Das Rezept

Zutaten für 8 bis 10 Personen

  • 1 ganze Milchlammhälfte à zirka 3 bis 4 Kilogramm
  • 1 bis 1,5 Deziliter Olivenöl
  • 3 ganze Knoblauchknollen
  • 8 Rosmarinzweige
  • Salz und schwarzer Pfeffer aus der Mühle
  • 16 bis 20 grosse Kartoffeln
  • 2 bis 3 Deziliter Weisswein

Vorbereitungen

  • Das Fleisch mindestens eine Stunde vor dem Anbraten aus der Kälte nehmen und Raumtemperatur annehmen lassen.
  • Den Backofen auf 180 Grad vorheizen.
  • Das Fleisch mit kaltem Wasser abwaschen und mit einem Tuch gut trocknen. Mit Olivenöl einreiben.
  • Die Hälfte des Rosmarins in kleine Zweiglein zupfen.
  • Die Hälfte des Knoblauchs schälen und in dicke Stifte schneiden.
  • In die Fleischoberfläche alle zehn Zentimeter tiefe Einschnitte machen und ein Stück Rosmarin oder einen Knoblauchstift darin einstecken.
  • Salzen und das Fleisch mit den Knochen nach unten in eine kalte Bratschüssel legen.
  • Die restlichen Knoblauchzehen ungeschält mit der Breitseite eines Messers grob zerquetschen. Rund um das Fleisch einlegen.

Zubereitung

  • Alles für 45 Minuten in den heissen Backofen schieben.
  • Nach dem Anbraten ab und zu mit etwas heissem Fett übergiessen.
  • Die Kartoffeln schälen und der Länge nach halbieren oder vierteilen.
  • Nach 45 Minuten mit dem Wein ablöschen und die Kartoffeln um den Braten verteilen.
  • Nochmals alles in den Backofen schieben und immer wieder mit dem Bratfett überträufeln.
  • Ist das Fleisch gar, herausnehmen und, mit einer Alufolie locker bedeckt, bei 80 Grad im Backofen ruhen lassen.
  • Die Kartoffeln noch fertig backen.

Tipps des Küchenchefs

  • Milchlammfleisch von erster Qualität erkennen Sie an der schneeweissen Farbe des eingelagerten Fetts.

  • Fleisch von noch mit Milch ernährten Jungtieren ist nie so fest wie jenes älterer Tiere. Deshalb sollte es nicht bei allzu hoher Hitze gebraten werden. Weil das Fleisch aber mit viel «Milchfett» durchzogen ist, gart es auch bei tieferen Temperaturen und einer längeren Gardauer wunderbar saftig.

  • Wie immer, wenn Sie Fleisch anbraten, muss dieses Raumtemperatur annehmen können. Nur so zieht es sich im Backofen nicht zusammen.

  • Scheuen Sie nicht eine wirklich grosszügige Knoblauchdosis im «abbacchio». Zusammen mit dem würzigen Rosmarin verleiht diese dem Fleisch ein unnachahmliches Aroma.

  • Verwenden Sie grosse und fest auskochende Kartoffeln als Beilage zum «abbacchio». Die Grösse verhindert ein vorzeitiges Verkochen der Knollen. Das feste Auskochen ermöglicht eine appetitliche Präsentation des Gerichts.

  • Neben dem Olivenöl benötigt das Gericht keine weitere Fettzugabe, da während des Bratens ein Grossteil des Fetts im Fleisch ausschmilzt.

  • Auch nach der Zugabe des Weissweins begiessen Sie das Fleisch weiter. So bildet sich, quasi automatisch, eine recht sämige Sauce zum «abbacchio».

Jetzt sitzen die Römer wieder draussen. Seit Ende Februar wärmt die Sonne die Mauern an den Strassenrändern, der Parks und der Ausgrabungsplätze. Damit erklärt Rom den Winter für beendet und den Frühling zum Regenten. Die ersten Gemüse des Jahres füllen bald die Auslagen.

