Die Küche als Chemiekasten
In jedem Kochrezept stecken Chemie und Physik. Deshalb können Kinder in der Küche viel lernen – nicht nur für die Schule, sondern auch fürs Leben.
Veröffentlicht am 8. April 2009 - 17:32 Uhr
Warum geht Hefeteig auf? Wieso wird ein angeschnittener Apfel braun? Im Normalfall macht man sich nicht viele Gedanken darüber – man findet höchstens, dass der Apfel unappetitlich aussieht. Dabei wäre es eigentlich spannend zu wissen, was da dahintersteckt. Und: Gerade für Kinder sind Experimente in der Küche ein guter Einstieg in die Welt der Lebensmittel und des Genusses.
Erste Erfahrungen mit Küchenchemie können Kinder im Technorama in Winterthur machen. Jeweils am Nachmittag ist das Küchenlabor ohne Anmeldung zugänglich. Ein einfaches Experiment zeigt etwa, dass Zitronensaft angeschnittene Äpfel vor dem Braunwerden bewahrt. Natürlich gibts auch die Erklärung dazu: Ein Schnitt zerstört Zellen. So geraten Stoffe aneinander, die zuvor getrennt waren: Es findet eine chemische Reaktion statt, sichtbar als Bräunung. Die Säure im Zitronensaft hemmt diese.
Highlight im Küchenlabor ist ein Vulkan, der dank einfachen Küchenchemikalien wie Flüssigseife, Zitronensäure, Natron und Lebensmittelfarbe ganz prächtig Lava spuckt. «Hier bietet sich die Möglichkeit, auch ganz junge Besucher mit Chemie in Kontakt zu bringen», sagt Heike Windler, Leiterin des Küchenlabors. Zusätzlich zum Standardprogramm bietet das Technorama auch Workshops an, die ganz besondere Erlebnisse vermitteln: Schokolade aus Kakaobohnen selber herstellen beispielsweise oder Speiseeis mit Hilfe von flüssigem Stickstoff zubereiten.
Inspiriert wurde das Küchenlabor-Team des Technoramas durch den deutschen Chemiker Georg Schwedt. Er gilt als Ur-vater der Küchenexperimente. Anfang der neunziger Jahre führte er das Genre an der Technischen Universität in Clausthal ein. Quasi als Werbegag, wie er erzählt: «Uns fehlten die Studenten – und dank dem ‹Supermarkt-Labor› konnten wir sie wieder für die Chemie begeistern.» Mittlerweile ist Schwedt emeritiert. Doch er versucht weiterhin, Menschen – vor allem Kindern – die Natur und das Kochen durch die Chemie näherzubringen. Er hat mitgewirkt bei der Gründung von mittlerweile unzähligen Küchenlabors in Deutschland.
Dort hat es Schwedts Idee sogar ins Museum geschafft: Die «Experimentier-Küche» im Deutschen Museum Bonn lädt regelmässig zu unterhaltsamen Chemieabenteuern. Die Küchenlabors werden gemäss Schwedt nicht nur von den Kindern und Jugendlichen geschätzt. Nachfrage besteht vor allem bei den Lehrern: Sie können Kindern so auf sehr praxisnahe Art Chemie näherbringen. Und: Es braucht keine chemischen Sonderstoffe für den Unterricht, sondern nur Produkte aus dem Supermarkt.
Genau darum eignen sich Küchenexperimente auch für die Heimanwendung. Meist wird mit ungiftigen Zutaten experimentiert, die in jedem Vorratsschrank zu finden sind. Und natürlich machen Küchenexperimente nicht nur kleine Chemiker aus den Kindern – sie sensibilisieren auch für die Themen Kochen und Essen. Heike Windler vom Küchenlabor im Technorama ist überzeugt: «Wenn Kinder sich praktisch mit Lebensmitteln auseinandersetzen, erhalten sie einen Bezug dazu.»
Du brauchst: 1 Apfel, 1 Teller, 1 Päckchen Backpulver
Zeit: etwa eine Woche
- Schneide zwei gleich grosse Apfelscheiben ab und lege sie auf einen Teller. Die eine Scheibe wälzt du ausgiebig in Backpulver. Die andere bleibt, wie sie ist.
- Stelle den Teller zur Seite und warte eine Woche. Wälze während dieser Zeit das eine Stück hin und wieder nochmals in Backpulver.
- Nach einer Woche wirst du sehen: Das mit Backpulver behandelte Stück ist getrocknet und konserviert, das andere ist vergammelt.
Was passiert? Backpulver besteht unter anderem aus Natron. Das entzieht dem Obst Flüssigkeit. So wird die Apfelscheibe getrocknet und ist danach fast unbegrenzt haltbar. Diesen Trick kannten auch die Ägypter: Sie legten die Toten in Natron ein. So wurden sie mumifiziert.
Du brauchst: 1 Glas, 1 rohes Ei
- Nimm das Glas und fülle es mit Wasser.
- Gib dann vorsichtig das Ei hinein.
