Duell im Wohnwagen
Frithjof und Marion Gasser sind mit ihrem kulinarischen Variété «Clowns & Kalorien» immer auf Achse. Für den Beobachter geben sie eine Sondervorstellung.
Veröffentlicht am 26. Oktober 2004 - 12:35 Uhr
Den Wagenpark von «Clowns & Kalorien» finden wir an diesem klaren Herbsttag am Rande von Chur, umrahmt von hohen Bergketten, eingebettet ins Rauschen der nahen Autobahn. Die Hauptdarsteller der heutigen Sondervorstellung «Kochduell» sind Marion und Frithjof Gasser. Frithjof wird uns ein Coq au Vin zubereiten, Marion konzentriert sich auf Beilagen und Dekoration.
Der Name Gasser ist in Zirkuskreisen bekannt. Zur Familie gehören, als jeweils unabhängige Unternehmen, die Zirkusse Royal, Conelli und Liliput, das Conny-Land in Lipperswil und seit fünf Jahren das Variété «Clowns & Kalorien», dessen Erfindung eine Verlegenheitslösung war. Gassers erweiterten die ursprüngliche Idee eines abendfüllenden Clownprogramms, als sie merkten, «dass mehr Geld liegen bleibt, wenn man statt Glace und Popcorn richtiges Essen verkauft».
Das Projekt begann ziemlich abenteuerlich und improvisiert. Marion Gasser erinnert sich: «Umliegende Beizen liehen uns ihr Geschirr, die ersten eigenen Teller kauften wir bei Ikea. Und da wir keinen Geschirrspüler hatten, wurde es jeweils vier Uhr morgens, bis alles sauber war.»
Frithjof Gasser, zweitältester Sohn der Royals, spielte im familieneigenen Zirkus jahrelang den «August», bot aber daneben auch akrobatische Nummern, jonglierte oder sprang auf dem Trampolin. Letzteres tat er nicht sonderlich gerne, «denn da musste man viel mehr trainieren als für die Clownnummer». Auch heute ist er für den witzigen Teil der Show verantwortlich, trägt aber nach wie vor keine rote Nase, sondern versucht, die Menschen mit feinem Humor zu erheitern.
Da dem Publikum zum Viergangmenü eine ausgewachsene Show geboten wird, muss Küchenchefin Marion Gasser jeweils für eine Balletteinlage vom Herd weg auf die Bühne pressieren. Dieses Zwischenspiel fällt bei unserem privaten Zmittag aus. Wir haben genug Zeit, uns über das Leben «on the road» zu unterhalten.
Frithjof Gasser hat seine Frau im Zirkus kennen gelernt, als sie im «Royal» in der Mannschaftsküche arbeitete. Marion verliebte sich in den jungen Frithjof. An ihm habe ihr gefallen, dass er mit beiden Händen anpacken konnte und eine Superfigur hatte. «Zudem war er nicht tagelang beleidigt, wenn ich mal mit ihm schimpfte. Ein Macho von der Sorte, die man in der Stadt nur noch selten sieht.»
«Dann fliegen die Fetzen»
Laut Frithjof hat sich das Kräfteverhältnis während ihrer Beziehung, die immerhin schon 23 Jahre dauert, verändert. Heute sei es so, dass Marion den Ton angebe. Ein Schmunzeln, ein kurzer Blickwechsel, dann die offizielle, von beiden abgesegnete Version: «Zwischen uns gibts ab und zu Konflikte. Und dann fliegen die Fetzen – oder auch mal das Geschirr!»
Trotz den gelegentlichen Spannungen sind sich die beiden treu geblieben. Und es scheint, als würde die Familientradition weitergeführt: Domino, der älteste Sohn, steht mit seinen 18 Jahren bereits auf der Bühne und amtet als Ansager des Variétéprogramms.
Unser Kochzirkel wird durch die beiden jüngeren Kinder, Merlin, 8, und Ginger, 5, unterbrochen. Sie erscheinen in der Tür des Wohnwagens und fragen nach den Badehosen, denn sie wollen ins Hallenbad. Auch der Sennenhund Schlappi streckt kurz seine Schnauze herein, wird aber von Frithjof mit deutlichen Worten hinauskomplimentiert.
Frithjof Gasser geht an Krücken, nachdem er sich bei einem Arbeitsunfall den Fuss schwer verletzt hat. Obwohl ihn der Arzt für weitere drei Monate krankgeschrieben hat, steht er bereits wieder auf der Bühne, ist aber, was die Arbeit hinter den Kulissen angeht, stark eingeschränkt. In der Küche erweist er sich als lockerer und improvisationsfreudiger Cuisinier. Gewürze und Wein gibt er nach eigenem Gutdünken in die Pfanne, nach präzisen Mengenangaben fragt man vergeblich.
Marion hingegen, die abends immer für 100 oder mehr Gäste kocht, ist es gewohnt, sowohl die Zutaten wie die Abläufe minutiös vorzubereiten. Bei der Dekoration jedoch lässt sie ihrer Fantasie freien Lauf. Denn es ist der Stolz der ehemaligen Augenoptikerin, die Teller reich verziert auf den Tisch zu bringen. Pro Vorstellung verbraucht sie dafür nicht weniger als 1200 Rosen, beschränkt sich aber an ihrem heutigen freien Tag auf Holzblumen und Scheiben von Feigen und Rüebli.
Das Coq au Vin, das fast von selbst vom Knochen fällt, ist nicht das einzige Fleischgericht, das Frithjof Gasser liebt. Er schwärmt von einem panierten Schweinskotelett im Restaurant Krone in Bad Ragaz. Dort müsse er jedes Mal hin, wenn sie ihre Zelte in der Nähe aufgeschlagen hätten: «Das Kotelett ist nach österreichischer Tradition gebraten, mit viel Butter und einer dicken Schicht Paniermehl. Ungesund vielleicht – aber sehr fein.»
Der Charme eines Opernhauses
Während des Essens in der Stube des Wohnwagens klingelt das Handy immer wieder. Die Nummer für den Billettverkauf führt direkt zum Chef, der die Tickets für die kommenden zwei Monate des Gastspiels in Winterthur äusserst charmant an den Mann und an die Frau bringt.
Der 50-jährige Wohnwagen von Marion und Frithjof Gasser hat übrigens einen Charme, den viele moderne Zirkusfahrzeuge vermissen lassen. Das war auch ein Teil des Konzepts von «Clowns & Kalorien». Gassers wollten das Ambiente mit Holz, Plüsch und Kronleuchtern so herrichten, dass es etwas an ein Opernhaus erinnert. Bei der Materialwahl war eines von vornherein klar: «Kein Plastik!»