Dicke und Raucher sind nicht zu beneiden: Kinder zeigen mit dem Finger auf sie, und der Staat will sie mit Verboten und Kampagnen bessern. Ein wenig Trost verspricht jetzt Quantum, ein Liechtensteiner Versicherungskonzern. Er will eine Lebensversicherung auf den Schweizer Markt bringen, die ungesunden Lebenswandel mit einer höheren Monatsrente belohnt. Denn übergewichtige Raucher sterben früher als sportliche Nichtraucher und beziehen weniger lang Rente. «Allein die Tatsache, dass jemand Raucher ist oder zum Beispiel unter Bluthochdruck leidet, ist für uns Grund für eine deutlich höhere Rente», wirbt Quantum.

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In Deutschland ist die sogenannte Individualrente bereits erhältlich. «In der Schweiz stehen wir in Verhandlungen mit möglichen Vertriebspartnern», sagt Ralf Schönung, Leiter Vertrieb und Marketing bei Quantum Leben. Bei diesen Partnern soll es sich um Versicherungsmakler oder Banken handeln.

Auf das Ableben eines Kunden zu wetten mag zynisch wirken. Aber bereits heute werden lebensverkürzende Faktoren wie etwa der Beruf bei der Rentenberechnung berücksichtigt. Auch bei Haftpflichtversicherungen für Fahrzeuge werden Versicherte entsprechend ihrem Risikoverhalten und gar nach ihrem Herkunftsland eingestuft.

Eines kann man den Versicherern nicht vorwerfen: dass sie schlecht rechnen. Entsprechend gut abgestützt ist denn auch das Wissen über den Einfluss der Lebensweise auf die Lebenserwartung. Raucher mit hohem Blutdruck und zu viel Cholesterin leben im Schnitt zehn Jahre weniger lang. So das Ergebnis einer im September veröffentlichten Studie der Universität Oxford, die 19'000 Männer zwischen 40 und 69 jahrzehntelang untersucht hat. Zudem gibt es Hinweise, dass Raucher grundsätzlich zu einem risikoreicheren Lebensstil neigen.

Wer mindestens 15 Zigaretten pro Tag raucht und schwer übergewichtig ist, kann bei Quantum Leben eine bis zu 40 Prozent höhere Rente kassieren als mit klassischen Leibrenten (siehe nachfolgende Grafik). Dabei erhalten Männer grundsätzlich mehr, da sie unabhängig vom Lebenswandel eine tiefere Lebenserwartung haben als Frauen. Eine Individualrente kann ab dem 55. Lebensjahr abgeschlossen werden, die monatlichen Renten werden dann sofort ausbezahlt. Konkrete Berechnungsbeispiele gibt es aktuell nur für Deutschland. Quantum ermittelt nun die Grundlagen für Schweizer Zahlen und testet die Wettbewerbsfähigkeit des Produkts auf dem hiesigen Markt.

Beweisen, dass man raucht – und aufhören

Für den Vertragsabschluss werden Kunden ihren Zigarettenkonsum und Gesundheitszustand mit einer Checkliste offenbaren müssen. Allenfalls kann eine Bestätigung durch den Hausarzt verlangt werden. Falls nötig, ist der Nikotinkonsum über einen Blut-, Urin- oder Speicheltest bestimmbar. Was nach Vertragsabschluss geschieht, spielt keine Rolle. Der Kunde kann sofort aufhören zu rauchen, die Rente bleibt gleich hoch. «Wir gehen nicht davon aus, dass sich im fortgeschrittenen Alter die Lebenserwartung dadurch drastisch ändert. Zudem sind die Rückfallquoten bei Rauchern und auch bei Übergewichtigen ja relativ hoch», sagt Ralf Schönung. Die Rente wird lebenslang ausbezahlt. Wenn der Kunde eine Rentengarantiezeit vereinbart und vor deren Ablauf stirbt, kann er bis zu zehn Jahre lang Hinterbliebene begünstigen.

In Grossbritannien gibt es individualisierte Sofortrenten schon länger. Ein halbes Dutzend Versicherer generieren damit einen Jahresumsatz von über zwei Milliarden Franken. Grosse Schweizer Versicherer wollen zurzeit dennoch keine vergleichbaren Policen anbieten. «Wenn wir in einer Beratung feststellen, dass ein Kunde aus bestimmten Gründen Angst davor hat, früher zu sterben, würden wir ihm eher eine zeitlich befristete Rente empfehlen. Dadurch erhält der Kunde ebenfalls eine höhere Rente», sagt Axa-Sprecher Olivier Michel.

