Entlassungen statt Kurzarbeit
Die Berner Heimatwerke haben nach dem Lockdown alle elf Mitarbeiterinnen entlassen. Doch warum meldete die Genossenschaft keine Kurzarbeit an oder beantragte einen Corona-Kredit?
Veröffentlicht am 9. April 2020 - 09:12 Uhr,
aktualisiert am 4. März 2022 - 10:06 Uhr
Hinter den Kulissen der Berner Heimatwerke brodelt es. Die Genossenschaft hat allen elf Mitarbeiterinnen, die im Laden an der Kramgasse in Bern beschäftigt waren, die Kündigung ausgesprochen. Besonders bitter ist das für jene Hälfte der Frauen, die bereits älter als 50 sind.
Der Grund: Die Genossenschaft ist finanziell in Schieflage geraten, weil eine frühere Geschäftsführerin Geld hinterzogen haben soll. Davon hätten sich die Berner Heimatwerke nie erholt, so ein Insider. Das Verfahren ist hängig. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Die Schuldenlast sei durch die Unterschlagung erdrückend geworden. Vor dem Corona-Lockdown habe man noch versucht, Geldgeber zu finden. Doch die vom Bundesrat verordnete Schliessung der Geschäfte habe den Niedergang beschleunigt.
Einen Corona-Kredit hätte die Genossenschaft mit ihren Schulden gar nicht erst bekommen, will der Insider wissen. Auch Kurzarbeit hätte nichts gebracht. Die Genossenschaft befinde sich darum jetzt in Liquidation.
Damit konfrontiert, wollte Peter Wenger, Verwaltungsratspräsident der Genossenschaft, nur so viel sagen: «Wir setzen alles daran, dass wir den Laden nach dem Lockdown wieder eröffnen können.» Die Mitarbeiterinnen hätten unterschiedlich lange Kündigungsfristen. Je nachdem, wie schnell der Lockdown beendet werde, könnten Angestellte, deren Kündigungsfrist dann noch nicht abgelaufen ist, wieder beschäftigt werden.
Bei der Unia kenne man mehrere Fälle, in denen Angestellte entlassen wurden, obwohl die Möglichkeit für Kurzarbeit bestanden hätte. «Dieses krasse Beispiel zeigt, dass die Angestellten in der Schweiz grundsätzlich sehr schlecht vor Kündigungen geschützt sind. Gerade jetzt zeigt sich wieder einmal, dass es einen besseren Kündigungsschutz braucht», sagt Unia-Sprecherin Leena Schmitter.
Nachtrag vom 14. Oktober 2020
Der Schweizer Presserat hat eine Beschwerde gegen obigen Beobachter-Artikel in zwei von vier Punkten gutgeheissen.
Demnach wurden mit dem Online-Artikel «Entlassungen statt Kurzarbeit» und dem Artikel «Entlassungen beim Berner Heimatwerk» vom 24. April 2020 die Ziffern 1 (Wahrheit) und 3 (Unterschlagung von Informationen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.
Mit der Behauptung, dass die Berner Heimatwerke laut Insider-Informationen «angeblich in Liquidation seien, weil eine frühere Geschäftsführerin Geld hinterzogen habe», habe der Beobachter unüberprüft falsche Informationen verbreitet.
Nachtrag vom 17. August 2021
Ende Juli 2021 sprach das Regionalgericht Bern-Mittelland die frühere Geschäftsführerin vom Vorwurf der ungetreuen Geschäftsbesorgung vollumfänglich frei. Im Unterschied zur Staatsanwaltschaft, die den Freispruch der zuständigen Richterin akzeptiert, hat das Heimatwerk die Sache ans Obergericht weitergezogen.
Nachtrag vom 4. März 2022
Das Heimatwerk hat sich aussergerichtlich mit der Beschuldigten geeinigt und seine Beschwerde gegen den Freispruch des Regionalgerichts Bern-Mittelland zurückgezogen. Damit ist die Beschuldigte rechtskräftig vollumfänglich freigesprochen.
2 Kommentare
Eine Entschuldigung von Frau Haefely an die frühere Geschäftsführerin für die Verbreitung der falschen Informationen im 2020 ist nicht erfolgt. Weshalb?
Ich kann nicht verstehen, dass der Beobachter ihre Geschichte damals nicht angehört hat.
Der Artikel wurde vom Presserat beanstandet und der Beobachter hat diese Beanstandung veröffentlich (siehe oben).