Zeit für eine Erbschaftssteuer
Nach dem historischen Erfolg der Gewerkschaften stellt sich nun konkret die Frage, wie man die 13. AHV-Rente bezahlt. Eine nationale Erbschaftssteuer sollte dabei kein Tabu sein.
Veröffentlicht am 3. März 2024 - 16:45 Uhr
Am Ende war es deutlicher als gedacht: Ab 2026 wird es eine 13. AHV-Rente beziehungsweise 8,3 Prozent mehr pro Monat für die Pensionierten geben. Es ist ein Triumph für Pierre-Yves Maillard, Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds, und ein historischer Sieg für die Linke.
Lange hiess es, sie habe eine Vetomacht bei Volksabstimmungen über die Sozialversicherungen. Doch mit der Erhöhung des Rentenalters der Frauen, die gegen den Willen der Linken beschlossen wurde, schien es damit vorbei. Und nun das: Eine linke Volksinitiative zum Ausbau des Sozialstaats wird erstmals angenommen – gegen den Willen von Bundesrat, Parlamentsmehrheit und Wirtschaft.
Kolossale Fehleinschätzung
Zeitenwende ist vielleicht ein zu grosses Wort für das, was am 3. März 2024 geschehen ist. Aber an diesem Tag ist sichtbar geworden, dass sich in der Schweizer Stimmbevölkerung etwas verändert hat. Im September 2016 war die «AHVplus»-Initiative der Gewerkschaften, die die AHV-Renten um 10 Prozent erhöhen wollte, noch mit rund 60 Prozent Nein-Stimmen gescheitert. Wenn früher die Arbeitgeber im Vorfeld einer Abstimmung vor zu hohen Belastungen der Unternehmen warnten, konnte man fast davon ausgehen, dass die Sache gelaufen war. Das gilt nicht mehr.
Dass sich etwas in der Gesellschaft verschoben hat, liess sich schon bei der Konzernverantwortungsinitiative beobachten, die nur am fehlenden Ständemehr scheiterte. Die Bürgerlichen im Parlament vertrauten dennoch darauf, dass die 13. AHV-Rente am Ende doch chancenlos wäre und es keinen Gegenvorschlag brauche – eine kolossale Fehleinschätzung.
Die Initiative war auch erfolgreich, weil das Timing stimmte. Die Inflation ist zurück, die Mieten sind gestiegen, die Krankenkassenprämien sowieso, und während der Corona-Jahre und beim Untergang der Credit Suisse wurde deutlich, dass der Staat sehr viel Geld zur Verfügung stellen kann, wenn er nur will. Ausserdem sinken seit Jahren die Umwandlungssätze und damit die Renten der Pensionskassen. Warum also nicht einmal etwas für Rentnerinnen und Rentner tun?
Die Macht der Babyboomer
Hinzu kommt, dass die Pensionierten und diejenigen, die in den nächsten Jahren in Rente gehen, rein zahlenmässig immer mächtiger sind und auch häufiger abstimmen als die Jüngeren. Und anders als bei früheren Generationen scheint die Bereitschaft der Babyboomer gering, selbst dann noch den Empfehlungen von Bundesrat und Wirtschaft zu folgen, wenn es den eigenen Interessen eigentlich widerspricht. Die Empfehlung einiger alt Bundesräte, mit Nein zu stimmen, dürfte ziemlich kontraproduktiv gewesen sein.
Es war ein geschickter Schachzug der Initianten, offenzulassen, wie die 13. AHV-Rente finanziert werden soll – so bot sie weniger Angriffsfläche. Bei der Frage, wie die Rentenerhöhung bezahlt werden soll, dürfte es dafür umso heftiger werden. Die Linke ist für höhere AHV-Beiträge, da sie den Umverteilungseffekt der ersten Säule weiter verstärken: die Reichen zahlen mehr, als sie bekommen, und die grosse Mehrheit profitiert. Der Widerstand der Bürgerlichen und der Wirtschaft dagegen ist ebenso klar.
Mehrwertsteuer? Finanztransaktionssteuer?
Eine höhere Mehrwertsteuer träfe alle, auch die Pensionierten, hätte aber den Nachteil, dass sie Ärmere tendenziell stärker spüren – was eigentlich nicht Sinn dieser Rentenerhöhung sein kann.
Eine sogenannte Finanztransaktionssteuer, bei der das Traden an den Börsen besteuert würde, dürfte für viele erst einmal sympathisch klingen, hätte aber ein praktisches Problem: Wie will man verhindern, dass sich diese Geschäfte einfach in andere Länder verlagern? Nichts ist so globalisiert wie die Finanzströme.
Bessere Chancen für Erbschaftssteuer
Besser wäre eine Erbschaftssteuer auf Bundesebene. Es gibt erste Politikerinnen und Politiker, die das nun fordern. Bisher sind Erbschaftssteuern Sache der Kantone, die sich in der Vergangenheit einen Wettkampf um die besten Bedingungen für reiche Erben geliefert und die Erbschaftssteuern gesenkt haben. Eine nationale Lösung könnte das korrigieren.
Klar, im Jahr 2015 wurde eine entsprechende Volksinitiative mit 71 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. Aber es wäre Zeit für einen neuen Anlauf, denn nun muss man zwischen verschiedenen Möglichkeiten wählen. Wenn eine Erbschaftssteuer höhere Lohnabzüge oder eine höhere Mehrwertsteuer verhindern würde, wäre das für viele wohl attraktiver als 2015, wo der Nutzen für die AHV relativ abstrakt war.