Ein Vorbild für die AHV?

Vom kürzeren Leben der Raucher profitieren auch die Sozialversicherungen. Die AHV muss für zehn Jahre durchschnittlich 230'000 Franken weniger bezahlen, eine Pensionskasse rund 300'000. Bei der Pensionskasse können sich Raucher das gesparte Kapital auszahlen lassen, was sich bei einer tiefen Lebenserwartung eher lohnt.

Auch bei der AHV wäre eine Individualisierung der Renten denkbar. Die Vorstellung, dass sportliche Rentner kürzer gehalten werden als qualmende Bewegungsmuffel, dürfte aber kaum mehrheitsfähig sein. «Neben Rauchen und Übergewicht gibt es ja unzählige weitere Faktoren, die die Lebenserwartung beeinflussen. Alle zu berücksichtigen und miteinander zu kombinieren ist kaum möglich. Es stellt sich grundsätzlich die Frage, ob eine Individualisierung der AHV mehr Gerechtigkeit schaffen würde», sagt Harald Sohns vom Bundesamt für Sozialversicherungen.

Rauchern und Übergewichtigen wird zuweilen vorgeworfen, das Gesundheitswesen übermässig zu beanspruchen. Über das ganze Leben gerechnet, trifft das Gegenteil zu: Schlanke Nichtraucher konsumieren laut Berechnungen des niederländischen Instituts für öffentliche Gesundheit und Umwelt medizinische Leistungen in der Höhe von 420'000 Franken. Das sind rund 92'000 Franken mehr als Raucher. Dazwischen liegen die Übergewichtigen mit 377'000 Franken. Die 2008 veröffentlichten Berechnungen basieren auf statistischen Erkrankungswahrscheinlichkeiten, die für die drei Gruppen hochgerechnet wurden. Entscheidend ist auch hier die unterschiedliche Lebenserwartung. Bei gesunden, schlanken Menschen liegt sie gemäss Studie bei 84, bei Übergewichtigen bei 80 und bei Rauchern bei 77 Jahren.

Früher sterben, schneller sterben

Je älter, desto grösser ist bei Rauchern und Übergewichtigen die Wahrscheinlichkeit, schwer krank zu werden. Viele sterben relativ schnell daran. Nichtraucher dagegen müssen in ihren zusätzlichen Lebensjahren mit langwierigen, aber nicht unmittelbar tödlichen Altersbeschwerden rechnen. Hinzu kommen oft Auslagen für Betreuungsdienste und Heime. In der letzten Lebensphase steigen die Kosten bei schlanken Nichtrauchern erst recht dramatisch an. Die niederländischen Forscher äussern sich auch zum Nutzen staatlicher Präventionsprogramme: «Die Vorsorge bewirkt, dass eine tödliche, aber billige Krankheit durch weniger schlimme, dafür teurere Krankheiten ersetzt wird.»

Beim Bundesamt für Gesundheit ist keine Studie dieser Art geplant. «Diese rein ökonomische Betrachtung greift zu kurz», sagt Sprecherin Karine Begey. Aus Sicht der öffentlichen Gesundheit müsse auch der Nutzen eines gewonnenen oder behinderungsfreien Lebensjahrs berücksichtigt werden. Die Reduktion der Risikofaktoren Übergewicht, Tabak und Alkohol sei dafür entscheidend.

Die Ergebnisse der niederländischen Studie mögen erschrecken, weil sie nur die direkten Gesundheitskosten berücksichtigen. Soziale Auswirkungen, etwa Betreuungsaufgaben von Angehörigen, sind nicht erfasst. Unerwähnt bleiben auch volkswirtschaftliche Schäden durch Arbeitsausfälle. Umgekehrt haben die Forscher Gelder, die Raucher mit der Tabaksteuer ins Gesundheitssystem pumpen, nicht eingerechnet.

Um ökonomisch zu bleiben: Wer sich wegen seines ungesunden Lebenswandels für eine Individualrente entscheidet, sollte nach Vertragsabschluss unbedingt rauchfrei leben. Zur höheren Rente kommt dann noch das gesparte Zigarettengeld.

Quelle: Stock-Kollektion colourbox.com