«Abschreckende Wirkung»
Im Kanton Zürich setzt sich ein Anwalt seit Jahren erfolgreich für die Rechte der Tiere ein. Tierschützer fordern, dass das Beispiel in der ganzen Schweiz Schule macht.
Veröffentlicht am 25. April 2003 - 00:00 Uhr
Die drei Hunde waren völlig ausgehungert und ohne Wasser, als die Basler Polizei sie aus dem Anhänger befreite. Doch trotz offensichtlicher Tierquälerei musste der Hundehalter die ausgesprochene Busse von 300 Franken nicht bezahlen. Begründung des Gerichts: Die Beweislage habe nicht ausgereicht. Der Richter hatte weder Zeugen befragt noch ein Gutachten über den Zustand der Tiere eingeholt. Derartige Schlampereien sind vielerorts Alltag. «In laufenden Strafverfahren geraten Tiere schnell unter die Räder», sagt Birgitta Rebsamen, Sprecherin des Schweizer Tierschutzes.
Eine Ausnahme bildet der Kanton Zürich. Hier existiert seit über zehn Jahren das Amt eines «Rechtsanwalts für Tierschutz in Strafsachen». Derzeit hat Markus Raess das Amt inne. Im Namen der Tiere kann er Urteile anfechten, in Strafuntersuchungen Akten einsehen und Zeugen befragen. Ob eine Katze erschlagen oder Kühen der Auslauf verwehrt wird: Immer wenn ein Verfahren wegen Missachtung des Tierschutzgesetzes eingeleitet wird, setzen die Untersuchungsbehörden den Tieranwalt in Kenntnis. Daraufhin prüft Raess die Unterlagen und den korrekten Ablauf des Verfahrens. «Wir achten unter anderem darauf, dass alle Zeugen so schnell wie möglich befragt werden», erklärt Raess' Assistent Markus Tinner.
Bislang machte man in Zürich gute Erfahrungen mit dem Tieranwalt. «Tierschutzfälle werden besser und schneller behandelt. Und bei den Strafbehörden bleiben weniger Fälle liegen», sagt Markus Raess. Und Antoine F. Goetschel, Jurist und Geschäftsführer der Stiftung für das Tier im Recht, glaubt sogar an eine präventive Wirkung des Tieranwalts: «Tierquäler werden öfter verurteilt, und das wirkt abschreckend.»
Trotz positiver Bilanz in Zürich taten sich bislang alle anderen Kantone schwer mit der Einführung eines Tieranwalts. Im Thurgau forderte SVP-Kantonsrat Daniel Jung einen Tieranwalt nach Zürcher Vorbild – doch der Kantonsrat lehnte die Motion mit grosser Mehrheit ab. Besonders die Bauern waren misstrauisch. «Sie hatten Angst, das Amt würde noch mehr Auflagen und Kontrollen bringen», sagt Jung.
Antoine F. Goetschel spricht sich für eine gesamtschweizerische Einführung von Tieranwälten aus: «Die Durchsicht zahlreicher Strafuntersuchungen wegen Tierschutzwidrigkeiten bestätigt den Eindruck, dass Strafverfahren oft oberflächlich und unsachgemäss durchgeführt werden.»
Das beklagen auch die Tierschutzorganisationen, doch bislang stiess ihre Forderung auf taube Ohren. Im Entwurf für die Revision des eidgenössischen Tierschutzgesetzes sind Tieranwälte kein Thema. «Jeder Kanton ist frei, einen Tieranwalt einzusetzen», sagt Urs-Peter Müller vom Rechtsdienst des Bundesveterinäramts. «Der Bund respektiert die Organisationshoheit der Kantone.»
Basler Tiere können aufatmen
Goetschel hofft nun auf die neue eidgenössische Strafprozessordnung: «Die Chancen für einen Tieranwalt sind intakt. Juristen hegen in der Regel weniger Zweifel, wenns um den korrekten Gesetzesvollzug geht.» Vor 2008 wird die neue Strafprozessordnung jedoch kaum in Kraft treten.
Bis dahin besteht zumindest für Tiere in der Region Basel Hoffnung: Der Kanton Basel-Landschaft stimmte kürzlich für die Einsetzung eines Tieranwalts, und in Basel-Stadt wird das Parlament demnächst darüber entscheiden.