Antwort von Koni Rohner, Psychotherapeut FSP:

Wenn Ihr Sexualleben beiden Partnern Freude macht, kann ich erst einmal Entwarnung geben. Denn dass das «Laster» Ihres Partners Suchtcharakter hat, kann man mit grosser Sicherheit ausschliessen. Aber der Konsum von Pornographie kann sich unter Umständen tatsächlich zu einer sogenannten Verhaltenssucht (im Unterschied zu einer Drogensucht) entwickeln. Ihr Freund hat seinerseits auch recht, wenn er Pornographiekonsum als normal bezeichnet. Nicht normal im Sinne von wünschbar oder ideal, aber normal im Sinne von durchschnittlich. Produktion und Vertrieb von Pornographie sind ein Milliardengeschäft. Es wird heute hauptsächlich übers Internet abgewickelt, weil dies einen diskreten Zugang ermöglicht. Der Konsument muss sich nicht mehr in einem Sexshop oder einem Sexkino zeigen. Im Erwachsenenalter sind es mehrheitlich Männer, die Pornos konsumieren. Ob und wie gefährlich oder schädigend das ist, darüber streiten sich Laien und Fachleute.

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Kein Partner kann alles erfüllen

Andere Kulturen taten sich mit der Darstellung von Sexualität weniger schwer. Man findet prähistorische Steinfiguren mit übergrossen Geschlechtsorganen, und jeder kennt die Kamasutra-Liebespaare am indischen Khajuraho-Tempel, die vor 1000 Jahren so freizügig gestaltet wurden und sich freudvoll vereinigen.

Menschliche Sexualität ist auch heute noch vielschichtig und lebendig. Und keine Partnerschaft kann alle sexuellen Wünsche und Phantasien beider Partner jahrzehntelang erfüllen. Schon immer füllte Selbstbefriedigung Selbstbefriedigung «Warum onaniert mein Mann?» diese Lücke. Wie Nancy Friday mit ihren Büchern in den 90ern zeigte, haben auch Frauen unkonventionelle und reiche sexuelle Phantasien. Gelegentlicher Pornokonsum kann die gleiche Funktion erfüllen. Beides gehört zur Privatsphäre des Einzelnen und kann als Ergänzung mithelfen, die partnerschaftliche Sexualität zu beleben. Manche Menschen halten Pornofilme aber für abstossend, entwürdigend oder unmoralisch. Man soll daher niemanden zum Konsum überreden.

Schaden kann Pornokonsum auf zwei Wegen. Es kann sich eine Sucht entwickeln, was man daran erkennt, dass man sich nicht mehr frei fühlt, darauf zu verzichten, andere Lebensbereiche vernachlässigt oder sich finanziell schädigt. Psychisch gesunde Menschen verwechseln Pornographie nicht mit der Realität. Sie wissen, dass dies inszenierte Phantasien sind, und kommen nicht auf die Idee, im richtigen Leben dasselbe zu erwarten. Genauso wie wir auch andere Filme nicht einfach für bare Münze nehmen. Aber die bequeme Art, Sexualität vor den virtuellen Figuren am Bildschirm auszuleben, kann dazu führen, dass jemand verlernt, sich im realen Leben auf erotische Begegnungen einzulassen.

Thesen zur Pornographie
  • Freude an Pornographie ist weder eine Schwäche noch Zeichen eines schlechten Charakters.
  • Hin und wieder Pornographie zu konsumieren ist ebenso normal und verbreitet, wie sich sexuellen Phantasien hinzugeben.
  • Ablehnung von Pornographie muss trotzdem unbedingt respektiert werden: nicht versuchen, die Partnerin oder den Partner zum Konsum zu überreden. Und nicht mit Geständnissen des eigenen Konsums belasten.
  • Pornographie kann das Sexualleben bereichern. Es gibt Paare, die gemeinsam erotische Filme anschauen.
  • Wird Pornographiekonsum zur Sucht, braucht man therapeutische Hilfe.
  • Wenn man die Fähigkeit verliert, im realen Leben erotische Beziehungen mit sexueller Begegnung aufzubauen, benötigt man ebenfalls Psychotherapie.
Buchtipps
  • Nancy Friday: «Befreiung zur Lust. Frauen und ihre sexuellen Phantasien»; Goldmann-Verlag, 1993
  • Nancy Friday: «Die sexuellen Phantasien der Männer»; Rowohlt-Verlag, 1993