Du hast mir nichts zu sagen, du bist nicht mein Vater»: So reagierte der 13-jährige Ben auf die Aufforderung seines Stiefvaters, endlich sein Zimmer aufzuräumen. Ben wohnt erst seit kurzem in der «Zweitfamilie». Der Start ist nicht eben geglückt. Obwohl sich der Mann bemüht, als «neuer» Vater konsequent zu sein und Ben wie einen eigenen Sohn zu behandeln, wie er am Telefon der Beobachter-Erziehungshotline versichert. Doch das ist es genau, was kaum gutgehen kann. Eine andere Anruferin beklagt sich: «Immer wenn Adrian und Oliver, die beiden neun- und zwölfjährigen Buben meines Freundes, zu uns zu Besuch kommen, ist Feuer unterm Dach.» Die Jungs fänden sie wohl ziemlich daneben, vermutet die Frau – wenn die beiden sie nicht grad ganz ignorierten. Doch auch sie ist wohl kein Unschuldslamm.

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Diese beiden Beispiele stehen für einen Problemkreis, der beim Zusammenprall von zwei ehemals getrennten Familienwelten häufig ist. Anfangs empfinden Kinder den neuen Partner der Mutter oder die neue Partnerin des Vaters als Eindringling. Vor allem ältere Kinder reagieren in der neuen Konstellation oft zurückhaltend, ablehnend oder gar aggressiv.

Eine «neue» Patchworkfamilie hat sich erst nach ungefähr fünf Jahren etabliert. Zuerst müssen die neuen Lebenspartner akzeptieren, dass sie auf absehbare Zeit Fremde sind. Eine Beziehung zu den Kindern muss erst aufgebaut werden. Zeit, Einfühlungsvermögen, Geduld und Gelassenheit der Erwachsenen sind ein Muss, damit sich die neue Familie finden kann.

Wenns am Anfang harzt: Tipps zum Start

  • Die Kinder wie auch die neuen Partner müssen sich langsam kennenlernen. Eine Velotour mit Grillieren, ein Zoo- oder Kinobesuch bieten dazu Gelegenheit.

  • Die eigene Rolle zu finden ist zentral. Es ist anspruchsvoll, als Freundin oder Frau in der «zweiten» Familie Fuss zu fassen. So erlebt «die Neue» im eingangs vorgestellten Fall die beiden Buben Adrian und Oliver als Eindringlinge in ihre Privatsphäre. Allein deren Präsenz erinnert sie an die frühere Beziehung ihres Partners. Diese Gefühle sind legitim, aber reden Sie mit dem Partner/der Partnerin über Eifersucht, Neid oder schlechtes Gewissen.

  • Pflegen Sie Freundschaft statt Elternschaft. Sie sind nicht der leibliche Elternteil. Seien Sie ein guter Freund, der klar und konsequent seine Meinung vertritt, ohne die Vater- oder Mutterrolle in Anspruch nehmen zu wollen. So treten Sie dem Image des bösen Stiefvaters oder der bösen Stiefmutter entgegen. Sie werden schneller als Bezugsperson akzeptiert, und geltende Regeln werden eher eingehalten.

  • Einigen Sie sich auf einen Erziehungsstil und sprechen Sie die Richtlinien mit den ehemaligen Partnern ab. So klappt das Zusammenleben in den eigenen vier Wänden, und pendelnde Sprösslinge wie Oliver und Adrian brauchen ihre Elternhäuser nicht gegeneinander auszuspielen.

  • Respektieren Sie die leiblichen Eltern und sprechen Sie im Beisein der Kinder nicht abwertend über sie. Wird der abwesende Elternteil zum Thema, sollten sich die neuen Partner raushalten. Sie müssen niemandem etwas beweisen und sich auch nicht als Rivalen sehen.

  • Gelingt es Ihnen dann auch noch, den Kontakt zum anderen Elternteil aufrechtzuerhalten und für gegenseitige regelmässige Besuche zu sorgen, stehen die Chancen gut, dass Ihre Kinder später einmal sagen: «Das Leben in zwei Familien, das war schon cool.»