Auswertung: Bleibt das Ei fast flach am Boden des Glases liegen, ist es frisch. Steht es aufrecht, ist es älter. Wenn es an der Oberfläche treibt, ist es so alt, dass man es nicht mehr essen sollte.
Warum steigen alte Eier im Wasser auf? Durch kleine Porenin der Schale verdunstet allmählich Wasser im Innern des Eis. Zugleich dringt Luft ins Innere. Diese sammelt sich unter dem flachen Ende des Eis in einer Kammer. Weil Luft leichter ist als Wasser, zieht sie das Ei nach oben.
Wenn das Ei gekocht ist, kannst du auch beim Schälen feststellen, ob es frisch oder schon älter ist. Die Schale lässt sichvon einem frischen Ei viel schwerer ablösen. Manchmal hängt sie so fest, dass ganze Stücke vom Ei mit abreissen.
Du brauchst: 1 gekochtes Ei, 1 rohes
- Leg das gekochte Ei auf den Tisch und drehe es mit etwas Schwung.
- Versuch nun dasselbe mit dem rohen Ei.
Was ist zu sehen? Das gekochte Ei dreht sich gleichmässig und schnell. Das rohe Ei dreht sich wesentlich langsamer und eiert dabei im wahrsten Sinne des Wortes. Die Erklärung dafür ist der unterschiedliche Inhalt. Das gekochte Ei enthält einefeste Masse, das rohe eine flüssige.
Die flüssige Masse lässt sich aus physikalischen Gründen nur schwer in Bewegung bringen. Sie ist ziemlich träge. Die feste, kompakte Masse dagegen ist leichter in Schwung zu bringen.
Für zwei grosse und zwei kleine Esser brauchst du: 6 Eier, 3 Deziliter Milch, 225 Gramm Mehl, 1⁄2 Teelöffel Salz, 6 Teelöffel Butter. Magst du es süss? Dann brauchst du noch zusätzlich: 1 Teelöffel Natur-Rohrzucker, Mark einer Vanilleschote
- Nimm eine grosse Rührschüssel. Klopfe ein Ei nach dem anderen am Rand der Schüssel auf, teile die Schale vorsichtig mit den Fingern und lass das Ei in die Schüssel gleiten. Dann giesst du die Milch dazu und verquirlst sie gut mit den Eiern.
- Je nachdem nun Vanillemark und Zucker unterrühren.
- Damit der Teig keine Klümpchen bildet, solltest du das Mehl nach und nach in Mengen von 1 Esslöffel in die Schüssel geben und zwischendurch immer alles sehr gut verrühren.
- Als Nächstes erhitzt du etwas Butter in der Pfanne. Dann kannst du mit einem Schöpflöffel gerade genug Teig in die Pfanne geben, dass der Boden bedeckt ist. Lass den Teig für ein paar Minuten in der Pfanne ausbacken. Mit einer flachen Kelle kannst du den Pfannkuchen vorsichtig etwas hochheben und nachsehen, ob er schon braun wird.
- Wenn er braun ist, lässt du den Pfannkuchen auf einen Teller gleiten und stülpst die Pfanne darüber. Aber pass auf, dass du dich dabei nicht verbrennst. Dreh die Pfanne mit dem Teller zusammen um, und schon kannst du die zweite Seite des Pfannkuchens ausbacken. So kannst du weitermachen, bis der ganze Teig aufgebraucht ist. Insgesamt sollte die Menge etwa sechs Pfannkuchen ergeben.
Du brauchst: 1 leeres Gurken- oder Konfitüreglas mit Schraubdeckel, 1 Teelöffel Zucker, 1 halben, frischen Backhefewürfel oder 1 Päckchen Trockenhefe
Zeit: einen halben Tag
- Du füllst das Glas zu drei Vierteln mit Wasser und gibst einen Teelöffel Zucker hinzu.
- Dann löst du den halben Backhefewürfel in der Wasser-Zucker-Mischung auf. Du kannst statt frischer Hefe auch ein Päckchen Trockenhefe nehmen. Verschliess das Glas mit dem Deckel und lass es einen halben Tag stehen.
- Ist die Wartezeit abgelaufen, nimm ein langes Streichholz und zünde es an, bevor du das Glas öffnest. Am besten, ihr macht den Versuch zu zweit, dann kann sich einer um das Streichholz kümmern, der andere schraubt den Deckel auf. Sowie das Glas offen ist, hältst du das brennende Streichholz hinein (nicht ins Wasser, sondern darüber). Die Flamme wird erstickt.
Das steckt dahinter: Die Blasen in einem Hefeteig sind nicht mit Luft gefüllt, sondern mit Kohlendioxid. Es entsteht, wenn sich Hefebakterien über den Zucker hermachen. Mit dem brennenden Streichholz, das erlöscht, kann man das Kohlendioxid nachweisen: Dieses verdrängt den Sauerstoff, der zur Verbrennung nötig ist. Die Flamme kann nicht mehr «atmen». Genauso geht es Menschen, wenn sie in einer Umgebung sind, in der die Kohlendioxidkonzentration in der Luft sehr hoch ist.
