Krankenkassen wollen bei Behandlungen mitreden
Krankenkassen wollen anhand der abgerechneten Leistungen Patienten über mögliche weitere Behandlungen informieren. Nationalrat Andri Silberschmidt will ihnen per Gesetz den Weg dafür ebnen. Doch es gibt Kritik.
Veröffentlicht am 14. September 2023 - 16:27 Uhr
Was würden Sie denken, wenn die Krankenkasse Sie anrufen und eine Darmspiegelung vorschlagen würde? Wahrscheinlich wären Sie überrascht. Noch liegen solche Beratungen nicht in der Kompetenz der Kassen. Der Zürcher FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt und die Helsana sind nun auf gemeinsamer Mission, das zu ändern.
Aus Sicht der Helsana gibt es ein grosses Sparpotenzial, wenn die Krankenkassen die Gesundheitsdaten der Versicherten besser nutzen könnten. Ein interner Bericht der Helsana kam zum Schluss, dass Gesundheitskosten gespart werden können, wenn die Kasse Patienten zum Beispiel informieren darf, wenn sie Voruntersuchungen für Krebs nicht durchgeführt haben – oder wenn sie «auffällig viele» Schmerzmittel einnehmen. Das sagt Helsana-Chef Roman Sonderegger Mitte September gegenüber CH Media.
Aus Gründen des Datenschutzes dürfen die Versicherungen der Kundschaft heute keine solchen Behandlungsempfehlungen machen. Der Zürcher Nationalrat Andri Silberschmidt (FDP) will das ändern und hat im Parlament einen entsprechenden Antrag eingereicht. Er ist Teil eines grossen Kostensenkungspakets. In einer vorberatenden Sitzung hat die Gesundheitskommission des Nationalrats dem Vorschlag im Sommer zugestimmt. Nun kommt das Geschäft in den Nationalrat, der am 28. September darüber debattiert.
Silberschmidt findet, die Krankenkassen sollen eine aktivere Rolle einnehmen: «Heute haben die Kassen kein Mitspracherecht. Wenn sie sehen, dass jemand einen Medikamentenmix einnimmt, der gefährlich sein könnte, können sie nicht informieren.» Diese Hürde will er abbauen.
Verwirrung oder Hilfestellung?
Nicht alle sind mit dem Vorschlag einverstanden. Hanspeter Kuhn, Berner Anwalt für Gesundheitsrecht, kritisiert das Vorhaben: «Wenn der Arzt mir Medikament A empfiehlt und die Krankenkasse Medikament B, wem soll ich dann vertrauen?» Solche Empfehlungen der Krankenkasse bergen aus seiner Sicht ein grosses Risiko, Verwirrung zu stiften.
Kuhn, der als früheres FMH-Vorstandsmitglied die Branche gut kennt, räumt aber ein: «Die Krankenkassen haben teilweise einen besseren Überblick über die gesundheitliche Versorgung einer Person als die behandelnden Ärzte. Besonders, wenn der Patient keinen Hausarzt hat.» Die Kasse hingegen kennt alle Medikamente und Behandlungen, die Versicherte über sie beziehen.
Kuhn schlägt deshalb einen Kompromiss vor, damit die Krankenkassen ihre Informationen nutzen können: «Sie sollen die Behandlungen dem Facharzt oder der Hausärztin vorschlagen dürfen, der oder die dann die Patienten informiert.» So blieben die Rollen zwischen Krankenkasse und Hausärztin klar definiert.
5 Kommentare
Die immer wenigen Hausärzte sind zeitlich und finanziell überfordert!?
Eine jährlich empfohlene Kontrolle der Medikamentenabgaben an die Patienten fehlt generell, Krankenkasse könnten, sollten auch spez. Empfehlungen abgeben können....
Swica mischt sich bei mir bereits ein und hat mir eine Massnahme angefordert, die ich umsetzen soll und will die Kosten nicht mehr bezahlen. Krankenkasse sind schon lange gegen höhere Kosten und wollen schwere Krankheiten wie bei Psyche, nicht helfen. Das Einmischen wird dabei nicht besser!
Ich muss da gar nicht lange überlegen, wenn so ein Vorschlag von Herrn Silberschmit oder einem anderen FDP Politiker kommt, sollte der normale Bürger sofort misstrauisch werden und den Vorschlag ablehnen weil von diesen kreisen noch nie was gutes für den Mittelstand kam, sondern nur für die Milionäre oder Miliardäre.
Das fehlt uns gerade noch, dass die Krankenkassen sich wie in Deutschland in Therapien einmischen. Ärztinnen und Apotheker sind absolut in der Lage, kritische Kombinationen von Medikamenten zu erkennen. Sie können auch Empfehlungen für sinnvolle Abklärungen und Behandlungen machen, denn sie kennen ihre Patienten und Patientinnen. Bei den Krankenkassen würden die Patientendaten durch irgendwelche Algorithmen analysiert und dann spuckt der Computer eine "Empfehlung" aus - nein danke! Unter dem Deckmantel "für die Patientensicherheit" oder "Kostenersparnis" wollen die Krankenkassen mehr Macht. So weit darf es nicht kommen. Wehret den Anfängen!