Das Bild an der Wand in der Küche hat Geschichte. Es zierte das Cover von Andreas Vollenweiders Album «Dancing with the Lion» aus dem Jahr 1988. Der Musiker erinnert sich: «Wir hatten einen Tag vor der Abgabe immer noch keine Idee für den Umschlag. Da habe ich spontan mit einem chinesischen Kalligrafiepinsel diesen roten Kreis gemalt, der von einer schwarzen Linie durchquert wird. Das Bild ist ein Symbol fürs Leben: Du gelangst durch die Geburt in den roten Feuerkreis hinein, tanzt und verbrennst, und verlässt ihn beim Tod wieder. Was davor und danach passiert, weisst du nicht.»

Andreas Vollenweiders Leben spielt sich am Zürichsee ab, wo er mit seiner Frau und den drei Kindern lebt. Vor mehr als 20 Jahren hatte er das Glück, ein Haus direkt am Wasser kaufen zu können – mit eigenem Hafen. Wenn der See ruhig ist und der Musiker geschäftlich in Zürich zu tun hat, lädt er das Velo aufs Motorboot und legt 25 Minuten später am Bürkliplatz an.

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«Stundenlang ‹umegusle›»

Nächstens kommt die DVD «The Magical Journeys» mit fast vier Stunden Konzertausschnitten und Archivmaterial von Andreas Vollenweider auf den Markt. Zu Weihnachten ist zusätzlich eine neue CD geplant, für deren Abmischung er zurzeit fast rund um die Uhr im hauseigenen Studio sitzt. Da kommt ihm unser Kochtermin gelegen; Vollenweider lässt sich dafür gern ablenken. Dass ich ihm assistieren darf, sei aber eine Ausnahme, sagt er, denn er koche normalerweise allein – und sehr lange: «Zum Geburtstag schenke ich mir jeweils einen Kochtag. Ich gehe am frühen Morgen auf den Markt und bin dann stundenlang in der Küche am ‹Umegusle›.»

Wir werden heute zwei Loup de mer im Salzmantel backen. Bei Vollenweiders kommt jedoch nicht immer Meerfisch auf den Tisch. Früher ging der Vater mit seinen Kindern sogar oft auf dem Zürisee fischen: «Wir fuhren am frühen Morgen hinaus und kamen mit bis zu 40 Egli zurück. Während die Kinder dann brav zur Schule gingen, war ich mit Filetieren beschäftigt.»

Die wichtigsten Werkzeuge des Harfenisten sind die Hände: Vollenweiders Art, in die Saiten zu greifen, ist einzigartig, seine Musik ging um die Welt. Im Umgang mit Gemüse kann er aber auch gröber zugreifen: Mit blosser Hand quetscht er den Saft aus den Tomaten, mit der flachen Hand zerdrückt er den Knoblauch. Dabei schmunzelt er: «Ich bin ein friedlicher Mensch. Meine Wut lasse ich lieber am Food aus als an den Mitmenschen.»

Der temperamentvolle Koch zeigt sogar Spuren von Ungeduld. Als ich das Salz für den Fischmantel vorsichtig mit dem Eiweiss mische, stichelt er: «So wirst du nie fertig, Herr Koller.» Dann wirds für einen Moment hektisch: Vollenweider will die Bratpfanne, die vom Herd herunterzufallen droht, mit blossen Händen auffangen und verbrennt sich am Daumen – Glück im Unglück, dass er in den nächsten Tagen kein Konzert geben muss.

Ich übernehme das Gemüserüsten für das Ratatouille. Der Gastgeber füllt die Bäuche der Fische mit Kräutern, Zitrone und Knoblauch. Der Loup de mer im Salzmantel ist ein Gericht, das auf den ersten Blick aufwändig erscheint, dessen Zubereitung aber einfach ist. «Es braucht recht viel Salz, aber wir schütten es nicht ins Abwasser, denn da ist Salz bekanntlich ein Problem», sagt Vollenweider, während er die beiden gefüllten Fische in 69er-Position auf ein Salzbett legt, sie zudeckt und in den Ofen schiebt. «Wer weiss, was die beiden da drinnen miteinander treiben», fantasiert er.

Ein Raddampfer als Kulisse

Unterdessen ist seine Frau Beata, die eine Teilzeitstelle als Kindergärtnerin hat, nach Hause gekommen. Die Wetterstimmungen über dem See wechseln im Zehnminutentakt. Eben hat es noch gegossen wie aus Kübeln, schon sieht man wieder bis ans gegenüberliegende Ufer hinüber. Wir diskutieren, ob wir auf dem Balkon oder drinnen essen sollen. Andreas Vollenweider bevorzugt die frische Luft, während seine Frau es draussen zu kühl findet. Wir entscheiden, den ersten Gang auf dem Balkon zu servieren. Nach ein paar Minuten jedoch gibt die Witterung Beata recht und wir müssen das Mittagessen an der Wärme fortführen.

Das Aufbrechen der Salzkruste erfordert handwerkliches Geschick und geeignetes Werkzeug. Das feine Rüstmesser, das Vollenweider ansetzt, ist zu schwach. Jetzt hämmert er mit einem Fleischklopfer am unteren Rand leicht gegen die Kruste. Nun lässt sich der obere Teil einfach abheben. Die Fische duften verführerisch und ergänzen sich mit dem Ratatouille zu einem leichten mediterranen Mahl. Wir sitzen am Schermen, während draussen die «Stadt Rapperswil» vorbeistampft, einer der beiden letzten Zürisee-Raddampfer.


Rezepte

Die bisher im Beobachter erschienenen Artikel von Röbi Koller samt den dazugehörigen Rezepten finden Sie hier.

Quelle: Ursula Meisser