Ökonomisch gilt eine Erbschaftssteuer als effizient und gerecht. Sie belastet weder Arbeitnehmer noch die Unternehmen, sie bremst auch nicht den Konsum. Und wenn man den Freibetrag hoch genug wählt, betrifft sie wirklich nur sehr grosse Erbschaften. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung könnte davon ausgehen, dass sie diese Steuer nie zahlen müsste. Allerdings wäre dafür eine Menge Überzeugungsarbeit nötig, denn Erben ist für viele vor allem eine emotionale Sache.
Ein Fiasko für die Renteninitiative
Die Renteninitiative der Jungfreisinnigen hätte ihren Teil zur Finanzierung der nun beschlossenen Rentenerhöhung beitragen können. Die Initianten konnten zwar nie mit einer Mehrheit rechnen, doch dass drei von vier Abstimmenden gegen ein höheres Rentenalter sind, das ist ein Fiasko. Hier war – neben dem ungeschickten Fokus auf das Alter statt der Lebensarbeitszeit – sicher das Timing ein Problem, da gerade erst das Rentenalter der Frauen erhöht wurde.
Spätestens 2026, wenn der Bundesrat ohnehin ein Konzept für die Finanzierung der AHV über das Jahr 2030 hinaus vorlegen muss, dürfte die Debatte jedoch wieder geführt werden. Bis dahin wird sich zeigen, ob die Initiative das Thema nun neu lanciert hat, wie die Initianten es darstellen, oder ob es mit diesem Abstimmungsergebnis definitiv erledigt ist, wie die Linke frohlockt.
Allerdings scheint die Zeit eher für ein höheres Rentenalter zu arbeiten. Nicht nur, weil die Geldsorgen der AHV weiter wachsen werden – der letzte Babyboomer-Jahrgang geht erst 2029 in Rente. Sondern auch, weil es gleichzeitig immer mehr Pensionierte bei Abstimmungen geben wird. Sie wären von einem höheren Rentenalter nicht betroffen, würden aber unmittelbar und gratis davon profitieren, dass die Finanzierung der AHV gesichert bleibt. Und das wäre ein sehr starkes Motiv.
6 Kommentare
Reichtum höher besteuern?
"Nehmt den Reichen das Geld weg, dann geht es uns allen besser". Diese Losung verkünden die Sozialisten und Kommunisten schon seit Jahrzehnten. Sie ist kurzfristig falsch, weil die Reichen immer die Möglichkeit haben, in Steueroasen zu fliehen. Sie ist langfristig falsch, weil mehr Geld bei den Konsument:innen die Investitionsquote absinken lassen oder der Staat als Investor meist nicht dort investiert, wo es vom Markt her gesehen am sinnvollsten ist.
Guten Tag an alle Siebengescheiten: Die in den geburtenstarken Jahren geborenen sind keine "Babyboomer", dieser Begriff ist eine Beleidigung. Es sind Menschen! Menschen, die, wie ihre Vorgänger, ihr ganzes Arbeitsleben lang (oft 45 Jahre und mehr) in die Altersversicherung eingezahlt und deshalb ein Recht auf die AHV-Rente haben. Es ist eine Frechheit, den immer gleichen verlogenen Sermon runterzubeten, die AHV habe kein Geld. Das Gegenteil ist der Fall. Was soll die ganze Lügerei. Selbst will man gerne jedes Jahr mehr Lohn, aber den älteren Leuten, deren Rente nicht mal der Teuerung angepasst wird, gönnt man keinen Rappen. In was für einer traurigen Gesellschaft wir leben. Die Schweiz verschenkt jedes Jahr Milliarden, an alle möglichen Länder der Welt, aber für die eigene Bevölkerung hat sie kein Geld.
Also zunächst ist das Abstimmungsergebnis nicht ein "historischer" Erfolg der Gewerkschaften, sondern der "Babyboomer", die - verständlicherweise - mehr Geld wollen. Diese Milliarden mit einer Erbschaftssteuer zu finanzieren ist wohl sehr kurz gedacht. Das mag 2-5 Jahre funktionieren, aber "leider" sterben weniger, als solche, die nun die nächsten Jahre die Pension antreten. Wieder einmal soll x-fach versteuertes Geld dazu beitragen die monetären Forderungen zu bedienen. Meines Erachtens wird dieser Entscheid genau die treffen, die glauben, nun mehr Geld im Portemonnaie zu haben.
Herr Dworacek,
die Erbschaftssteuer ist unter allen möglichen Varianten die weitaus gerechteste. Steuern werden anhand der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erhoben. Bei einem Sohn z. B. von Vasella ist diese enorm, obschon er selber dazu nichts beigetragen, sondern bis zu seinem Erbe nur profitiert hat. Die Steuern auf diesem Geld wurden ja von seinem Vater bezahlt und deshalb spricht rein gar nichts dagegen, dass der Sohn von diesen etlichen hundert Millionen Franken einen Teil an die Allgemeinheit abgibt.
Herr Dworacek,
Steuern werden aufgrund der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erhoben. Die Erbschaftssteuer ist die gerechteste Steuer überhaupt. Weshalb? Nehmen Sie das Beispiel eines Sterbenden, der 1 Mia Franken an seine Kinder vererbt. Diese haben dazu nichts beigetragen, sondern nur profitiert. Und versteuert hat das Geld der Vater. Wenn diese Kinder nun einen geringen Teil dieses Erbes an die Allgemeinheit abgeben, ist dies mehr als gerecht
Ich freue mich auf die Abrechnung der 13.ten Rente. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer, die allgemeine Teuerung durch die KMU's die ja den Beitrag auch finanzieren müssen, die allfällig höhere Progression bei den Steuern und schon ist aus dem Mehrwert eine Strafe im Minus gesichert. Wollten die Befürworter uns Rentner wirklich so bestrafen, danke?