Rezepte, wie sie im Buche stehn
Ihre Kochbücher sind zu Klassikern geworden. Zur Expertin für Weihnachtsguetsli wurde Marianne Kaltenbach erst nach einigem Pröbeln.
Veröffentlicht am 7. Dezember 2004 - 17:56 Uhr
Die besten Weihnachtsguetsli, das ist für die meisten Menschen unbestritten, gibts bei der eigenen Mutter oder bei der Grossmutter. Die Kochbuchautorin Marianne Kaltenbach ist Mutter eines erwachsenen Sohnes und könnte längst Grossmutter sein. Sie kann uns also, wenns ums Backen geht, bestimmt weiterhelfen. Über ihr genaues Alter möchte sie sich aber nicht länger aufhalten: «Schreiben Sie ‹irgendetwas zwischen 50 und 80›», schlägt sie schliesslich vor.
Genauso ungenau wie mit dem Alter nimmt sie es mit der Anzahl der Kochbücher, die sie bis jetzt herausgegeben hat: «Seit zehn Jahren sage ich, es seien 50, obwohl das längst nicht mehr stimmt.» Und die Gesamtauflage der kaltenbachschen Werke dürfte die Millionengrenze längst überschritten haben.
Sie lernte früh, auf Qualität zu achten
Ältere Klassiker wie etwa «Aus Schweizer Küchen» sind inzwischen überarbeitet und neu herausgegeben worden. So mussten für den deutschen Markt Fotos zu den Rezepten hergestellt werden, denn sonst liessen sich die Bücher dort nicht verkaufen.
Das Weihnachtsguetslibacktreffen findet in Marianne Kaltenbachs Villa in St. Niklausen in der Nähe von Luzern statt, einem alten Jugendstilbau mit grossem Park und Blick auf den Vierwaldstättersee. Sie schlägt vor, in der Wohnküche zu arbeiten, einem Raum voller Utensilien, den sie «mein Museum» nennt. Hier hängen Dutzende von Backformen an der Wand, Reihen von Kupferpfannen stehen in den Gestellen, und es gibt kunstvoll bemaltes Porzellangeschirr, wohin man schaut.
Aufgewachsen ist Marianne Kaltenbach bei ihren Grosseltern in Lausanne. Beim Einkauf auf dem Markt schaute sie ihrer Grossmutter genau zu und lernte, wie man bei der Auswahl auf gute Qualität achtet. Die Oma habe stets alles angefasst und sei oft zu mehreren Metzgern gegangen, bis sie, von den Würsten bis zum Rindfleisch, von allem das Beste hatte.
Der Brunsliteig, den wir auswallen, ist so brüchig, dass er allein vom Gewicht des Wallholzes, das hier aus Marmor ist, beinahe auseinander fällt. Zudem ist er vom vielen Zucker und der Schokolade so klebrig, dass ich bald nicht mehr weiss, was ich mit meinen Fingern anfassen darf. Ans Ausstechen mit den Blechformen erinnere ich mich aus meiner Kindheit. Auch daran, dass man ab und zu einen Rest Teig stibitzen kann, wenn Mutter beziehungsweise Frau Kaltenbach nicht hinschaut.
Die Mailänderli verarbeiten wir in Abwandlung des klassischen Rezepts nicht zu einzelnen Gebäckstücken, sondern zu einer Art Weihnachts-Linzer-Torte – mit üppig aufgetragener Konfitüre und mit Sternen als festlicher Dekoration.
Schnickschnack mag sie gar nicht
Marianne Kaltenbach lernte das Kochen, nachdem sie zum ersten Mal geheiratet hatte, vorerst als häusliche Pflicht. Als sie wegen einer Krankheit nach Menton am Mittelmeer zur Kur musste, bekam sie jedoch so gutes Essen vorgesetzt, dass sie sich beim Chefkoch nach den Rezepten erkundigte. Dieser war von der Fragerei nicht angetan: «Er hatte einen grossen Schnauz und schnauzte mich an. Als ich aber hartnäckig blieb, zeigte er mir sein bestes Kochbuch.»
Kaltenbach begann in der Küche zu experimentieren und erinnerte sich fortan an jede kleinste Änderung, die sie, ihrer Fantasie folgend, vorgenommen hatte. Trotzdem blieb sie ihrem Grundsatz treu, eine möglichst «reale Küche» zu beschreiben: «Ich mag keinen Schnickschnack.
Die Produkte müssen frisch sein, und die Geschmäcke der Zutaten sollen im Endprodukt unterscheidbar bleiben.»
Von einer Kochbuchautorin erwartet man, dass sie nicht nur Anleitungen zum Kochen gibt, sondern beweist, dass sie die Rezepte auch virtuos umsetzen kann. Darum hat sich Marianne Kaltenbach in den achtziger Jahren als Wirtin versucht. Zehn Jahre lang führte sie das Gasthaus Raben in der Luzerner Innenstadt. Dabei lernte sie, dass längst nicht alle Chefköche gewillt waren, ihre Rezepte eins zu eins nachzukochen. Von der Idee, ihre Gäste nach eigenen Vorstellungen zu verwöhnen, musste sie sich bald verabschieden. Als ihr Mann, für den die Gaststube des «Raben» ein zweites Zuhause gewesen war, starb, gab sie schliesslich auf.
Heute ist sie oft auf Reisen. Für Tourismusmagazine prüft sie Destinationen und Hotels: «Ich will nicht nur wissen, wie die Betten sind und wo die Stadtrundfahrt beginnt, sondern auch was es für kulinarische Spezialitäten gibt.» So hat sie vor kurzem für das Westschweizer Heft «Plaisirs Gastronomie» Rezepte aus Sri Lanka vor Ort gesammelt und hier veröffentlicht.
Die Brunsli sind unterdessen im Ofen, und wir müssen sie genau beobachten. Die Backzeit muss auf die Minute stimmen, damit die Guetsli aussen knusprig und innen weich sind. Für ihren Mann, der sehr genaue Erinnerungen an die Weihnachtsguetsli seiner Mutter hatte, musste Marianne Kaltenbach die Brunsli mehrmals verbessern, bis er zufrieden war.
Übrigens: Während das Gebäck auskühlt, serviert uns Marianne Kaltenbach eine Minestrone, die sie, so ganz nebenbei, zubereitet hat. Und zum Dessert ihre einzigartigen «Bristemer Birnen». Auf diese Rezepte möchte ich zu einem späteren Zeitpunkt unbedingt zurückkommen.