Kanton will nicht mehr für Sterbehilfe von Ausländern zahlen
Seit eine Stiftung für Sterbehilfe nach Liestal zog, muss der Kanton Baselland vermehrt die Kosten begleiteter Suizide von Ausländern übernehmen. Politiker wehren sich.
Veröffentlicht am 2. August 2018 - 17:29 Uhr,
aktualisiert am 2. August 2018 - 17:24 Uhr
Zwischen Betonmischern und Forellenzucht, in einem Zweckbau an der Oristalstrasse in Liestal, liess sich im Mai der 104-jährige Wissenschaftler David Goodall in den Tod begleiten. Der Mann, klar im Kopf, war aus Australien nach Basel gereist. Er war einer von mehreren Dutzend, denen in Liestal bisher zum Freitod verholfen wurde . Die meisten kamen aus Nachbarländern, in denen Sterbehilfe wie in Australien verboten ist: aus Frankreich, Italien und Deutschland.
Unterhalten wird das Zimmer in Liestal seit Mai 2016 von Eternal Spirit, einer Stiftung für Sterbehilfe. Zuvor war sie in der Stadt Basel tätig. Doch dann klagten drei Nachbarn, weil einmal die Woche ein dunkler Wagen vorfuhr und einen Sarg aus- und später wieder einlud. Das Amt gab den Nachbarn Recht. Organisiertes Sterben im Wohngebiet sei störend – wie bezahlter Sex in einem Mietshaus.
In Baselland hat auch Exit, die grösste Sterbehilfeorganisation der Schweiz, ein Zimmer angemietet, in Binningen. In dem darf Exit maximal acht Todkranken im Jahr Sterbehilfe leisten, weil es in der Wohnzone liegt. Vor dem Zuzug von Eternal Spirit registrierte der Kanton 39, nach dem Zuzug 88 und letztes Jahr 99 «aussergewöhnliche Todesfälle», wie sie in Medizin und Recht genannt werden. In jedem Fall müssen die Umstände zwingend geklärt werden.
In Baselland prüfen zwei Polizisten, der Amtsarzt, der Gerichtsmediziner und der Staatsanwalt im Rahmen der «Legalinspektion», ob der Mann oder die Frau tatsächlich den Wunsch hatte, zu sterben. Und schützt damit die Sterbehelfer vor allfälligen Klagen Hinterbliebener.
180'000 Franken mussten 2017 die Steuerzahler im Kanton Baselland für den Freitod von Sterbewilligen bezahlen.
Liestal rechnet mit Kosten von 1820 Franken pro Fall. Das macht rund 180'000 Franken im letzten Jahr, überwiegend für begleitete Freitode von Ausländern. «Warum sollen die Steuerzahler in Baselland das übernehmen?», fragt sich Landrat Hans-Urs Spiess und fordert in einer Motion, Eternal Spirit und Exit sollten sich an den Kosten beteiligen. Das Parlament stimmte ihm zu. Es gehe ihm nicht um die Arbeit der Sterbehelfer, sagt Spiess. Er habe grossen Respekt und «finde es traurig, wenn ein 104-Jähriger um die halbe Welt reisen muss, um in Ruhe sterben zu können».
Eine Gebühr zum Sterben, das wäre neu. Exit lehnt sie ab. Exit-Mitglieder würden dort Sterbehilfe in Anspruch nehmen, wo sie wohnen und ihre Steuern zahlen: in der Schweiz. Bei Ausländern, die ohne Begleitung und durch eigene Hand sterben, würden die Kosten für die Untersuchung auch nicht den Verstorbenen in Rechnung gestellt.
Eternal Spirit hält den behördlichen Aufwand für überflüssig. Jeder Todesfall werde auf Video aufgenommen und dokumentiert, man brauche weder Polizei noch Ärzte noch Staatsanwalt, um zu beweisen, dass der Todesfall legal gewesen sei. Wünschbar wäre eine landesweite Lösung, damit die Kosten in Höhe von drei bis fünf Millionen Franken nicht anfielen.
Wie in der Schweiz üblich, hat jeder Kanton eigene Regeln: Zürich schickt vier Beamte, Bern bis zu acht. Pro Jahr lassen sich in der Schweiz etwa 1000 Einheimische und 250 Ausländer die Todestropfen reichen. Ob künftig viel mehr Sterbetouristen hinzukommen, ist unklar. «Wir mussten einen Patientenstopp vornehmen, weil es zu viele wurden», sagte Erika Preisig, die Gründerin von Eternal Spirit.
Wer sich mit der letzten Lebensphase auseinandersetzt und eine Sterbebegleitung in Erwägung zieht, sollte sich über verschiedene Dinge frühzeitig Gedanken machen. Mitglieder des Beobachters erfahren nicht nur, wie es um die rechtlichen Bestimmungen zur Sterbehilfe in der Schweiz steht, sondern auch, welche Entscheidungen nach dem Tod zu treffen sind und wie sie zugunsten ihrer Liebsten vorsorgen können.
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