Quengelnde Quälgeister
Wenn das Kind dauernd greint und jammert, verlieren auch die geduldigsten Eltern irgendwann die Nerven. Doch es gibt sinnvollere Strategien als Zurechtweisung und Tadel.
aktualisiert am 15. Februar 2018 - 16:12 Uhr
Sie zerren am Hosenbein, quengeln und brüllen: Wenn kleine Kinder etwas wollen, können sie furchtbar ungeduldig sein. Die fünfjährige Hanna etwa kann richtig unausstehlich werden. «Ich will das blaue T-Shirt anziehen, nicht das rote.» – «Einkaufen ist doof, ich will nicht.» – «Nie macht ihr das, was ich will. Blöde Mama», ruft sie aus. Der weinerliche Unterton, der dabei mitschwingt, nervt besonders. Oft können die Eltern nicht nachvollziehen, warum Hanna so missmutig ist. Ihnen ist klar, dass sie nicht nachgeben sollten – dennoch fügen sie sich manchmal, damit endlich Ruhe ist.
Eine verständliche Reaktion. Doch sie wird das Nörgeln kaum auf Dauer beseitigen. Kinder entdecken schnell, dass ihre Methode Erfolg bringt – und gewöhnen sich das Verhaltensmuster an: «Ich muss nur genug brüllen, dann bekomme ich, was ich will.»
Quengeln und Nörgeln ist bei kleinen Kindern verbreitet. Sie sind zwar noch nicht fähig, alle ihre Empfindungen und Anliegen auszudrücken. Aber sie haben schon gelernt, dass sie so Erwachsene auf sich aufmerksam machen können.
Erziehungsexperten sehen im Quengeln einen ganz natürlichen Ausdruck der Kinder, ihre Bedürfnisse mitzuteilen. Die unzureichende Reaktion der Eltern verursacht Stress, dieser führt zu einer erhöhten Körperspannung. Kinder empfinden das als unangenehm – und meckern.
Kinder quengeln aber nicht nur, wenn sie Aufmerksamkeit wollen. Daher ist es wichtig, mögliche Auslöser auszuloten.
- Frustration
Wenn ein Kind nicht die richtigen Worte für seine Wünsche und Emotionen findet und sich nicht verstanden fühlt, ist es frustriert. Auch Über- und Unterforderung können Auslöser sein. - Verwirrung und Unsicherheit
Kleine Kinder wissen oft nicht, was sie wirklich wollen und dürfen. Papa schraubt am Auto, Mama mäht den Rasen. Weil das Kind aus Sicherheitsgründen nicht mitmachen darf, ist es verärgert und quengelt. - Eifersucht
Wenn die Eltern mal keine Zeit für ein Anliegen des Kindes haben, fühlt es sich vernachlässigt. Es entwickelt Eifersucht zum Beispiel gegenüber dem kleinen Geschwister. - Hunger, Durst, Müdigkeit, beginnende Krankheiten
Körperliches Unwohlsein ist eine der häufigsten Ursachen für Nörgeleien. Fünfjährige brauchen noch bis elf Stunden Schlaf. Beim Spielen vergessen sie zudem häufig zu essen und zu trinken. Und Krankheiten hat niemand gern.
Manchmal ist das Nörgeln aber auch ein Versuch, Grenzen auszuloten: «Wie sehr kann ich mich gehen lassen? Wie wichtig bin ich Papa und Mama?» Klar ist: Kinder können lernen, ihren Gefühlen anders Ausdruck zu geben als durch Dauerquengeln. Dabei sollten ihnen die Eltern helfen. Und: Konsequenz ist auch beim Quengeln der Schlüssel zum Erfolg. Gelassenheit, gepaart mit Humor, hilft.
Wichtig ist auch, wiederkehrende Muster zu identifizieren. Manche Kinder quengeln besonders in bestimmten Situationen – etwa beim An- und Ausziehen oder beim Essen. Bei Hanna war das Einkaufen für alle Beteiligten oft nervig. «Nie bekomme ich das, was ich will», tönte es schon nach kurzer Zeit durch den Supermarkt. Die Eltern schlugen schliesslich vor, dass Hanna einen Teil der Einkäufe selbst aussuchen durfte – ihr Lieblingsjoghurt, das Kindershampoo oder das Klopapier. So war sie beschäftigt und fühlte sich ins Geschehen einbezogen. Das Quengeln liess nach. Dass sie sich stets fürs Klopapier mit Herzchen entschied, gefiel der Mutter zwar nicht. Aber sie akzeptierte es.
Für Eltern ist es in der Erziehung wichtig, konsequent zu bleiben und ihren Kindern auch die Konsequenzen zu zeigen, wenn diese nicht gehorchen wollen. Wie Sie das am besten tun, erfahren Sie als Beobachter-Mitglied in der Checkliste «So gelingt konsequentes Erziehen» mit praktischen Beispielen aus dem Alltag.
- Nehmen Sie sich Zeit
Kinder kompensieren eine unspezifische Unzufriedenheit gern mit materiellen Wünschen. Bieten Sie etwas viel Wertvolleres an: Ihre Zeit für eine Velotour oder einen Schwimmbadbesuch. Je mehr Aufmerksamkeit ein Kind von den Eltern bekommt, umso weniger Unzufriedenheit empfindet es. - Reden Sie mit dem Kind über seine Gefühle
Vier- bis Sechsjährige können oft noch nicht deutlich ausdrücken, was sie bewegt. Bieten Sie daher Möglichkeiten an: «Ich merke, dir geht es nicht gut. Worüber hast du dich denn geärgert?» Bestehen Sie darauf, dass sich das Kind zumindest bemüht, mehr zu sagen als «kann nicht» oder «will nicht». - Ignorieren Sie die Nörgelei auch mal
Wenn das Kind mit kleinen Problemen und Frustrationen nicht zurechtkommt, kann es auch helfen zu sagen: «Vor meinen Ohren ist ein Jammer-Filter, deshalb kann ich alles, was du in diesem Ton sagst, gar nicht hören.» Auf humorvolle Art erreichen Sie wahrscheinlich, dass das Kind wieder normal kommuniziert. - Ablenken und überrumpeln
Holen Sie ein Buch oder ein Spielzeug, das noch relativ neu ist, spielen Sie eine Runde Fangen oder Verstecken. Oder fordern Sie mehr Selbstdisziplin, indem Sie freundlich, aber bestimmt sagen: «Grosse Kinder nörgeln nicht!» Wenn das Kind etwa die Rüeblisuppe nicht essen will und meckert, überraschen Sie es mit einem kräftigen: «Aber ich!» Bestenfalls will es dann das Gleiche. - Verteilen Sie Aufgaben
Erstellen Sie einen Ämtliplan. Das fördert die Eigenständigkeit und die Verantwortung und wirkt auch einer Unterforderung entgegen. Auch wenn das Ausräumen der Abwaschmaschine unter Murren geschieht: Jede Arbeit, die zu Ende gebracht wird, jedes Mehr an Wissen, Können und Erfahrung schafft ein Stück mehr an innerer Zufriedenheit. - Informieren und einbeziehen
Sagen Sie, was Sie erwarten und was auf das Kind zukommt. Zum Beispiel bei der Hausarbeit: «Bitte deck jetzt den Tisch mit mir» statt «Willst du mir beim Tischdecken helfen?». Oder beim Telefonieren: «Ich muss jetzt telefonieren. Du kannst dabei ruhig neben mir spielen.»
Jan-Uwe Rogge: «Nie mehr Erziehungsstress! Der Akuthelfer für Eltern»; Rowohlt E-Book, 2015, CHF 2.50.
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