Kämpfer im Spiel – Gewinner im Job
Computerspiele machen einsam und aggressiv, so ein verbreitetes Vorurteil. Namhafte Wissenschaftler sehen das anders: Erfolgreiche Gamer stellen mit ihren Fähigkeiten die künftige Wirtschaftselite.
Wer wissen will, wie Unternehmen in zehn Jahren geführt werden, muss sich Online-Spiele anschauen. Das ist kein Werbespruch aus der Game-Industrie, sondern die Erkenntnis von Kommunikationsforschern der Stanford-Universität in Kalifornien. Byron Reeves und sein Team analysierten, wie sich weltweit tätige Unternehmen entwickeln, und haben für sie die künftigen Führungskräfte entdeckt: erfolgreiche Online-Gamer. Das Spielen im Netz macht keineswegs dumm, einsam oder gar aggressiv – im Gegenteil: Es ist karriere- und wirtschaftsfördernd, so das Fazit der Studie «Virtuelle Welten – echte Führer».
Laut den Forschern werden sich Unternehmen künftig noch mehr aufgliedern und über alle Kontinente hinweg vernetzen. Dadurch müssten immer mehr Aufgaben virtuell koordiniert und ausgeführt werden – ohne dass darunter Zwischenmenschliches leiden darf. Der Manager, der mit Powerpoint-Präsentationen im Köfferchen Flugzeuge besteigt und seinen Mailverkehr an die Sekretärin delegiert, wird hier zweifellos an Grenzen stossen.
Was Führungskräften künftig abverlangt wird, lernen junge Gamer heute in ihrer Freizeit. Den Teilnehmern grosser Online-Rollenspiele, sogenannter Massively Multiplayer Online Role-Playing Games (MMORPGs), stellen sich Aufgaben, die sie – wie Manager – alleine nicht mehr lösen können. «World of Warcraft» ist ein solches Spiel, das derzeit zwölf Millionen Nutzer weltweit vereint. Führer dirigieren Gruppen von Spielern, sogenannte Gilden, auf gemeinsamen Missionen. Wer sich hier als Leader halten oder aufsteigen kann, beweist Führungstalent. Bei einer Umfrage unter IBM-Managern mit Game-Erfahrung gab fast die Hälfte an, dass das Spielen ihre Führungsqualitäten verbessert habe, schreibt die «Harvard Business Review» 2008. Was macht Online-Gildenleader zu besseren Managern?
Andres Schaffhauser ist Gildenleader. Auf dem Bildschirm vor ihm tobt ein senseschwingendes Skelett und schleudert Blitze gegen seine Angreifer. Die Finger des 23-Jährigen tanzen über die Tastatur, an den Seiten und an der Unterkante des Bildschirms blinken und leuchten Dialogfelder und Anzeigeleisten. Sie informieren ihn über die Verfassung seiner Mitstreiter.
Im richtigen Leben arbeitet Schaffhauser als Systemadministrator bei einem Kaffeehändler, doch in «World of Warcraft» ist er seit sechs Jahren Obilée, eine Druidin. «Die Figur ist sehr naturverbunden, das entspricht mir», sagt er. Obilée kann sich in verschiedene Tiere verwandeln, in einen Bären oder einen Vogel zum Beispiel. «Während eines Angriffs bin ich aber meistens ein Baum – der hat eine Heilfunktion», sagt Andres Schaffhauser. In dieser Gestalt kann er seine Getreuen mit Lebensenergie versorgen.
«Vertrauen ist entscheidend», findet Schaffhauser und scannt mit schnellen Blicken die Anzeigefelder. Jeder Spieler muss seinen Part erfüllen – macht der Lockvogel zu wenig oder ist einer zu ungestüm, wendet sich das böse Skelett womöglich den ungeschützten Gildenmitgliedern zu – und dann ist Sense.
«World of Warcraft»-Spieler lernen laut der kalifornischen Studie gelassener mit Risiken und Fehlern umzugehen und verstreute, sich ständig verändernde Informationen zu einem Gesamtbild zusammenzufügen. Um Missionen zu erfüllen, sind sie auf Mitstreiter angewiesen. «Am Anfang tat ich mich mit einem Gnomen zusammen, der mir irgendwo über den Weg gelaufen kam», sagt Schaffhauser. Heute führt ereine zehnköpfige Gilde. «Als Leader muss man seinen Mitstreitern auf gute Art und Weise Rückmeldungen geben – kritisieren, ohne sie zu verärgern oder zu kränken.» Schaffhauser musste einem Uneinsichtigen schon mal erklären, dass es für ihn und die Gilde besser ist, wenn er sich andere Gefährten sucht – ein Probelauf für das heikle Kündigungsgespräch im realen Leben.
