Ständig am Handy
Alle da und keiner präsent
Im Bus, im Zug, im Tram, am Bahnhof oder gar auf dem Trottoir – es ist überall dasselbe: Jede und jeder starrt aufs Handy. Das hat Folgen.
Veröffentlicht am 4. März 2020 - 15:28 Uhr
«Wir sind zu Sklaven des Smartphones geworden», kritisiert Beobachter-Chefredaktor Andres Büchi in seinem Kommentar.
Quelle: Thilo RothackerAlle sind sie da, wie jeden Morgen kurz vor acht, und warten auf den Bus in die Stadt. Aber kaum jemand ist präsent im Hier und Jetzt, sondern nur Gestalt – eine Form aus Fleisch und Blut. Fast alle Augen sind auf ein Handy gerichtet. Auf diese Einladung zur vermeintlichen Teilnahme an der ganzen Welt, von der es auf diesem kleinen Gerät so viel zu sehen und doch so wenig wirklich zu erfahren, sinnlich mitzuerleben gibt.
Ein Kontakt zum unmittelbaren Geschehen, zum physischen Raum, eine Wahrnehmung der Regungen und Bewegungen rund um die Wartenden herum findet nur gelegentlich statt. Viele Ohren sind durch Stöpsel hermetisch abgedichtet.
Wenn der Bus einfährt, genügt ein knapper Blick über den Bildschirm hinweg, damit man im Falle eines Anrufs auf die Frage «Wo bist du?» wenigstens der Form halber antworten kann. Auch wenn der Anrufer nie erfahren wird, wo man gerade wirklich steckt.
Die vorbeiziehenden Häuser, die Mitreisenden, die junge Mutter, die auch auf eine Frage ihres Kindes nicht vom Handy aufzublicken wagt; alles nur Kulisse, durch die wir uns bewegen. Die Entscheidung, sich auf etwas einzulassen, findet kaum mehr bewusst statt, sondern lediglich deshalb, weil die Möglichkeit dazu gerade vorhanden ist, beziehungsweise auf Fingertipp aufleuchtet.
Man kann argumentieren, wir hätten ja die freie Wahl. Wir könnten unsere digitalen Helfer jederzeit ausschalten. Doch das stimmt nur begrenzt. Die Welt funktioniert heute weitgehend dank dieser technischen Möglichkeiten. Das Handy ist Voraussetzung geworden, um vielerlei Dinge überhaupt noch erledigen zu können.
So sind wir – ohne es zu realisieren – Sklaven des Smartphones geworden. Nicht weil wir das wollten, sondern weil das Handy die Welt so verändert hat, dass wir kaum mehr darauf verzichten können.
Die Geräte und die darüber vermittelten Botschaften haben die Oberhand über unser Leben gewonnen und über unsere Entscheidungen. Denn die kleinen Regenten fordern dauernde Aufmerksamkeit. Die Folgen sind überall zu beobachten. Wo immer ein Handy in einer Gesprächsrunde auf dem Tisch liegt, mutieren alle zu jungen Eltern, die immer mit einem Auge auf ihr Baby schauen, das jederzeit aufwachen könnte.
Doch wenn das Handy sich bemerkbar macht, reisst es uns, anders als ein Baby, komplett aus dem Geschehen. Es holt uns weg in eine andere Welt, an der wir angeblich teilhaben, in die wir uns scheinbar einbringen können. Doch weil wir nur virtuell anreisen, läuft das Geschehen dort ebenso ohne uns ab wie nun auch am Gesprächstisch, von dem wir uns via Handy verabschiedet haben. So sind wir alle Touristen auf Dauerreise, um irgendwo mitzuwirken, ohne wirklich dabei zu sein.
Weil wir aber nirgends mehr richtig sind, nimmt unser eigener Gestaltungsraum ab. Die reale Welt um uns herum nehmen wir kaum noch wahr. Schon gar nicht fühlen wir uns verantwortlich dafür. Wir nutzen die unmittelbare Umgebung nur noch als Offerte zur Selbstbedienung und Bedürfnisbefriedigung . Und zur Entsorgung dessen, was wir gerade nicht mehr brauchen. Der oft achtlose Umgang mit unserer nächsten Umwelt ist nur das augenfälligste Zeichen dafür.
