Wie reagieren, wenn ein Hund angreift?
Nach Corona hat die Hundedichte in der Schweiz deutlich zugenommen. Das führt zu mehr Konflikten zwischen den Vierbeinern. So verhalten Sie sich richtig, wenn Sie in eine kritische Situation mit Hunden geraten.
Veröffentlicht am 20. Mai 2022 - 10:49 Uhr,
aktualisiert am 3. Januar 2023 - 09:10 Uhr
Man spaziert gemütlich dem Waldrand entlang, denkt sich nichts Böses. Plötzlich steht er vor einem auf dem Kiesweg und knurrt: Ein grosser, muskelbepackter Hund. Er fletscht seine scharfen Zähne, öffnet den Kiefer, setzt zum Sprung an...
Dieses Horrorszenario ist übertrieben, sagt Guido Vogel, Amtstierarzt und Leiter der Hundefachstelle beim Basler Veterinäramt. Man muss nicht jederzeit damit rechnen, einem solchen Hund zu begegnen. Aber: «Es gibt mehr auffällige Hunde», sagt er. Bereits im Jahr 2021 wurden überdurchschnittlich viele Hundebisse gemeldet, im 2022 hat sich der Trend fortgesetzt. Das sei auch in den anderen Kantonen der Fall.
Gründe dafür sieht Vogel im Umstand, dass ab 2017 die schweizweit obligatorischen Hundehalterkurse abgeschafft wurden. Und in der Corona-Pandemie, während der sich viele auf die Schnelle einen Hund gekauft hätten . «Sie haben nicht viel überlegt und sind dann überfordert.» Das Resultat: vernachlässigte, nicht korrekt erzogene Hunde.
Doch wie soll man sich verhalten, wenn ein Hund angreift? Und was ist zu tun, wenn ein Mensch oder ein Tier von einem Hund attackiert wurde?
Hundeangriff: Was tun, wenn ich allein unterwegs bin?
Machen Sie keine hektischen Bewegungen
Rumfuchteln kann das Tier aggressiver machen.
Schauen Sie dem Tier nicht direkt in die Augen
Hunde können starren Augenkontakt als aggressiv empfinden.
Erstarren Sie nicht
Unter Hunden gilt: Wer steif vor mir steht, will mich dominieren. Friedliche Hunde sind dagegen eher in Bewegung bei der Kontaktaufnahme.
Wenden Sie sich langsam seitlich ab
Durch das Abdrehen signalisieren Sie: Ich bin keine Gefahr.
Halten Sie dem Hund wenn möglich einen Gegenstand hin, zum Beispiel Ihre Tasche oder den Wanderstock
So bringen Sie Distanz zwischen sich und das Tier, das zudem abgelenkt ist und vielleicht dort reinbeisst anstatt in Sie.
Rennen Sie nicht weg
Je nachdem, wie der Hund abgerichtet wurde, wird er Sie erst recht stoppen wollen.
Gehen Sie nicht in die Hocke
Das ist nicht deeskalierend, sondern gefährlich, da es dem Hund leichter gelingt, Sie am Kopf oder an der Gurgel zu packen.
Hundeangriff: Was tun, wenn ich selber einen Hund dabeihabe?
Oberstes Gebot: Behalten Sie Ruhe und bringen Sie sich nicht selber in Gefahr
Wenn Sie verletzt sind, können Sie Ihrem Hund nicht helfen, falls nötig.
Schätzen Sie erst die Lage ein
Hundekämpfe können auch nur spielerisch sein. Den Ernstkampf erkennen Sie daran, dass weder gebellt noch geknurrt wird. Das würde unnötig Kraft kosten.
Bei einem Schaukampf in die entgegengesetzte Richtung gehen und rufen oder pfeifen
Sinnvollerweise sollten das beide Hundehalter tun.
Ein fremder Hund stürzt auf Ihren Vierbeiner zu
Den Angreifer mit lautem Rufen und allenfalls scheppernden Gegenständen ablenken.
Sofort Leine fallen lassen
So kann Ihr Hund allenfalls das Weite suchen.
Selber aktiv gegen den fremden Hund vorgehen
Hier ist Vorsicht angesagt. Durch Treten und Schlagen lässt der Angreifer vielleicht von Ihrem Hund ab, kann sich aber auf Sie stürzen. Siehe «Oberstes Gebot»!
