Vom Coronavirus gestoppt – aber nicht alle
Über 75 Anlässe sollten die Parlamentarierinnen während der Frühjahrssession anlocken. Doch das Coronavirus durchkreuzt den Plan der Lobbyorganisationen.
Veröffentlicht am 2. März 2020 - 15:45 Uhr
So umschwärmt waren die Mitglieder von National- und Ständerat noch nie: 75 Veranstaltungen an 12 Sitzungstagen zählt Lobbywatch in der exklusiven Zusammenstellung zur Frühjahrssession. Ob ein Mittagessen zum Thema Klimawandel (Litra), ein Ausflug in den Swiss Bike Park (Swiss Cycling) oder eine «Table Urbaine» (Schweizerischer Städteverband): Es hat für jeden Geschmack etwas dabei.
Besser gesagt: Es hatte für jeden Geschmack etwas dabei. Denn aufgrund der vom Bundesrat ausgerufenen «besonderen Lage» wegen des Coronavirus und den damit verbundenen Einschränkungen werden zahlreiche Veranstaltungen ausfallen. So hat die Verwaltungsdelegation der eidgenössischen Räte das Bundeshaus für Besucherinnen und Besucher gesperrt.
Was die publizierte Anordnung der Parlamentsdienste verschweigt: Neben den Ratsmitgliedern, den Angestellten von Bundesverwaltung und Parlamentsdiensten sowie den ständig akkreditierten Journalistinnen und Journalisten hat somit nur eine Personengruppe Zugang zum Bundeshaus: Die Lobbyistinnen und Lobbyisten , die von einem Ratsmitglied einen Zutrittsausweis erhalten haben. Dies bestätigen die Parlamentsdienste auf Anfrage von Lobbywatch.
Der faktischen Sperrung des Bundeshauses fallen allein 17 Veranstaltungen zum Opfer, die in Sitzungszimmern im Parlamentsgebäude oder im Parlamentsrestaurant Galerie des Alpes geplant waren.
Auffallend ist, dass während der Frühlingssession insgesamt 23 Veranstaltungen von parlamentarischen Gruppen und den hinter ihnen stehenden Lobbyorganisationen hätten stattfinden sollen. Die Häufung ist kein Zufall: Am 20. März treten neue Richtlinien zu diesen Gruppen in Kraft. Ziel ist es, den Wildwuchs einzudämmen.
So hatte zum Beispiel der ehemalige Waadtländer CVP-Nationarat Claude Béglé in der letzten Legislaturperiode nicht weniger als sieben parlamentarische Gruppen angemeldet – wobei teilweise nicht einmal die von ihm als Vizepräsidenten bezeichneten Ratsmitglieder von ihrem Glück wussten. Auch bei zahlreichen anderen Gruppen war den Parlamentarierinnen und Parlamentariern oft nicht klar, dass sie als Mitglied geführt wurden.
Parlamentarische Gruppen müssen deshalb nun ihren Zweck bei den Parlamentsdiensten anmelden und eine Mitgliederliste veröffentlichen. So wollten sie nun um tatsächliche Mitglieder buhlen – mit Apéros, Lunches und Nachtessen à discrétion. Das Virus macht nun vielen fürs Erste einen Strich durch die Rechnung.
Dieser Beitrag erscheint hier dank einer Kooperation von Beobachter.ch mit Lobbywatch Schweiz. Lobbywatch Schweiz ist ein nichtkommerzieller Verein und betreibt ein webbasiertes Recherchetool für Medienschaffende sowie einen Blog. Die Plattform Lobbywatch thematisiert Interessenbindungen zwischen National‐ und Ständeräten zu Firmen, Vereinigungen und Institutionen. Gleichzeitig wird der Einfluss dieser Verbände, Organisationen und Firmen analysiert. Die Beobachter-Journalisten Otto Hostettler und Thomas Angeli sind Co-Präsidenten von Lobbywatch.