Besonders berühmt ist dafür der Markt von San Lorenzo. Hier sucht meine Freundin Carla in den Wochen zwischen Ostern und Pfingsten vor allem eines: «carciofi», die kleinen Jungartischocken. Diese stammen von den Seitentrieben der jungen Pflanze. Sie werden ausgebrochen, damit die restlichen Artischocken gross auswachsen können. «Carciofi» braucht es für Artischocken nach jüdischer Art, wie man sie zwischen Ostern und Pfingsten kocht. Nur dann lässt sich die äussere, zähe Haut der Aussenblätter abziehen und, weil die inneren Blätter noch so zart sind, die ganze Knospe knusprig ausbacken.

Mille grazie an Grazia
All dies bedeutet viel Arbeit. Hätte Carla nicht ihre langjährige Haushaltshilfe Grazia, würden wir mit Sicherheit keine «carciofi alla giudea» knabbern. Glücklicherweise gibt es Grazia, und so werde ich in die Küche gebeten, damit sie mir das Geheimnis der perfekten «carciofi» erklärt.

Flink knipsen ihre kleinen Finger die zähen Aussenblätter von den golfballgrossen Artischocken. Hurtig schält sie sie mit einem besonders scharfen Messerchen. Immer wieder taucht sie dabei die Knospen in Zitronensaft. Hell sollen die Blätter bleiben und auf keinen Fall schwarz anlaufen. Aus diesem Grund wird sie die Knöspchen auch in einer grossen Terracottaschüssel und nicht in einem Metalltopf fritieren.

Ganz zum Schluss schlägt die Köchin die Knospen auf die Tischplatte. Dadurch öffnen sich die Blütenblätter, und Grazia kann Salz und Pfeffer dazwischenstreuen. So lassen sich die Artischocken auch mit der Blüte nach unten ins brutzelnde Olivenöl stellen und garen sich unter Grazias Sperberblick langsam knusprig. Sorgsam dreht sie die Artischocken immer wieder, legt sie auf die Seiten und wendet sie immer wieder. Erst zum Schluss dreht die Köchin die Gasflamme hoch und presst die Knusperknospe gegen den Topfboden. Dadurch öffnen sich die Knospenblätter endgültig und gleichen nun Blumenblättern. So lassen sich «carciofi» ganz besonders knusprig ausbacken.

Traditionelle Bauernküche
Abgetropft, immer noch heiss und mit einem Hauch Salz bestreut, werden sie nun auf heisse Platten aufgehäuft und aufgetragen. Jeder beträufelt sie vor dem Genuss mit frischem Zitronensaft und knabbert sie Blatt um Blatt, von der Knospe bis zum Stiel, vollständig auf.

Weshalb erkläre ich Ihnen dieses Rezept so genau? Weil ich damit das Vorurteil, italienische Küche sei simpel, korrigieren möchte. Natürlich ist und bleibt sie im Grund eine Bauernküche. Aber auch sie kann aus billigen Produkten nicht so einfach Köstlichkeiten zaubern. Dazu braucht es immer langwierige Arbeit. Nur teure Grundprodukte können verhältnismässig geradlinig verkocht werden.

Zum Beispiel das zarte Milchlamm, das die Römer bis zu Pfingsten zum «abbacchio alla romana» braten. Wunderbarerweise dauert dessen Kochzeit genauso lang, wie Grazia für ihre «jüdischen Artischocken» benötigt. Ab und zu bückt sie sich deshalb zum Backofen, um das Fleisch zu begiessen oder zu wenden. Werden die «carciofi» als «primo piatto» aufgetragen, so hat das fertige Fleisch Zeit, etwas abzustehen und dadurch zart und saftig zu werden.

Sind die Artischocken aufgegessen, kommt das Fleisch in der Bratschüssel auf den Tisch. Es ist dann meine Aufgabe, die Teller mit Fleisch und Kartoffeln anzurichten. Tranchiert wird kaum, denn so, wie man «carciofi alla romana» mit den Fingern isst, so schneidet erst jeder das Fleisch in seinem Teller vom Knochen. Danach nagt man voller Genuss auch noch die letzte Fleischfaser ab.