Am Leben teilzunehmen, erfordert aber unsere ganze Präsenz. Nur wo wir wirklich da sind, können wir auch Einfluss nehmen. Solange wir nur am Handy kleben , sind wir nicht prägender Teil der Welt, sondern gleichsam Ware, über die verfügt wird.
Es ist höchste Zeit, uns selber ein Update für mehr Achtsamkeit
zu verordnen.
9 Kommentare
Ich liebe mein smartphone und liebe es, mit meinen Mitmenschen zu sprechen, sie zu beachten, ein Lächeln zu geben und eins zu bekommen, die Umgebung zu bemerken sich an Schönem zu erfreuen, die Geräusche wahrzunehmen und mich voll und ganz da zu fühlen. Wenn mich jemand mit seinem smartphone nicht stört, so darf er gerne mit dem Gerät ‚,spielen“. Seien Sie Vorbild und haben Sie Spass und Freude am Leben mit Ihren Mitmenschen und in Ihrer Umgebung. Das wirkt am besten gegen allerlei Auswüchse.
ein Smartphone l😒lieben..???????
Die Arbeit lieben ..??
Den Sport lieben........????????
Für mich sehr realitätsfremd.....,oder?
Freude, begeistert sein an etwas ja, Woher kommt denn die Liebe....?........
Warum feiern wir Weihnachten..?????????????????;)
ein Kind sollte in Liebe aufwachsen....,oder?
Geht es allen Menschen Gut auf dieser Erde...?????????
Also ich glaube nicht an den Storch......
An was glaubt IHR.....,da draussen....?
Da wird von Liebe gesprochen......upsi....eher von modernen..........;...??
klar ist es läuft was sehr schief.....
Der unerlässliche Gebrauch des Handys ist die Folge der Diktatur der Wirtschaft, die sich in den letzten Jahrzehnten in unser Leben frass und alles zerstört, was nicht unmittelbar der Rendite dient. Reagan und Thatcher haben's in ihren Ländern gesellschaftsfähig gemacht und Blocher stülpte es über die Schweiz. Vor allem zu seinem eigenen Vorteil und das Volch glaubte lange Zeit, es falle etwas ab. Das Absolut der Ökonomie zerstörte die Bildung, das Gesundheitswesen, die Demokratie und verbreitete die Aggressionen, unter denen viele in den grösseren Städten z.B. auf den Strassen leiden. Dem totalen Run nach dem Geld fehlt die Seele, weshalb der Handy fixierte Fussgänger aus der Realität flüchtet in die Virtualität seines Minicomputers. Ich kann das verstehen, denn in den Städten und Agglomerationen gibt es kaum mehr Architektur, die es lohnt, sie sich anzusehen. Der Zwang zur Rendite normt die Büroklötze und Wohnsilos und verbreitet unendliche Langeweile. Aber das Flüchten auf den Bildschirm beruhigt nur oberflächlich und lenkt ab von der Konfrontation mit der Realität. Als Ausweichen von der Suche nach dem Lösen von Problemen.
genau,so bravo....!:)
Das stimmt ja alles Hr. Büchi aber mit dieser Moral wird nichts erreicht. Da braucht es schon andere Argumente, als die Smartphone-Nutzer als Sklaven zu bezeichnen. Schwärmen Sie von dem, was ohne ständige Smartphone-Nutzung erlebt und gesehen werden kann!
Lieber Janosch007 Auch ich denke, dass Herr Büchi wirklich recht hat. Es würde mich freuen, wenn Sie ein paar praktische Beispiele geben könnten, wie Sie das meinen, was Sie gerne von Herrn Büchi erhalten hätten! Ich bin gespannt Hilfreiches zu erfahren.
LG
Viele Leute verwechseln wahrscheinlich Präsenz den ewig neusten Post nicht zu verpassen. Ganz aktuell scheuer das die Panik des neustem Bösewicht das caröndli..... Ohne zu sehen was ich gerade anfassen, und in die Gesichter der Menschen zu sehen kann ich ja auch nicht abschätzen welchen social distance ich da halten soll...... Höchste Zeit, auf zu wachen... Ein guter Film dazu ist samadhi. Unterstützung für Mut einfach mal aus zu steigen... Ich bin dann mal weg.. Gibt's auch bei ufbruch.ch, digital detox Reisen... Abseits des Handynetzes kann man gar nicht in Versuchung kommen und kann die Natur 100% erleben.... Und gesund bleiben.