Erfolgreiche Gamer erwerben Sozialkompetenz und Führungsfähigkeiten, indem sie Mitspieler dazu bringen, gemeinsam ein Ziel über längere Zeit zu verfolgen. Das ist die Erkenntnis von Daniel Süss, Medienpsychologe an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. «Solche Spieler holen sich zudem schnell Hilfe aus einem grossen Netzwerk, zapfen also Expertenwissen an.» Fähigkeiten, die auch im realen Berufsleben wertvoll seien.
Dass Videospiele karrierefördernd sein sollen, ist eine eher junge Erkenntnis. Bisher sahen Eltern, Pädagogen und Politiker in ihnen vor allem eine unheilvolle Kraft, die die Jugendlichen ins Verderben reisst.
Besonders das Genre der Ego-Shooter – in den Medien besser bekannt als «Killerspiele» – sind den Jugendschützern ein Dorn im Auge. Ego- oder First-Person-Shooter (FPS) sind Spiele, die die Handlung vollständig aus der Perspektive des Kämpfers zeigen. Je nach gewählter Waffe weist ein Sturmgewehr, eine Panzerfaust oder ein Messer den Weg ins Getümmel.
Aus Leo Spiegels Zimmer dringt regelmässig das Rattern von Serienfeuer. Leo ist Gymnasiast, eben 17 geworden, und spielt die neuste Version von «Battlefield: Bad Company 2». Auf seinem Bildschirm befinden sich zwei Armeen im Häuserkampf. Leo lässt den Lauf der Waffe über das Spielfeld schwenken, Freund und Feind hasten von Deckung zu Deckung, nicht alle erreichen ihr Ziel. Das Spiel hat alles, was das Genre ausmacht: Waffen, Tote und Explosionen. Entsprechend tolerierten Leos Eltern den Häuserkampf im Zimmer ihres Sohnes erst nach ausführlichen Diskussionen und festgelegten Regeln.
Diese Auseinandersetzung ist auch auf politischer Ebene notwendig. National- und Ständerat fordern ein Verbot von besonders brutalen Spielen, der Bundesrat muss ein entsprechendes Gesetz ausarbeiten. Wie dies für weltweit vernetzte Online-Spiele umgesetzt werden soll, ist unklar. Am wirksamsten wäre ein griffiger Jugendschutz mit klaren Altersbeschränkungen.
Was weiss man überhaupt über die Wirkung brutaler Spiele auf Jugendliche? Laut Medienpsychologe Süss gibt es keinen Beleg dafür, dass Jugendliche, die im echten Leben gewalttätig sind, überdurchschnittlich oft gewaltdarstellende Games spielen. «Jugendliche, die sich bereits in gewalttätigen Peergroups bewegen, also zum Beispiel Prügeleien an Fussballevents suchen, bewerten echte Gewalt aber eher positiv, wenn sie zusätzlich auch solche Games spielen. Diese haben unter Risikobedingungen einen enthemmenden Effekt.» Anders gesagt: Jugendliche, die nicht auffallend aggressiv sind – das kann man durch Persönlichkeitstests feststellen –,werdenes auch nicht, wenn sie brutale Gamesspielen.
«Mir geht es um das Mannschaftsspiel, nicht um die Gewalt», sagt «Battlefield»-Spieler Leo. Es gäbe auch Spiele, die weitaus blutrünstiger sind, in denen der Protagonist als Serienkiller oder Amokläufer unterwegs ist: «Aber solche Games sagen mir nichts.» In «Battlefield» führt Leo einen eigenen Clan: den Advanced Tactical Squad. Zweimal die Woche trifft er sich mit seinen Kumpels online zum Training. Während in anderen Ego-Shootern die Punkte vor allem durch «Kills», also Treffer zu erspielen seien, würden in «Battlefield» eroberte «Flags» belohnt, also das Einnehmen von Zielobjekten. Das geht natürlich nicht ganz ohne Schiessen, «aber es ist auch Strategie gefragt», sagt Leo. Die Spieler können einander aufmunitionieren und Verwundete versorgen, damit diese schnell wieder einsatzfähig sind.
Derzeit sorgt die neuste Version des Spiels «Medal of Honor» für Diskussionen, dessen Schauplatz der Krieg in Afghanistan ist. Hohe Wellen schlug das Game vor allem, weil der Spieler auch die Sicht der Taliban einnehmen und gegen US-Truppen kämpfen kann.
