Fluchen mit dem Sohn
Wir haben in unserem Haus eine simple, aber zweckmässige Regel, was den Umgang mit Kraftausdrücken betrifft: Fluchen gehört auf die Toilette.
Veröffentlicht am 9. November 2009 - 17:18 Uhr
Sprich: Wenn jemandem spontan ein «Scheisse» entfährt – was mal vorkommen kann –, der muss dorthin, wo Scheisse zwangsläufig eine Rolle spielt, nämlich aufs stille Örtchen. Dort muss er oder sie das Schimpfwort wiederholen, die Spülung betätigen – und die Sache ist aus der Welt.
Diese Gepflogenheit bietet den Vorteil, dass jedes Familienmitglied seinem Ärger Luft machen kann, ohne grössere Konsequenzen befürchten zu müssen. Fluchen wird zu etwas Natürlichem. Wie Furzen. Man hört es nicht gern, aber Druck ablassen ist manchmal nötig – und tut gut. Aber: alles zu seiner Zeit. Und: alles an seinem Ort.
Ein willkommener Nebeneffekt dieses Rituals ist, dass dadurch Kraftausdrücke für die Kinder alsbald den Reiz des Verbotenen verlieren. Natürlich machte sich Fin zu Anfang ein Spiel daraus, das Abendessen zu torpedieren, indem er die Fleischvögel im Teller verbal entehrte. Aber spätestens nach dem fünften Gang auf die Toilette wurde das Spiel langweilig – die Fleischvögel wurden wieder zu dem, was sie sind: in Rindshuftschnitzel gewickeltes Frikadellenbrät.
Nun gibt es keine Regel ohne Ausnahme respektive Orte auf dieser Welt, wo das Fluch-auf-dem-WC-Prinzip schnell ad absurdum geführt wird. Das Fussballstadion ist so ein Ort. Wenn 4000 Fans wie aus einer Kehle schreien, was sie mit der Mutter des Schiedsrichters gern Unanständiges anstellen würden, braucht man sich um die vom Sohn entehrten Fleischvögel keine Gedanken mehr zu machen. Und auch Papa selbst ist Fan genug, um sich im Eifer des Gefechts die eine oder andere verbale Unsportlichkeit zu erlauben. Dann ständig aufs WC zu pilgern kann keine Lösung sein.
Nun will man den Fussball als verantwortungsvoller Vater aber auch nicht zum gesellschaftlichen Plumpsklo degradieren, wo einfach alles erlaubt ist. Wohin das führt, sehen wir aktuell; man könnte meinen, der erhobene Stinkefinger sei eine anerkannte Alternative zum Handshake und das Verteilen von Körperflüssigkeiten eine intimere Variante des Trikottausches.
Ich habe mir deshalb was Besonderes ausgedacht: Beim nächsten Fussballspiel mit Sohn werden gelbe und rote Karten eingeführt, und weitere Strafen dürfen nach Wunsch ausgesprochen werden. Sollten Sie bei einer der nächsten Spielzusammenfassungen also einen Sechsjährigen mit nacktem Oberkörper übers Feld flitzen sehen, können Sie davon ausgehen: Er hat seine Strafe verdient – und der Vater seine Freude.