Auch das Betreibungsamt macht Fehler
Manchmal pfändet das Betreibungsamt Dinge, die eigentlich unpfändbar sind. Dagegen können Sie sich wehren, unkompliziert und gratis.
Veröffentlicht am 30. September 2024 - 06:00 Uhr
Die Betreibungsbeamtin klingelt an der Tür oder schickt eine Einladung: Das bedeutet Stress. Vielleicht sogar eine Katastrophe.
Denn wer tatsächlich Geld schuldet und nicht zahlen kann, wird vielleicht bald gepfändet. Das heisst, das Betreibungsamt nimmt alles weg, was man nicht zwingend zum Leben braucht.
Immerhin: Wenn das Amt einen Verfahrensfehler macht, können sich Betroffene einfach und kostenlos wehren. Mit der betreibungsrechtlichen Beschwerde können sie die Aufsichtsbehörde prüfen lassen, ob vielleicht etwas nicht richtig läuft. So wird die grosse Macht der Betreibungsämter etwas ausgeglichen.
Auto weg, obwohl man es braucht
Und das ist nötig: Denn wie überall, wo gearbeitet wird, können Fehler passieren, obwohl sich Betreibungsbeamtinnen und -beamte bei jedem Schritt an strenge Vorschriften halten müssen.
Nicht korrekt ist etwa, wenn sie den Zahlungsbefehl dem Vater übergeben, der nur zum Kinderhüten da ist – mit ihm lebt der Schuldner nicht in einer Hausgemeinschaft.
Oder wenn das Betreibungsamt das Auto pfändet, obwohl man es etwa als Handwerkerin dringend zum Arbeiten braucht. Oder eine körperliche Behinderung hat und ohne Fahrzeug nicht mobil ist. Dann ist es nicht pfändbar.
Die meisten Fragen an der Beobachter-Hotline drehen sich aber um das betreibungsrechtliche Existenzminimum: Hat das Amt richtig gerechnet, fehlt vielleicht eine Position, darf ich mehr Geld behalten?
Das Betreibungsamt rechnet Einkommen und Bedarf und damit die pfändbare Quote jeden Monat von neuem aus und schickt eine Pfändungsurkunde. Wenn man dagegen Beschwerde erhebt, prüft die Aufsichtsbehörde nach.
Welche Handlungen kann ich anfechten?
Verfügungen von Betreibungs- und Konkursämtern. Eine ganz andere Geschichte ist die Frage, ob die betriebene Forderung besteht oder nicht. Dagegen hilft keine Beschwerde, sondern Betroffene müssen Rechtsvorschlag erheben gegen die Betreibung. Dann landet die Sache vor Gericht.
Zuständige Aufsichtsbehörde
In jedem Kanton gibt es mindestens eine Stelle, die die Betreibungs- und Konkursämter beaufsichtigt. In manchen sogar zwei, eine untere und eine obere. Sie heissen überall etwas anders.
Im Kanton Aargau etwa sind es der Bezirksgerichtspräsident und das Betreibungsinspektorat, im Kanton Zürich das Bezirksgericht und das Obergericht. Im Kanton Bern hingegen gibt es nur eine Instanz: das Obergericht.
Form, Inhalt und Frist der Beschwerde
Es genügt, einen Brief zu schreiben und zu unterzeichnen. Am besten schickt man ihn eingeschrieben. Es braucht einen konkreten Antrag – zum Beispiel, dass eine bestimmte Ausgabe in den Bedarf eingerechnet werden muss.
Zudem braucht es eine Begründung, weshalb die Verfügung das Gesetz verletzt oder unangemessen ist. Im Beispiel etwa, dass Schulmaterial der Kinder oder Arztkosten zum Existenzminimum gehören.
Beobachter-Mitglieder erhalten mit dem Merkblatt «Lohnpfändung – Leben mit dem Existenzminimum» weitere Infos zu ihren Rechten und Pflichten sowie eine Zusammenstellung eines Fallbeispiels, das zeigt, wie die pfändbare Quote berechnet wird.
Die Frist beträgt zehn Tage. Sie beginnt am Folgetag, nachdem die Verfügung zugestellt wurde.
So geht es weiter
Die untere Aufsichtsbehörde prüft die Beschwerde, holt beim Betreibungsamt eine Stellungnahme ein und entscheidet dann. Diesen Entscheid kann man weiterziehen, zuerst an die obere Aufsichtsbehörde, falls es eine gibt, und dann ans Bundesgericht.
Kosten
Das Beschwerdeverfahren ist in der Regel kostenlos. Nur ganz ausnahmsweise, wenn jemand böswillig das Verfahren einleitet, kann er gebüsst werden und muss Gebühren zahlen.
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