Wenn staatliche Verbote von Spielen heute kaum möglich sind: Sollten Eltern gewisse Spiele aus moralischen Überlegungen verbannen? «Natürlich ist es legitim, ein Spiel aus einer Werthaltung heraus zurückzuweisen», sagt Daniel Süss. Zum Beispiel wenn darin ein Geschlecht oder eine Bevölkerungsgruppe systematisch diskriminiert werde. «Das heisst aber nicht, dass solche Spiele die individuelle Aggressivität oder Gewalttätigkeit von Jugendlichen fördern würden.» Wichtig sei, dass sich Eltern selber mit den Spielen ihrer Kinder auseinandersetzten. «Am besten spielen sie selber einmal mit. Nur so werden sie auch ernst genommen, wenn sie ein Spiel kritisieren.»
Leo spielt «vielleicht ein bis zwei Stunden am Tag», dafür sitze er kaum vor dem TV. «Battlefield» ist nicht sein einziges Hobby. Wenn er neben der Schule Zeit findet, beschäftigt er sich mit Webdesign. Für seinen Clan hat er eine eigene Website gemacht, darüber koordiniert er Spiel- und Trainingstermine.
Gamer bezeichnen ihr Hobby selbstbewusst als «E-Sport» und haben sich in internationalen Ligen zusammengeschlossen. Dazu gehören nicht nur Ego-Shooter, sondern auch Sportspiele wie Fussball oder Skirennen. In den obersten Ligen sponsern Hersteller Siegprämien in der Höhe von mehreren tausend Franken. Davon sind Leo und seine Squad weit entfernt, doch auch sie nehmen ihr Hobby ernst: Die einzelnen Begegnungen werden in Nachbesprechungen analysiert. Gamen könne zwar jeder lernen, «aber ohne Training kann man in der Liga nicht bestehen».
Etwa ein Viertel der Jugendlichen spielen regelmässig und intensiv. Die anderen sind sehr massvoll in Spielen unterwegs. Das Durchschnittsalter aller Gamer liegt heute bei etwa 30 Jahren. Die Intensität ist aber bei Zwölfjährigen am höchsten und nimmt dann kontinuierlich ab.
Für Leo ist das Gamen ein Zeitvertreib von vielen; sonst spielt er Tennis oder trifft Freunde. «Das würde ich wegen des Gamens nie vernachlässigen.» Leo ist der nette Junge von nebenan. Echte Waffen interessieren ihn nicht, und den Militärdienst könnte er sich am ehesten als Sanitäter vorstellen. Aber warum verbringt er so viel Zeit im virtuellen Krieg? «Gute Frage», sagt Leo und überlegt. Dann zuckt er mit den Schultern: «Es ist ja nur ein Spiel.»
Diese Erklärung liess die Forschung bis vor kurzem nicht gelten. Dass Videospiele überhaupt so in Verruf geraten sind, ist eine Art Naturgesetz. Menschen befürchteten zu allen Zeiten, dass Gewaltdarstellungen Jugendliche verderben könnten: Römische Denker fürchteten den schlechten Einfluss der Gladiatoren, im Mittelalter waren der katholischen Kirche die Ritterkämpfe ein Dorn im Auge. Mit jedem neu aufkommenden Medium wurde die Diskussion neu entfacht: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war es der Film, in den Sechzigern das Fernsehen und in den Neunzigern das Internet.
Lange sei auch Game-Forschung auf die Frage reduziert worden, ob Spielen gewalttätig mache, kritisiert Süss. «DieserAnsatz greift zu kurz. Es ist ähnlich, wie wenn behauptet würde, Pfadfinder förderten eine Militarisierung, weil sie Uniformen tragen und Mutproben im Wald durchführen.» Oft gehe es mehr um ideologische und dogmatische Positionen, die von Politikern und Medien gern aufgegriffen würden, weil sie Aufmerksamkeit schaffen.
In den Vereinigten Staaten sind Gewaltverbrechen von Jugendlichen in den letzten Jahren zurückgegangen, während die Videospielverkäufe explodierten. In der Schweiz sind Jugendstraftaten im vergangenen Jahrzehnt insgesamt relativ stabil geblieben. Allerdings haben Körperverletzungen und Drohungen an Stellenwert gewonnen. Ob die Zunahme bei Gewalttaten auf vermehrte Anzeigen oder eine gewalttätigere Jugend zurückzuführen ist, darüber zanken sich Politiker und Experten.
