Die gedemütigten Anleger
Anleger sollten per Gesetz mehr Rechte erhalten – so hatte es der Bundesrat geplant. Beschlossen hat das Parlament ein Gesetz, das die Rechte der Anleger sogar noch beschneidet. Ein Kommentar.
Veröffentlicht am 13. Juni 2018 - 17:00 Uhr,
aktualisiert am 13. Juni 2018 - 16:51 Uhr
Es hätte die Antwort auf die zahlreichen Skandale werden sollen, die während der Finanzkrise Anleger ins Unglück gestürzt hatten. Doch zehn Jahre danach scheint die Erinnerung daran verblasst. Das Parlament hat ein Finanzdienstleistungsgesetz verabschiedet, das eigentlich nur eines beweist: dass sich kompromisslose Lobbyarbeit in der Schweiz bezahlt macht.
Vor fünf Jahren hat der Bundesrat einen Gesetzesentwurf vorgestellt, der die Rechte der Anleger tatsächlich verbessert hätte. Sie sollten längere Spiesse für den Kampf gegen ihre Banken erhalten. Doch die Finanzbranche hat die Vorlage vom ersten Tag an mit allen Mitteln bekämpft. Sie tat das brillant. Das Parlament hat der Vorlage jetzt auch noch den letzten Zahn gezogen. Herausgekommen ist ein Gesetz, das mit Anlegerschutz nichts mehr zu tun hat.
Die Vertreter der Banken und Versicherungen können nun die Korken knallen lassen. Erst recht, weil der Kahlschlag fast ohne lästige Nebengeräusche vonstattenging.
Der Bundesrat hatte schon nach der Vernehmlassung zentrale Anliegen seiner Vorlage gestrichen. Weil Teile davon angeblich gegen das Schweizer Rechtsverständnis verstossen hätten und die Banken auf die Anklagebank gesetzt hätte. Aus der Vorlage verschwanden vier zentrale Punkte:
- Die Umkehr der Beweislast: Danach hätten nicht die Kunden beweisen müssen, dass sie von ihrer Bank falsch beraten wurden. Die Bank hätte ihre Unschuld belegen müssen.
- Die Möglichkeit von Verbandsklagen und sogenannten Gruppenvergleichsverfahren, bei denen Anleger gemeinsam als Kläger hätten auftreten können.
- Die Einrichtung eines Prozesskostenfonds für geschädigte Anleger, die bei Klagen gegen Banken und Vermögensverwalter grosse Prozessrisiken eingehen müssen.
- Die Schaffung eines Schiedsgerichts, das Streitigkeiten um kleinere Summen unbürokratisch und kostengünstig hätte regeln können.
Das bürgerlich dominierte Parlament strich die Vorlage noch weiter zusammen. Die Versicherungen fallen damit nicht mehr unter das Finanzdienstleistungsgesetz, obwohl auch sie Finanzprodukte verkaufen. Zum Schluss sorgten die Nationalräte von SVP, FDP und CVP dafür, dass die Anlegerrechte jetzt noch zahnloser sind als unter dem alten Gesetz. Sie strichen das 14-tägige Widerrufsrecht für Finanzdienstleistungen, wenn man bereits Kunde einer Bank oder eines Vermögensverwalters ist.
Prisca Birrer-Heimo, Präsidentin der Stiftung für Konsumentenschutz, stellte nach der Ratsdebatte deshalb ernüchtert fest: «Die paar wenigen Verbesserungen im Anlegerschutz können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die beiden Gesetze primär der Finanzbranche dienen. Die Anlegerinnen und Anleger gehen praktisch leer aus.»
Das Parlament hat ein Gesetz beschlossen, als hätte es nie eine Finanzkrise gegeben. Als hätten Bankberater nicht Tausenden Anlegern Lehman-Papiere aufgeschwatzt, die dann plötzlich wertlos waren. Als hätten Absolute-Return-Fonds den Anlegern nicht horrende Verluste eingebrockt. Als hätte der Superbetrüger Bernard Madoff nicht Hunderte Schweizer wie Weihnachtsgänse ausgenommen. Als hätte bei der Pleite der isländischen Kaupthing-Bank kein Sparer auch nur einen Franken verloren. Als hätte die Fricker Investmentgesellschaft ASE nicht 1500 Anleger übers Ohr gehauen. Und als hätten Millionen Schweizer Bankkunden die Kickbacks zurückerhalten, die gemäss Bundesgericht alleine ihnen gehören.
Die Anleger haben vom bürgerlich dominierten Parlament für ihren Kampf gegen Banken ein Gesetz erhalten, das so gefährlich ist wie ein stumpfes Kinderschwert aus Plastik.
Wie sicher Vermögensanlagen bei Banken, der Post oder bei Versicherungen sind, zeigt sich im schlimmsten aller Fälle: dem Konkurs des Finanzpartners. Beobachter-Mitglieder erfahren, wie es in unsicheren Zeiten um die Sicherung der Einlagen steht.