Die Postkarte, die Jacky Donatz als Souvenir an sein Lokal anbietet, zeugt von vergangenen Tagen: Sie zeigt als «schönste Aussicht von Zürich» ein herrliches Panorama von Stadt und See, das fast gänzlich durch Donatz’ mächtigen Bauch verdeckt wird. Den gibts jetzt nur noch auf Fotos. Donatz, bekannt für seine üppige Fleischküche, hat nach zwei Magenoperationen schwer abgenommen.

Ich darf Jacky Donatz heute als Stift zur Hand gehen. Die Mise en Place hat er im Restaurant machen lassen, es gibt also nichts mehr zu rüsten. Trotzdem muss ich mich konzentrieren, um keinen Fehler zu machen. Nicht, dass der Meister besonders schnell arbeiten würde, es sind die unerwarteten Tempowechsel, die mir zu schaffen machen. Eben hat er noch, ein Glas Wein in der Hand, über die Kunst des Repräsentierens philosophiert, schon hetzt er zur Bratpfanne, schüttelt sie zwei-, dreimal aus dem Handgelenk heraus, dass die Spargelspitzen nur so hüpfen, brüllt «Service!» über die Schulter und grinst, weil er mich auf dem falschen Fuss erwischt hat.

Dass sich Jacky Donatz in seiner Privatküche beobachten lässt, ist eine Premiere. Noch nie habe er Journalisten in seine Wohnung in Zollikerberg eingeladen. Seine Frau Regula bestätigt diese Exklusivität: «Jacky ist so selten zu Hause, da möchte ich ihn – wenn schon – für mich alleine haben.»

Wenn man im Restaurant Sonnenberg, dem Stammlokal des Fussballverbands Fifa, speist, kann es vorkommen, dass am Nebentisch Beckenbauer, Beckham oder Blatter sitzen. Die Stars lassen sich verwöhnen und freuen sich, wenn sich der Starkoch persönlich um sie kümmert. «Das ist das Pünktchen auf dem i», sagt Jacky Donatz. «Wenn ich mal ein Gericht eigenhändig serviere, sind die Gäste voll des Lobs, obwohl sie wissen, dass ich nicht jeden Teller selber zubereitet habe.»

Ein Gruss von einem fernen Planeten
Das Flair für die kulinarischen Belange hat der gebürtige Engadiner von einem Grossonkel, der Küchenchef war. Und von seinen Eltern. Der Vater war Zugführer bei der Rhätischen Bahn und brachte jeweils exotische Esswaren aus Chur nach Hause. Jacky Donatz erinnert sich an die erste Büchse Thon, die ihm wie ein Gruss von einem fernen Planeten vorkam. Die Mutter hingegen sei ganz einfach eine hervorragende Köchin gewesen. Heute ist sie 88 Jahre alt, und Donatz schwärmt von ihren Pizokel, die immer noch die besten der ganzen Welt seien.

Aber: Wie kommt der Engadiner überhaupt nach Zürich? Wann hat sich der Bergler für die Stadt entschieden? Donatz blättert in seinen Erinnerungen zurück ins Jahr 1959: «Ich kam an die Gartenausstellung G 59 und fuhr mit der neu gebauten Gondelbahn über das Seebecken. Es war wunderbar, und ich verliebte mich sofort in Zürich. Unverständlich, dass man dieses Wahrzeichen später abgerissen hat.»

Wer glaubt, ein Chefkoch esse auch privat nur vom Feinsten, irrt. «Schon als Kind liebte ich die einfachen Sachen, wie zum Beispiel knusprig gebratene, aufgewärmte Spaghetti.» Jacky Donatz gibt zu, dass er sich nach einem langen Arbeitstag durchaus erlaube, zu Hause eine Beutelsuppe zu essen «oder das, was der Kühlschrank halt so hergibt». Dabei kann er auf einen treuen Komplizen zählen: Seiko, der schwarze Labrador, schlabbert zuverlässig alles weg, was ihm vorgesetzt wird.

Das Osterlamm «böcklet» nur roh
Das Osterlamm, das uns heute vorgesetzt wird, riecht im rohen Zustand ziemlich streng. Jacky Donatz hat es vier Stunden lang bei Zimmertemperatur in der Küche gelagert. «Damit kommt der Eigengeruch zum Vorschein, der im Kühlschrank normalerweise verloren geht.» Was man im Volksmund als «böckle» bezeichnet, ist wahrlich nicht für jede Nase ein feiner Duft. Auch mir ist es recht, dass der Geruch des Fleisches durch das Garen deutlich unaufdringlicher wird.

Jacky Donatz steht beruflich vor einem ereignisreichen Jahr. Die Fifa feiert ihr 100-Jahr-Jubiläum. Das bedeutet für den Hauptsitz Zürich eine Vielzahl von Festivitäten. Klar, dass sich der Maître de Cuisine besondere Mühe geben wird, den hohen Ansprüchen zu genügen. Am 14. Mai ist der Anpfiff zum Jubiläumsjahr, dann wird der Grundstein für das neue «Home of Fifa» gelegt.

Die heutigen Gäste, Hugo Mauchle, ein langjähriger Mitarbeiter von Donatz, und seine Frau Manuela Mahnig, sind längst eingetroffen. Während wir in der Küche die Teller für den Hauptgang anrichten, probieren sie den Rotwein. Hugo Mauchle meint, er habe Zapfen, was Jacky Donatz veranlasst, seinem Gast ein neues Glas zu bringen, denn der Fremdgeruch komme manchmal von den Chemikalien in der Abwaschmaschine. Tatsächlich ist der Gast nach einer weiteren Kostprobe zufrieden. Wer möchte schon einem Donatz widersprechen?

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