Tatsache ist, dass zwei Promille der minderjährigen Wohnbevölkerung wegen Gewaltdelikten verurteilt wird. Gäbe es einen allgemeinen ursächlichen Zusammenhang zwischen Action-Spielen und Gewaltbereitschaft, müsste diese Zahl höher sein.
Damit Aggressionen in konkretes Handeln umgesetzt werden, müssten Spiele die Grundfesten der Persönlichkeit verändern. Kognitive Lerneffekte hingegen greifen viel einfacher. In einer Studie der University of Rochester zeigten Vielspieler von Action-Games in Tests kürzere Reaktionszeiten, ohne dass dabei Fehler häufiger wurden. Sie sind also nicht einfach schiessfreudiger, sondern verarbeiten visuelle Informationen schneller. Ausserdem trainieren die Spiele die Hand-Augen-Koordination und das räumliche Vorstellungsvermögen.
Der amerikanische Psychologe Christopher J. Ferguson stellt in einer aktuellen Studie fest, dass Action-Games sogar beim Stressabbau helfen können, und es gibt Resultate, die darauf hinweisen, dass sie bei den Spielern Selbstwertgefühl und psychisches Wohlbefinden steigern.
Videogames haben zudem die wertvolle Eigenschaft, Inhalte auch einem schwer erreichbaren Zielpublikum zu vermitteln. Das Spiel «Re-Mission» wurde für krebskranke Kinder entwickelt. Roxxi, ein weiblicher Nano-Roboter, fliegt durch die Blutbahn eines Patienten und bekämpft mit verschiedenen Waffen Krebszellen und Infektionen. Roxxis Munition ist ein Krebsmedikament, das nur zur Verfügung steht, wenn der Patient seine Medikamente regelmässig einnimmt. Von der Dramaturgie und der Programmierung her ist «Re-Mission» eigentlich ein Ballerspiel. Es hilft kranken Kindern aber, zu verstehen, was in ihrem Körper vorgeht: ein Krieg gegen den Krebs. Die Einsatzmöglichkeiten in der Medizin sind vielfältig: Es gibt Spiele für Diabetiker, Asthmatiker und zur Behandlung von muskulär bedingtem Bettnässen.
Der Spielemarkt boomt, mit Videogames wird ein Jahresumsatz von zehn Milliarden Dollar erreicht. Immer mehr Menschen sind beteiligt, zunehmend komplexere digitale Welten zu erschaffen; Spielproduzenten sind Auftraggeber für eine Vielzahl von Berufen wie Grafikdesigner, Drehbuchautoren, Komponisten, Musiker und Sprecher.
Zurzeit erfährt das Videospiel in der Schweiz seinen kulturellen Ritterschlag: Zusammen mit dem Bundesamt für Kultur, der Musikstiftung Suisa und dem Animationsfilmfestial Fantoche lanciert die Stiftung Pro Helvetia im Rahmen des Programms Game Culture eine Ausschreibung für Game-Design. 300'000 Franken Fördergeld stehen für vielversprechende Entwicklungen zur Verfügung.
In einer Bestandesaufnahme des einheimischen Game-Schaffens zählt Pro Helvetia zehn nennenswerte Entwicklerstudios, von denen aber die meisten weniger als zehn Mitarbeiter beschäftigen. Trotzdem gibt es Betriebe, die international Beachtung finden, wie die Genfer Firma Pixelux, deren Entwicklungen in grossen Games wie «Star Wars» verwendet werden, oder der ETH-Spin-off Procedural, der eine Software anbietet, die ganze Städte generieren kann. Viele Schweizer Entwickler wandern aber in Länder ab, die über eine ausgebaute Spielindustrie verfügen, wie die USA,Japan, Deutschland oder Frankreich.
Der Zürcher Daniel Lutz arbeitet seit Anfang Jahr in Kanada. 2009 hatte er mit in einem der ersten Jahrgänge den Bachelor in Game Design an der Zürcher Hochschule für Gestaltung und Kunst (ZHDK) abgeschlossen. «Aber ohne Erfahrung bei einer grossen Firma unterzukommen ist schwierig – keiner wird dich nach Übersee zum Bewerbungsgespräch einladen», sagt der 25-Jährige. Deshalb versuchte er sich sechs Monate als Selbständiger und entwickelte zwei iPhone-Spiele. Dann flog er auf eigene Kosten nach Kanada und stellte sich bei der Firma Electronic Arts (EA) vor – und wurde prompt angestellt. EA ist einer der drei weltweit grössten Hersteller von Videogames.
Seine Arbeit sei kreativ, den Begriff Künstler würde er aber für sich nicht verwenden, sagt Lutz. Sein Job verlange eher eine Tüftlermentalität: «Ich war ein miserabler Matheschüler, aber heute kann ich mich stundenlang in Algorithmen vertiefen.»
