Inkassofirma verhindert Neustart
Ein Schuldner hat einen Weg gefunden, um nochmals neu anzufangen. Doch dann macht ihm die Inkassofirma Intrum einen Strich durch die Rechnung.
Veröffentlicht am 22. August 2022 - 11:41 Uhr
Ein Burn-out, die Kündigung, dann 160'000 Franken Schulden. David Gerber* (Name geändert) hat es mit 35 Jahren den Boden unter den Füssen weggezogen. Er hoffte auf einen Neustart. Und der wäre ihm auch fast gelungen. Mit der Hilfe von Jürgen Vetterlein, einem pensionierten Vizedirektor einer Kantonalbank. Sparpläne sind sein Metier. Gefunden hat ihn David Gerber über die Webplattform Rent a Rentner.
Der ehrenamtliche Sanierungshelfer schlug den Gläubigern einen Teilerlass vor. Der Schuldenberg sei gross, die Chance, ihn zu tilgen, klein. Deshalb der Deal: Alle Gläubiger bekommen 20 Prozent ihrer offenen Beträge sofort ausgezahlt, im Gegenzug werden Gerbers Verlustscheine gelöscht. Laut Vetterlein die beste Lösung für alle. Und er hat Erfolg damit: Alle Gläubiger sind einverstanden – ausser Intrum.
Die Inkassofirma gehört zu den drei grössten Gläubigern von David Gerber. Offen sind 57'000 Franken. Weil die beiden anderen der Sanierung bereits zugestimmt haben, war Vetterlein auch bei Intrum optimistisch. Die ersten Rückmeldungen im August 2021 waren positiv. Dann hörte er aber lange nichts mehr. Im November lehnte Intrum das Gesuch ab. Mit «fadenscheinigen Begründungen», sagt Vetterlein. Seine schriftlichen Versuche, die Sache zu klären, blieben bis heute unbeantwortet.
Inkassofirmen sind verpflichtet, einer Sanierung zuzustimmen, wenn die Gläubiger mit zwei Dritteln des Kapitals zustimmen. In David Gerbers Fall kam diese Zweidrittelmehrheit knapp nicht zustande. Seit Anfang Juni diskutiert das Parlament nun über ein Verfahren, das diese Ausgangslage verbessern und es Schuldnern erlauben soll, sich endgültig von den Schulden zu befreien. Damit will man verhindern, dass ihnen lebenslang der Lohn gepfändet wird und sie in die Sozialhilfe gedrängt werden.
Als der Beobachter bei Intrum nachhakt, liefert das Unternehmen die Antwort, um die sich Sanierungshelfer Vetterlein das ganze letzte Jahr bemüht hatte. Im Fall Gerber gebe es weder eine aktuelle Gläubigerliste noch einen Budgetplan . Erst wenn beides vorliege, sei es möglich, die Sanierung zu prüfen. Eine Bedingung, die Vetterlein zum ersten Mal hört. «Mein Eindruck bleibt: Intrum hat schlicht kein Interesse an einer Lösung. Und pocht weiterhin darauf, den vollen Betrag zu erhalten.»
Wenn sich der Schuldenberg anhäuft, nutzen meist dubiose Sanierungsbüros die Unwissenheit der Schuldner. Beobachter-Mitglieder erfahren, wie das Verfahren eines Privatkonkurses aussehen könnte, welche Rechte bei einer Pfändung gelten und erhalten in einer Schuldenberatung weitere Handlungsanweisungen.
3 Kommentare
Intrum stellte mir Rechnung für ein paar hundert Franken, weil ich bei einem Videohändler etwas im Warenkorb im Onlineshop drin hatte, es wurde nicht versendet oder so, einfach im Warenkorb online drin. Neuerdings machen sie mit Byjuno dasselbe. Byjuno ist eine absolute Abzockerfirma und Tochterfirma von Intrum Justitia.
Es gibt wohl kaum jemand, der/die schon mal von der Intrum belästigt wurde, der/die keine Geschichte über schlechte Erfahrungen zu erzählen hat. Sei es ungerechtfertigte Forderungen, die wundersame Erhöhung eines kleinen dreistelligen Betrages in eine vierstellige (wegen Bearbeitungsgebühren, Spesen, etc.), kaum oder keine Antwort auf Anfragen, etc.
Die Firma agiert mMn hart unter der Grenze des Erlaubten und ich frage mich, warum die Justiz hier nicht durchgreift und die Schuldner besser schützt. Die Gesetze wären vorhanden.
Auf meine Anfrage wegen utopischen Verzugsschäden eine Antwort vom Bundesamt für Justiz:
"Es bestehen zur Zeit Anstrengungen, gemeinsam mit den Inkassobüros und den Konsumentenorganisationen eine gemeinsame Lösung zu finden. Sofern dies gelingt, werden wir in absehbarer Zeit eine vernünftige Handhabung des Problems durch die Beteiligten erwarten können."
Diese Antwort war vom 4. Oktober 2010. Geschehen ist seither genau: Nichts - das aber angestrengt. Täterschutz ist ein Kernelement der Schweizer Wirtschaft...
Zudem hält Intrum geleistete Zahlungen an den Gläubiger zurück, statt sie diesem auszuzahlen. Das passende Adjektiv lasse ich weg…