Rauswurf nach Diagnose
Die CSS schliesst einen Kunden aus der Zusatzversicherung aus – er habe ein Formular nicht vollständig ausgefüllt. Angeleitet dazu hatte ihn aber ein CSS-Agent.
Veröffentlicht am 20. November 2012 - 08:40 Uhr
Urs Enz* fühlt sich gesund, als er im November 2010 Grund- und Spitalzusatzversicherung kündigt und zur CSS wechselt, wo ihm tiefere Prämien winken. Doch Ende Monat hat er einen Schwindelanfall. Der Kardiologe stellt fest: Enz' Aortenwurzel ist stark erweitert. So stark, dass der 67-Jährige im Februar 2011 für drei Tage zur Untersuchung ins Spital muss. Als die CSS das erfährt, verweigert sie ihm die Leistung der Zusatzversicherung – und wirft ihn aus selbiger gleich auch noch hinaus. Begründung: Enz habe unterschlagen, dass sein Kardiologe bereits früher eine erweiterte Aorta festgestellt habe.
Urs Enz wehrt sich. Beim Antragsgespräch in der CSS-Agentur habe ihm der Agent ein Formular vorgelegt, auf dem er alle Arztbesuche der letzten zehn Jahre habe aufführen müssen. Er habe den Agenten darauf hingewiesen, dass er dazu seine Unterlagen benötige, die zu Hause lägen. «Doch der Agent sagte, es reiche aus, wenn ich nur die aktuellen medizinischen Probleme aufführe, und drängte mich, das Formular auszufüllen», erinnert sich Enz. Er tat wie geheissen – und vergass die Besuche beim Kardiologen, die Jahre zurücklagen und weder Therapien oder Eingriffe nach sich gezogen hatten.
Nach Vermittlung des Ombudsmannes für Krankenversicherungen anerkennt die CSS zwar, dass Enz nicht absichtlich Informationen unterschlagen hat, weigert sich aber, ihn wieder aufzunehmen.
Laut Janine Jakob von der Stiftung für Konsumentenschutz ist es weit verbreitet, dass Krankenkassen auf Abschlüsse drängen: «Agenten streichen für ihren Vertragsabschluss eine Provision ein, alles Weitere interessiert sie häufig gar nicht.» Die CSS weist diese Kritik zurück. «Es gibt bei uns keinen Anreiz, Verträge möglichst rasch unter Dach und Fach zu bringen», sagt Sprecherin Sandra Winterberg. CSS-Agenten würden zu 90 Prozent fix entlöhnt, variable Teile machten lediglich 10 Prozent aus. Winterberg rechtfertigt den Auschluss Enz' aus der Zusatzversicherung: «Es ist äusserst merkwürdig, dass sich der Kunde nicht an seine schwerwiegenden kardiologischen Probleme erinnern konnte.» So schwerwiegend waren diese allerdings nicht: Der Kardiologe hatte Enz bei dessen letzter Konsultation 2006 ein niedriges Risiko für Herz- und Kreislauferkrankungen bescheinigt.
Janine Jakob vom Konsumentenschutz empfiehlt, sich beim Ausfüllen von Versicherungsanträgen auf keinen Fall drängen zu lassen. Und rät älteren Menschen von Kassenwechseln generell ab: «Die Prämien werden kaum günstiger – oder höchstens, indem jede Menge Leistungen ausgeschlossen werden.»
*Name geändert