Grosse Game-Produktionen kosten mittlerweile zig Millionen Franken und stehen punkto Aufwand jenen der Filmindustrie in nichts nach. Zudem vermischen sich die beiden Medien zunehmend: Das Kino stützt seine Handlungen und Darstellungen auf Videospiele und computergenerierte Bildwelten. Ein Beispiel ist der letztjährige Erfolgsfilm «Avatar». In Videospielen dagegen werden die animierten Filmsequenzen immer realistischer, wie das Psychothriller-Spiel«Heavy Rain» zeigt. Am Ende könnte dereinst der Mitspielfilm stehen – der Unterschied zwischen Zuschauer und Mitspieler ist aufgehoben.
Für Bendix Freutel ist das bereits Realität, wenn auch nur eine virtuelle. Der 41-Jährige verbringt täglich Stunden in «Second Life», einer virtuellen Welt, die 15 Millionen registrierte Spieler vereint. Deren Avatare kommunizieren, betreiben Handel oder – wie Freutel – einen eigenen Club. «Ego-Shooter interessieren mich nicht mehr. Ich habe keine Lust, eine von Designern vorbereitete Story nachzuspielen», so Bendix. In «Second Life» kann er sich seine eigene Welt gestalten, selber bestimmen, mit wem er wozu zusammen sein will. In seinem Club legen DJs auf. Dort trifft er sich mit Freunden.
Zurzeit arbeitet Bendix an einem Animationsfilm, der vollständig in «Second Life» produziert wird. «Meine Tochter durchstreift mit ihrem Avatar rudimentär ausgestaltete Räume. Sie erzählt mir, was sie darin sieht und erlebt. Ich gestalte dann diese Räume nach ihren Vorstellungen aus. Die Idee ist, ein Märchen zu filmen, das der Phantasie eines Kindes entsprungen ist.» So ein Projekt lasse sich in «Second Life» in drei Monaten realisieren, im richtigen Leben würde es Jahre dauern. «Natürlich wünschte ich, das reale Leben wäre so unkompliziert wie ‹Second Life›. Aber ich bin auch so ganz glücklich», sagt Freutel. Dass er plötzlich einen Führungsjob angeboten bekommt, glaubt er nicht, obwohl: «Meine Fähigkeit ist, mich stunden-, ja monatelang einem Projekt verschreiben zu können. Das könnte auch Arbeitgeber interessieren.»
«Solche Online-Spieler sind besonders erfolgsorientiert. Wer viel spielt, will in der Arbeitswelt auch eher einen Leistungs- als einen Fixlohn beziehen», so Psychologe Süss. Falls Online-Spieler tatsächlich die künftigen Wirtschaftsführer sind, wird sich auch in einem anderen Bereich nicht viel ändern: Es gibt wenige Frauen, die viel Zeit in Strategiespiele investieren. Leadership würde also Männersache bleiben.
Warnungen und Empfehlungen
Das Pegi-System (Pan-European Game Information) soll Eltern beim Kauf von Computerspielen wichtige Informationen liefern. Piktogramme zeigen an, welche Inhalte im Spiel vorkommen und ab welchem Alter diese tolerierbar
Schimpfwörter: Im Spiel werden Schimpfwörter verwendet. | |
Diskriminierung: Das Spiel enthält Darstellungen von Diskriminierung. | |
Drogen: Das Spiel zeigt Drogenkonsum. | |
Angst: Das Spiel ist gruselig und könnte kleine Kinder ängstigen. | |
Glücksspiel: Das Spiel enthält Glücksspielelemente. | |
Online-Game: Das Spiel kann online gespielt werden. | |
Sex: Das Spiel zeigt Nacktheit oder stellt sexuelle Handlungen dar. | |
Gewalt: Das Spiel enthält Gewaltdarstellungen. | |
Alter: Das Spiel ist für diese Altersgruppe geeignet (ab 3, 7, 12, 16 oder 18 Jahren). | |
Positive Merkmale von Spielen: Ergänzend zu den Pegi-Hinweisen erarbeitet Pro Juventute derzeit eine Orientierungshilfe für Eltern und Lehrer: Geplant ist eine laufend aktualisierte Liste von altersgerechten Spielen, die Spass machen und pädagogisch unbedenklich sind. Pro Juventute folgt dabei dem Vorbild einer österreichischen Bundesstelle (Bupp), die eigens dafür geschaffen wurde. |
Weitere Informationen: www.bupp.at