Gewohnt, die Suppe auszulöffeln
Daniel Eckmann, der stellvertretende Generaldirektor der SRG, kocht so, wie er auch kommuniziert. Er weiss zu jedem Zeitpunkt, was zu tun ist.
Veröffentlicht am 4. Juli 2005 - 17:37 Uhr
Der Anblick irritiert. Daniel Eckmann steht im Entree seiner Wohnung und telefoniert. Es ist aber nicht das Handy, das Fragen aufwirft, sondern Eckmanns Tenü. Trägt der Mann tatsächlich auch im Privatleben Anzug und Krawatte?
Nun, Daniel Eckmann ist vor wenigen Minuten nach Hause gekommen und hat noch keine Zeit gehabt, sich umzuziehen. Klar, dass er für uns im Freizeitlook seine Fischsuppe kochen wird: «Ich arbeite meistens lange. Aber wenn ich in der Küche stehe, schalte ich total ab. Das Essen soll der Schlusspunkt des Tages sein.»
Der stellvertretende Generaldirektor der SRG ist nicht zum ersten Mal in einem Amt, das höchste Präsenz fordert. Ob als Pressesprecher von Peter Schellenberg beim Schweizer Fernsehen, als Kaspar Villigers Medienverantwortlicher im Militär- und später Finanzdepartement oder jetzt als Nummer zwei hinter, unter oder neben Armin Walpen: Zu jeder Zeit wollte er der Aktualität einen Denkschritt voraus sein. Immer mussten Strategien geschickt formuliert und Informationen zur richtigen Zeit ans richtige Ziel gegeben werden.
Boxen ist eine gute Lebensschule
Eckmann offeriert mir ein Bier, denn: «Kochen, ohne zu trinken, macht nur halb so viel Spass!» Tagsüber konsumiere er keinen Alkohol. Der ehemalige Spitzenhandballer hat mit 55 eine beneidenswert gute Figur und trägt noch die gleiche Kleidergrösse wie in seiner Jugend. «Nicht, dass ich mich zurückhalten müsste, aber das Essen kommt tagsüber meist zu kurz. Am Morgen bin ich früh im Büro, dann arbeite ich durch, bei Kaffee und Wasser.»
Fürs heutige Abendessen hat Daniel Eckmann so viel eingekauft, dass man meinen könnte, er erwarte weitere Gäste. «Ich koche ein Menü zweimal. Zuerst beim Einkaufen – im Kopf –, später in der Küche. Die genauen Dosierungen schätze ich ab, wenn ich die Zutaten in den Topf gebe.»
In der kleinen Dachwohnung in der Berner Elfenau lebt Daniel Eckmann seit der Trennung von seiner Familie – alleine. An einer Wand hängt ein Bild des Künstlers Rolf Iseli, der für die Berner «Boxing Days» eine eigenwillige Bildsprache wählte. Eckmann, ein begeisterter Hobbyboxer, reserviert jeden Samstagmorgen für das Training. Die Sportart ist in Bern fest verankert, im Klub seien Banker genauso anzutreffen wie Studenten, Handwerker oder Arbeitslose. «Aber das Schöne ist: Im Ring sind alle gleich.»
Boxen biete umfassendes Training. Spannend sei das Verhältnis zwischen Stärkeren und Schwächeren, Angriff und Verteidigung. «Boxen hat mit Respekt zu tun. Man kämpft nicht gegeneinander, sondern miteinander. Das sagt alles.»
Auch im Beruf den Kopf hingehalten
Um seinen grossen Bewegungsdrang zu befriedigen, joggt Eckmann am Sonntag zusätzlich 10 bis 15 Kilometer. Und er fährt, wenn immer möglich, mit dem Velo zur Arbeit, «zur Belustigung der Kollegen. Oft steige ich zu Fuss ins Büro im 12. Stock des SRG-Hochhauses, dem Arbeitsplatz mit der wohl schönsten Aussicht der Stadt.»
Die Suppe hat vom Safran eine satte gelbe Farbe bekommen. Daniel Eckmann schmeckt sie ab und probiert. «Probieren gehört beim Kochen dazu. Wer das Gegenteil behauptet, ist bloss rechthaberisch.» Der Kommunikationsprofi spricht Klartext. Er hat im Sport gelernt, Angriffe vorauszusehen, um sie abzuwehren, bevor sie überhaupt kommen. Als Goalie der Handballnationalmannschaft musste er diese Verantwortung in jedem seiner 90 Länderspiele übernehmen, im Wissen, dass hinter ihm nichts als die weisse Linie war.
Im Beruf musste Daniel Eckmann oft den Kopf hinhalten, wenn etwas schief gelaufen war. «Wenn alles okay ist, holen die Politiker die Lorbeeren selber!» Trotzdem störte ihn die Rolle als Nummer zwei nicht. Wichtiger war jene als Sparringspartner: «Bevor Entscheide gefällt werden, muss man unbequeme Fragen stellen, Pros und Kontras abwägen, andere Pisten ausloten. Das setzt ein enges Vertrauensverhältnis voraus. Und dieses war jeweils gegeben.»
Der Wechsel vom Bundeshaus zur SRG scheint ihm nicht schwer gefallen zu sein – auch wenn er heute weniger in der Öffentlichkeit steht. Er erzählt von struben Zeiten, etwa als es um die Beteiligung des Bundes an der Swissair ging. «Da musste ich ständig Red und Antwort stehen. Das hat, Gott sei Dank, nachgelassen.» Und heute? «Der neue Job verbindet Management mit Kommunikation, Recht und Strategie. Das fordert mich noch mehr, passt aber zu meinem bisherigen Weg.»
Während der Vorspeise klären wir Details des Fischsuppenrezepts. Die Mengen sind weniger problematisch als die Zeiten. «Ob das Gemüse gar oder knackig sein soll, ist Glaubenssache. Die Kochzeit der Suppe hängt davon ab, wie viel man sich während der Vorspeise zu erzählen hat.»
Nach dieser Eckmannschen Faustregel wird das Gemüse heute eher weich sein. Viel wichtiger ist die Kombination der Geschmäcker: Gemüse, Safran und Fisch ergeben einen ausgezeichneten Mix.