«Schon als Kind habe ich Spielsachen auseinandergebaut»
Mit 3,4 Millionen Abonnenten ist er hierzulande einer der erfolgreichsten Youtuber. Sein Spezialgebiet: das Restaurieren alter Metallgegenstände. Urs ist Zentralschweizer und 37 Jahre alt. Mehr gibt er von sich nicht preis.
Meinen eigenen Kanal auf Youtube eröffnen und dann durchstarten: Das war mein erklärtes Ziel, nachdem ich im Netz auf die Videos des Kanals «Restore It» gestossen war – von einem Youtuber, der alte Sachen restaurierte und mit seinen Videos Erfolg hatte. Was dann aber folgte, hätte ich selbst kaum geglaubt.
Die Basis dazu habe ich anscheinend schon sehr früh gelegt: Bereits als kleiner Junge hätte ich dauernd meine Spielsachen auseinandergebaut, sagt meine Mutter. Dem Handwerklichen blieb ich treu, entschied mich für eine Automatikerlehre und sattelte später auf Polymechaniker um. In diesem Beruf arbeitete ich zwölf Jahre lang – bis zum Entscheid, den eigenen Youtube-Kanal «My Mechanics» zu lancieren.
Im allerersten Video von August 2018 restaurierte ich einen alten Druckluftschleifer, der noch aus der Werkstatt meines Grossvaters stammte. Das war vom Filmischen, aber auch von den Views her natürlich noch stark verbesserungswürdig. Einen Monat später dann der erste kleine Durchbruch für meinen Kanal: ein Wagenheber von 1930, den ich wieder auf Vordermann brachte. Dieses Video postete ich auch auf dem Social-News-Netzwerk Reddit; dort hat man auch als Unbekannter die Chance, sichtbar zu werden. Da kam erstmals dieser Glückskick: Abonnenten innerhalb von 24 Stunden auf 160 verdreifacht, 2000 Views an einem Tag, der Himmel auf Erden.
Und dann packt dich der Algorithmus von Youtube – plötzlich werden deine Videos gepusht. Den endgültigen Durchbruch stellte mein fünftes Video von November 2018 dar: die Restauration eines rostigen und festgefressenen Schraubstocks der Schweizer Marke Gressel. Die Abonnentenzahl stieg auf 50'000, und bis heute zählt das 16-minütige Video knapp 32 Millionen Views. Zu jenem Zeitpunkt hatte ich auch die Kriterien von Youtube erfüllt, um Werbung schalten zu lassen und so meine Videos monetarisieren zu können. Verrückt: Bereits drei Monate nach Lancierung meines ersten Videos konnte ich von den Youtube-Einnahmen leben. Also kündigte ich meinen Job.
Beruhigende Wirkung
Ein passendes Werkstück zu finden, ist übrigens gar nicht so einfach: Es muss in einem genügend schlechten Zustand sein, damit das Vorher und Nachher optisch auch eindrücklich ist. Die eigentlichen Restaurierungsarbeiten können einige Tage, aber auch mehrere Wochen dauern, und für den Videoschnitt wende ich heute noch mal mindestens eine Woche auf. Denn selbst das Rausdrehen einer Schraube zeige ich oft in bis zu vier verschiedenen Einstellungen.
Und auch auf eine gute und angenehme Wiedergabe der Arbeitsgeräusche achte ich in meinen Videos mittlerweile. Nicht zuletzt deshalb, weil offenbar diverse meiner Abonnenten aus der sogenannten ASMR-Ecke (autonome sensorische Meridianreaktion) von Youtube kommen, wo es um Entspannung geht. Schwangere oder auch Menschen mit Angstattacken schreiben mir oft, dass meine Videos sie beruhigen.
Brasilien, Russland und die USA – dort habe ich die meisten Zuschauer. Mein bisher erfolgreichster Beitrag ist die Restaurierung eines Ratschenschraubers aus dem Jahr 1891: 76 Millionen Aufrufe innerhalb von zwei Jahren. Weshalb genau dieses Video derart durch die Decke ging, kann ich nicht wirklich begründen. Youtube bleibt auch für mich manchmal unerklärlich. Genau wie der Umfang meines Erfolgs: Mit 3,4 Millionen Abonnenten gehöre ich zu den Top Ten in der Schweiz.
Natürlich ist das auch lukrativ – ich verdiene sicher mehr als im angestammten Job. Neben Youtube bringen mir ausserdem Facebook und die Plattform Patreon Einnahmen – bei letzterer zahlen Abonnenten monatliche Gebühren für weiterführende Inhalte. Und ja, ich geniesse die grosse Aufmerksamkeit – gerade weil ich dabei trotzdem anonym bleiben kann. Dass ich mich in den Videos selbst gar nicht zeige und wortlos bleibe, habe ich von Anfang an so entschieden. Das ist auch deshalb gut, weil die Beiträge ohne Sprache weltweit funktionieren.
Knatsch mit Facebook
Natürlich gab es in den vergangenen vier Jahren dieser One-Man-Show auch Phasen, in denen ich mich jobmässig etwas einsam gefühlt habe. Mittlerweile kann ich aber gut damit umgehen. Von mir aus darf es gern so weitergehen. Aber mir ist auch klar, dass es schnell vorbei sein kann.
Vor zwei Jahren hat mir Facebook plötzlich die Werbeeinnahmen gestrichen, da ich gegen ihre Richtlinien verstossen haben soll. Und das Blöde: Bei Facebook gibt es null Support. Du hast niemanden, dem du eine Mail schreiben oder den du anrufen kannst, um das Missverständnis aufzuklären. Dann kannst du nur darauf warten, dass das System seinen Fehler selbst bemerkt – bei mir zum Glück so geschehen.
Aufgezeichnet von Üsé Meyer