Elektroschocker, Pfefferspray und Messer
Es gibt Elektroschocker, die speziell für diesen Zweck verkauft werden. Allerdings ist ihr Einsatz wie auch der von Pfeffersprays oder gar Messern laut Tierschutzgesetz verboten. Im Einzelfall müsste der Richter entscheiden, ob ein Fall von berechtigter Notwehr vorlag und die Anwendung berechtigt war.
Ein Hund hat sich in den anderen verbissen
Lässt der Beisser nicht mehr los, bleibt nur die Möglichkeit, dem Tier die Luftzufuhr zu drosseln, etwa indem man das Halsband packt und so eng dreht, dass der Hund keine Luft mehr bekommt. Was auf deutschen Websites als valable Methode verbreitet wird, ist in der Schweiz aber ebenfalls gesetzlich verboten. Zudem besteht grosse Verletzungsgefahr für den Menschen, nicht nur durch den fremden, sondern auch durch den eigenen Hund. Also Hände weg!
Was tun nach einer Hundeattacke?
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Bitten Sie allfällige Zeugen, zu warten, bis die Polizei kommt. Oder zumindest um ihre Kontaktdaten
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Rufen Sie, falls nötig, die Ambulanz
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Machen Sie allenfalls Fotos von der Situation
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Verlangen Sie auf jeden Fall Namen und Adresse des anderen Hundehalters. Denn Sie können keine Ersatzansprüche geltend machen, wenn Sie nicht wissen, bei wem.
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Bitten Sie den Hundehalter, den Unfall sofort bei seiner Haftpflichtversicherung zu melden.
An wen kann ich mich nach einem Vorfall wenden?
Melden Sie die Beissattacke unbedingt der Polizei. Der Polizeirapport hilft, einen allfälligen Anspruch auf Schadenersatz zu belegen. Und mit der Meldung des Angreiferhundes können allenfalls weitere Beissattacken und damit neues Leid verhindert werden.
Wer haftet bei einem Hundeangriff?
Ihre Unfallversicherung, falls Sie verletzt wurden. Der Hundehalter respektive dessen Haftpflichtversicherung , falls Sachschaden entstanden ist. Seine Haftpflichtversicherung muss auch für allfälligen Lohnausfall aufkommen, falls Sie arbeitsunfähig geschrieben werden müssen. Und zwar für die Differenz zwischen dem Betrag, den Ihre Krankentaggeldversicherung bezahlt (oft nur 80 Prozent des Lohns), und Ihrem effektiven Lohn. Schadenersatzansprüche müssen innerhalb von drei Jahren nach dem Unfall gerichtlich eingeklagt werden.
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3 Kommentare
Die Tipps bei Angriff auf die eigene Person sind dürftig. Ist Erwürgen des Angreifers (vor Jahren bei einem Hundeangriff in Frankfurt und kürzlich im Waadtland) die einzige Möglichkeit, am Leben zu bleiben, muss man die drauf folgende Strafe als Lebensversicherungsprämie in Kauf nehmen. Zynisch, aber bei unserem lebensfeindlichen Notwehrrecht anscheinend unausweichlich.
Ich habe innerhalbe des letzten Monats 3 Leute in der Umgebung (ländlich) gesehen, die an Trainingskursen für ihren Hund teilnehmen und dieses Training auch in ihrer Freizeit mit dem Hund umsetzen.
Einen obligatorischen Kurs für Hundehalter würde ich begrüssen. Einerseits könnte dies manche Leute davon abhalten, einen Hund als "Accessoir" anzuschaffen und andererseits gehe ich davon aus, dass dadurch auch die tiergerechte Haltung des Hundes zum Wohl des Hundes und zum Wohl der Umgebung gefördert würde.
Selber bin ich kein Hundehalter.
Ja, die Hundedichte hat spürbar zugenommen. In diesem Zusammenhang wollte ich mal nachfragen, wie es denn mit der Leinenpflicht steht? Ich dachte, in besiedelten Gebieten würde eine solche gelten?
Es kann ja nicht sein, dass ich mitten in der Stadt Zürich (mitten am Tag), in einem Wohnquartier, wenn ich zur Tramhaltestelle renne, weil ich knapp dran bin, von einem nicht angeleinten Hund (einer unaufmerksamen Besitzerin, die gerade im Gespräche war) angegriffen werde, oder? Die Hundebesitzerin meinte, es bestünde keine Leinenpflicht. Aber wie werde ich vor solchen Tieren geschützt? Und nein, ich will nicht aufs Rennen verzichten!