«Es braucht ein Dorf, um ein Kind zu erziehen», sagte schon meine Grossmutter. Gut, dass ich in einem Dorf wohne. Und schlecht, dass sich ebendieses Dorf bisher als schüchtern in Sachen Kindererziehung gezeigt hat: Niemand greift bei einem Trotzanfall der Vierjährigen an der Supermarktkasse ein – oder beruhigt die heulende Einjährige.

Wo ist das besagte Dorf, wenn man es braucht? Ganz klar: auf dem Dorfspielplatz. Denn hier lassen sich die verschiedensten Elterntypen und ihre Erziehungsstile live beobachten, wenn man nur neugierig genug hinschaut.

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Da wären die übermotivierten Erstlingseltern, die den sechs Monate alten Säugling auf Rutschbahn und Schaukel schleppen. Alles muss ausprobiert und erklärt werden, damit später keine Fragen seitens des Babys mehr offen sind. Ein Vorbild für Motivation und Animation.

Dann wäre da noch der Rebellen-Daddy. Von seiner Frau zum unliebsamen Ausflug mit den drei Kids verdonnert, hockt er am Rande des Sandkastens und tippt auf dem Handy, in der anderen Hand qualmt die Zigarette. Das Baby im Sandkasten schiebt sich Fäustchen voller Sand in den Mund, die Schwester streitet sich lautstark mit anderen Kindern um das Kesseli, und der Grösste verrichtet seine Notdurft gegen den Zaun. Gelassenheit kann man von diesem Erziehungsstil lernen.

Auf einer picobello Picknickdecke sitzt die Perfektionistin. Fünf Tupperdosen mit geschnittenem Gemüse hat sie vor sich ausgebreitet. Die Kinder in weissen Rüschenkleidern sind nahtlos mit Sonnencreme übergossen. Nach zwei Stunden aber zerrt auch sie trotzende, braun befleckte Schreihälse und haufenweise durchgesabberte Grünzeugstängel nach Hause. Die Bilanz: Perfektion lohnt sich nicht.

Und dann wäre da noch die Working Mom, eine Hand am Kind, eine am Handy. Es steigt förmlich Dampf aus ihren Ohren beim ständigen Wechsel zwischen Quartalsanalysen und Warum-Fragen ihres Fünfjährigen. Ich lerne: Multitasking ist Stress.

Meine eigenen Kinder locke ich nun mit Smarties nach Hause. Ein Geheimtipp vom letzten Besuch hier. «Am schönsten lernt es sich von den Fehlern der andern», sagte schon meine Grossmutter. Danke, Dorf, für deine Hilfe.