Für ein Blech Pizza brauchst du: 400 Gramm Weizenmehl, 30 Gramm frische Hefe, 2,5 Deziliter lauwarmes Wasser, 10 Esslöffel Olivenöl, 1 Teelöffel Salz
Zutaten zum Belegen: Tomatensauce, Mozzarella, Schinken, Salami, Oliven, Pilze und alles andere, was das Herz begehrt
Ausserdem brauchst du: 1 grosse Schüssel, 1 Küchentuch, 1 Backblech, 1 Stück Backpapier, 1 Wallholz
- Zuerst gibst du das Mehl in eine grosse Schüssel und formst eine Mulde in der Mitte. Dann bröselst du die Hefe in die Mulde und schüttest vorsichtig etwas lauwarmes Wasser dazu. Löse die Hefe durch Rühren im Wasser auf, aber pass auf, dass du dabei nicht zu viel Mehl mit hineinrührst. Das gibt sonst Klümpchen. Gib nach und nach immer wieder etwas Wasser dazu, bis die Hefe ganz aufgelöst ist. Jetzt lässt du alles erst mal 30 Minuten stehen. Dann giesst du das Olivenöl und das Salz ins Hefewasser.
- Nun kannst du damit beginnen, alles zu einem glatten Teig zu verkneten. Der Teig sollte am Ende nicht zu klebrig sein. Ist er es doch, arbeite einfach noch etwas Mehl hinein. Decke nun die Schüssel mit einem feuchten Geschirrtuch ab. Bei Zimmertemperatur muss der Teig jetzt eine Stunde ruhen.
- In der Zwischenzeit kannst du schon einmal das Backblech mit Backpapier belegen und kurz vor Ablauf der Stunde den Ofen auf 210 Grad vorheizen.
- Wenn du zwischendurch mal unter das Geschirrtuch schaust, kannst du sehen, dass die Teigkugel grösser geworden ist. Die Hefe ist durch die Wärme und die Ruhezeit aufgegangen und hat den Teig wachsen lassen. Jetzt kannst du den Teig noch einmal durchkneten und dann auf dem Backblech einen halben Zentimeter dick auswallen. Sobald du ihn mit all deinen Lieblingszutaten belegt hast, kannst du die Pizza im vorgeheizten Ofen auf der mittleren Schiene für 10 bis 12 Minuten backen.
Du brauchst: Eiswürfel, 1 grosse Schüssel, 1 kleine Schüssel, am besten aus Metall, 1 Teelöffel, 4 bis 5 Esslöffel Salz, 1 Hammer, 1 Geschirrhandtuch, Fruchtsaft, Kakao, Joghurt oder Speiseeismischung
- Zerkleinere die Eiswürfel, indem du sie ins Handtuch packst und – bitte sehr vorsichtig! – mit einem Hammer auf einem Küchenbrett zerschlägst. Fülle die Eisstückchen in die grosse Schüssel.
- Streue viel Salz auf das Eis und vermische beides.
- In die Mischung stellst du nun die kleinere Schüssel, so dass sie möglichst tief im Eis sitzt.
- Gib nun den Rohstoff für deine Glace in die kleine Schüssel. Dann musst du rühren, ohne dass salziges Eiswasser in die kleine Schüssel schwappt – bis die Mischung gefroren ist. Das kann gut 15 Minuten dauern, je nach Menge. Wenn du immer gut rührst, hältst du die Masse cremig, sonst bilden sich Eiskristalle in der Glace.
Was passiert? Sobald du Salz zum Eis gibst, sinkt die Temperatur schnell. Die kleine Schüssel wird stark abgekühlt, und die Masse darin beginnt zu gefrieren. Gefrorenes Wasser und Salz ergeben zusammen eine sogenannte «Kältemischung». Diese wird von selbst kälter, ohne dass von aussen Energie zugeführt werden muss.
Der Grund: Für das Auflösen des Salzes und das Schmelzen des Eises ist Energie notwendig. Diese wird in Form von Wärme der Umgebung entnommen, also hier auch der kleinen Schüssel. Und wenn Wärme entzogen wird, heisst das automatisch, dass alles rundherum kälter wird.
Quellen
Die Experimente und Rezepte stammen aus folgenden Büchern:
Nr. 1: Ulrike Berger: «Die Küchen-Werkstatt. Spannende Experimente mit Zucker, Salz und Co.»; Velber-Verlag, 48 Seiten, CHF 18.90
Nr. 2, Nr. 4, Pfannkuchen-Rezept, Pizza-Rezept: «Schlau kochen»; Umschau-Verlag, ab Ende April 2009, 256 Seiten, 42 CHF
Nr. 3: Sonja Floto-Stammen: «Von Kakaokühen und Rülpsbakterien. Das grosse Lebensmittel-Sach- und -Machbuch für Kinder»; Moses-Verlag, 144 Seiten, CHF 23.90
Nr. 5: Joachim Hecker: «Der Kinder-Brockhaus – Experimente. Den Naturwissenschaften auf der Spur»; Brockhaus-Verlag, 192 Seiten, CHF 27.40