Folgt nun eine Flut von Klagen gegen Wikipedia?
Der umstrittene Tierschützer Erwin Kessler zog gegen Wikipedia vor Gericht – mit Erfolg. Das Online-Lexikon muss Inhalte über ihn löschen. Das Urteil dürfte Nachahmer ermutigen.
Veröffentlicht am 17. Februar 2021 - 17:24 Uhr
Anfang Jahr feierte die Wikimedia Foundation das 20-jährige Bestehen von Wikipedia. Jetzt hat die Träger-Organisation des Online-Lexikons vor dem Thurgauer Obergericht eine Niederlage erlitten.
Wikimedia muss «persönlichkeitsverletzende Aussagen» über den umstrittenen Tierschützer Erwin Kessler löschen. Nach dem Urteil darf Wikipedia Kessler auch nicht weiter unter «Personen des Antisemitismus» führen.
«Das Urteil zeigt, dass man sich wehren kann, auch wenn die Verantwortlichen in San Francisco sitzen», sagt Kessler. Ob Wikimedia das Urteil ans Bundesgericht weiterzieht, ist noch offen.
Auch in Deutschland kam es kürzlich vor dem Landgericht Koblenz zu einem Urteil gegen einen Wikipedia-Autor, der einen isländischen Komponisten als Verschwörungstheoretiker bezeichnete.
Laut Digital-Anwalt Martin Steiger werden diese Urteile nun weitere Personen ermutigen, den Rechtsweg gegen Wikipedia zu beschreiten. Viele, die in einem Eintrag des Online-Lexikons auftauchen, fühlten sich aufgrund einer einseitigen Darstellung verunglimpft, sagt Steiger. Ein Problem sei, dass sich Wikipedia fast ausschliesslich auf Sekundärquellen stütze und damit die Gefahr bestehe, dass mögliche Fehler übernommen werden. «Umgekehrt übernehmen viele Medien unkritisch Angaben aus Wikipedia, womit sich der Kreis schliesst.»
Andreas Mäckler, Herausgeber des «Schwarzbuchs Wikipedia» und Kenner der rechten Szene, geht davon aus, dass aus dieser Szene weitere Prozesse gegen Wikimedia angestrengt werden. Es gebe «Tausende Personen des öffentlichen Lebens, deren Artikel auf Wikipedia verzerrt bis hin zu Justiziabilität falsch dargestellt werden».
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2 Kommentare
Ist wikipedia nicht ein offenes Lexikon? Sprich: Darf nicht jede Person sich registrieren und Inhalte anpassen, wenn Sie das möchte? Hat Herr Kessler das versucht? Das wäre interessant zu erfahren.
Versuchen können Sie das schon, Herr Siegl. Wenn Sie aber nicht zum inneren Kreis der Wikipedia-Elite (Administratoren, etc.) gehören, dann wird Ihr User-Account ziemlich schnell ins digitale Nichts verabschiedet. Das gilt selbst für langjährige User mit sog. Sichter-Rechten, die es sich mit den Machtzirkeln innerhalb der Wikipedia verscherzen. Wikipedia-Kritiker wie Markus Fiedler (wikihausen.de) monieren das schon seit längerem.