen.
- Der Bund führt ein zentrales Waffenregister.
Damit würde die Kontrolle massiv besser und die Zahl der verfügbaren Waffen tatsächlich kleiner. Zudem hätten nur noch Leute Schusswaffen, die damit umgehen können und gute Gründe haben – wie Jagd, Sport oder Beruf.
Der SSV und die Interessengemeinschaft Schiessen Schweiz mit 250'000 Mitgliedern sehen dadurch das Milizsystem und den Schiesssport gefährdet. Wenn das Sturmgewehr im Zeughaus bleibe und Ausgemusterte es nicht mehr behalten dürften, sei es schwierig, sie für den Schiesssport zu rekrutieren, sagt SSV-Finanzchef Hans-Rudolf Alder. «Die gesetzlichen Erschwernisse treffen wieder die Falschen.»
Abgestimmt wird voraussichtlich im Frühjahr 2011. Schon jetzt füllt der SSV die Kriegskasse: Drei Jahre lang zahlen die 75'000 lizenzierten SSV-Schützen jeweils «einen Tell als Schützenbatzen», also einen Fünfliber, um die Initiative mit mehr als einer Million Franken abzuwehren. Auch die Waffenlobby organisiert die Verteidigung. «Der Kampf gegen die unsinnige Volksinitiative hat begonnen. Nehmen wir ihn auf!», heizt Pro-Tell-Präsident Willy Pfund den Mitgliedern ein. Alle seriösen Soldaten und Schützen würden kriminalisiert. Pfund greift zu einem abenteuerlichen Vergleich: «In der Schweiz werden jährlich 75 Millionen Patronen verantwortungsvoll verschossen und nur 400 bei Suiziden und Tötungsdelikten.» Pfund ahnt Übles. «Es geht um die Entwaffnung des Volkes!», sagt er – als wäre das der Untergang.
Das neue Waffengesetz
(seit 12. Dezember 2008)
Meldepflichtige Waffen
Erwerb mittels schriftlichen Vertrags
- Kaninchentöter (einschüssig)
- Softair-Waffen
- Alarm-, Schreckschuss- und Imitationswaffen
- Paintball-Waffen
- Nachbildungen von einschüssigen Vorderladern
- Druckluft- und CO2-Waffen
- Handrepetierer (Sportgewehre)
- einschüssige und mehrläufige Jagdgewehre
- Handrepetierer für die Jagd
- Ordonnanzrepetiergewehre
Bewilligungspflichtige Waffen
Erwerb mittels Waffenerwerbsschein
- Pistolen
- Revolver
- Selbstladebüchsen
- Unterhebelrepetierer (Lever-Action)
- Vorderschaftrepetierer (Pump-Action)
- ausländische Ordonnanzrepetiergewehre
- Selbstladeflinten
- Schweizer Sturmgewehre 90 und 57
Verbotene Waffen
Erwerb mit kantonaler Ausnahmebewilligung
- Seriefeuerwaffen
- zu Halbautomaten geänderte Seriefeuerwaffen
- Panzerfäuste
- schwere Maschinengewehre
- Laser-, Nachtsichtzielgeräte, Schalldämpfer und Granatwerfer als Zusatz zu Feuerwaffen
- Elektroschockgeräte
- Schmetterlingsmesser und Messer mit einhändig bedienbarer automatischer Klinge
- Wurfmesser und Messer mit symmetrischer Klinge
- Wurfsterne, Schlagringe und Waffen, die Gegenstände vortäuschen
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