Die zweite Trotzphase
Wenn pubertierende Mädchen und Jungen Regeln nicht befolgen, hat das viel mit dem Führungsstil der Erwachsenen zu tun. Wie muss der aussehen?
Veröffentlicht am 11. Oktober 2011 - 09:22 Uhr
Lena verweigert alles, jede noch so kleine Anweisung der Eltern. Sie lamentiert lauthals oder zieht sich schmollend zurück. Die 14-Jährige lehnt sich einfach gegen alles auf. Ihren Eltern reicht die Erklärung «Lena ist halt in der Pubertät» nicht mehr. Zu Recht. Geduld und Verständnis sind zwar wichtig und hilfreich im Umgang mit Teenagern. Dennoch darf sich keine Gleichgültigkeit gegenüber ihrem Verhalten einschleichen; Lena würde sich sonst in ihrem Gebaren bestätigt fühlen und sich nicht so weiterentwickeln, wie es für einen jungen Menschen sinnvoll und wünschenswert ist.
«Jugend will, dass man ihr befiehlt, damit sie die Möglichkeit hat, nicht zu gehorchen» – Jean-Paul Sartre brachte es auf den Punkt: Es braucht Erwachsene, die den Jugendlichen Regeln vermitteln, Grenzen setzen. Und es ist genauso notwendig, dass sich die Jugendlichen widersetzen dürfen. Denn sie müssen ihren Aktionsraum vergrössern, um sich weiterzuentwickeln. Sie testen also die ihnen gesetzten Grenzen aus und überschreiten sie auch mal. Nicht umsonst wird die Pubertät auch als zweite Trotzphase bezeichnet.
Was aber braucht es, damit sich Teenager an Regeln halten und Anweisungen von Eltern, Lehrern und anderen Autoritätspersonen befolgen? Grundsätzlich anerkennen Kinder die Überlegenheit der sie betreuenden Person. Doch wenn ältere Kinder glauben, selber besser zu wissen, was gut für sie ist, denken sie, dass sie nicht mehr gehorchen müssen. Die Fünf- bis Achtjährigen haben noch Respekt vor der sozialen und körperlichen Macht der Erwachsenen. Ab acht Jahren wird Respekt vor allem dem gegenüber gezollt, der gute Führungsqualitäten zeigt. Kinder sind nun auch fähig, genau zu merken, was die erwachsene Person kann und was nicht. Später, mit Eintritt in die Pubertät, wird Gehorsam zu einer persönlichen Entscheidung. Teenager unterstellen sich bewusst, freiwillig und vorübergehend einer Person, die sich um sie kümmert. Damit das gut funktioniert, ist gegenseitige Anerkennung und Einverständnis höchst wichtig.
Zu den notwendigen Führungskompetenzen gegenüber Teenagern gehören reale Kompetenzen im Alltag, die man auch zeigt (Sie können zum Beispiel gut kochen, sind ein Organisationstalent oder können super zuhören). Aber auch die Fähigkeit, Fehler zuzugeben und sich dafür zu entschuldigen. Und auch mal auf die Meinung des Kindes zu hören, wenn die Vernunft ihm recht gibt. Sowie nicht auf Prinzipien herumzureiten.
Falls Ihr Teenager eine Abmachung verletzt, einen Auftrag nicht erfüllt oder sich sonst falsch verhält, sollten Sie Konsequenzen wählen, die für ihn eine Bedeutung haben und die Sie tatsächlich umsetzen können. Ausserdem sollte die Strafe nicht anderen Zielen zuwiderlaufen. Sofort einsetzbare, logische oder im Voraus angekündigte Massnahmen sind wirksamer. Geben Sie dem Jugendlichen bald eine zweite Chance, so dass er ein alternatives Verhalten zeigen kann.
Die Pubertät ist trotz allem besser als ihr Ruf: Nicht in jedem Fall verläuft sie wild, rebellisch und problematisch. Nur rund ein Drittel aller Jugendlichen pubertieren heftig. Ein weiteres Drittel verhält sich mal so, mal so – und der Rest bleibt ziemlich ruhig. Gehen Sie die Sache also gelassen an.
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