Wie geht es den versteckten Kindern heute?
Saisonniers durften in der Schweiz jahrzehntelang ihre Familie nicht bei sich haben. Eine Studie will nun die Folgen dieser Zeit beleuchten.
Veröffentlicht am 4. Dezember 2020 - 10:45 Uhr
Beobachter: Ab den fünfziger Jahren wurden Hunderttausende Saisonniers als billige Arbeitskräfte in die Schweiz geholt. Wie wurden Sie auf das Schicksal ihrer Kinder aufmerksam?
Bea Costa: Vor einem Jahr las ich im Beobachter davon . Ich war schockiert, wie wenig ich wusste. Dabei bin ich selber halbe Seconda, meine Familie stammt aus Sizilien.
Weshalb wurde das Thema kaum aufgearbeitet?
Scham- und Schuldgefühle spielen eine grosse Rolle. Gastarbeiter kamen freiwillig in die Schweiz, waren aber auf Geld angewiesen. Also entschieden sie sich gegen ein normales Familienleben. Kinder wurden versteckt, bei Verwandten oder in Kinderheimen zurückgelassen. Sich damit zu befassen, reisst alte Wunden auf. Die Schweiz schweigt, weil sie wirtschaftliche Interessen über die Rechte der Migranten setzte.
Was wollen Sie untersuchen?
Ich möchte wissen, welchen Einfluss das Verstecktsein über die gesamte Lebensspanne hinweg auf die psychische Gesundheit genommen hat. Dazu interviewe ich Betroffene. Die Studie soll einen Beitrag zur Aufarbeitung leisten und eine gesellschaftliche Diskussion anstossen.
Ähnliche Studien gibt es kaum.
Auch meine hatte es schwer. Die Uni Zürich zeigte Interesse, bedauerte jedoch, dass aktuell kein Geld vorhanden sei. Ich versuchte es ein zweites Mal und schlug vor, das Geld selber aufzutreiben. Das funktionierte: Seither werde ich vom Psychologischen Institut unterstützt und beraten.
Woher kommt das Geld?
Von den meisten Gewerkschaften und Stiftungen erhielt ich Absagen. Also erstellte ich ein Crowdfunding auf Wemakeit.ch. Die Hälfte des Geldes kam schon zusammen, noch bis zum 19. Dezember wird gesammelt. Ich hoffe, dass es klappt. Die Studie mache ich aber so oder so – das Thema liegt mir am Herzen.
Das Crowdfunding war erfolgreich! Nun sucht die Uni Zürich Teilnehmerinnen und Teilnehmer für die wissenschaftliche Studie. Im Rahmen eines Interviews möchte Projektleiterin Bea Costa versuchen, persönliche Erfahrungen besser zu verstehen. Dies soll helfen, das individuelle Erleben zu würdigen und damit den öffentlichen Diskurs unterstützen.
Teilnahmebedingungen: Sie haben vor 1991 versteckt in der Schweiz gelebt und verfügen über gute Deutschkenntnisse.
Bei Interesse an einer Teilnahme oder Fragen melden Sie sich bitte bei Bea Costa, Tel.: 076 339 81 93.