Millionendeal auf Kosten der Prämienzahler?
Das Spital Uster ZH kauft sich selbst eine Firma ab. Gemeinden und Privatpersonen machen Kasse. Ein Bürger wehrt sich – im Namen der Prämienzahler.
Veröffentlicht am 12. März 2020 - 23:33 Uhr
Einige grüssen Thomas Werschlein nicht mehr. Er legt sich mit jenen an, die das Spital dirigieren. Weil sie eine Firma gekauft haben.
Der Deal spült dem Spitalpräsidenten 36'570 Franken aufs Konto, dem ehemaligen Spitaldirektor 6900 Franken, vielen Ärzten und ehemaligen Lokalpolitikern zwischen 3450 und 69'000 Franken. Gezahlt hatten sie für eine Aktie der spitalnahen Firma MDZ (Medizinisches Diagnose-Zentrum) ursprünglich 100 Franken. Heute soll sie 790 Franken wert sein, so hat es die Beratungsfirma PricewaterhouseCoopers (PWC) in einem Geheimgutachten ausgerechnet.
Thomas Werschlein und seine Mitstreiter wollen den Verkauf nun rückgängig machen – mit einem Rekurs beim Bezirksrat. Das Spezielle: Der Verkäufer ist zugleich der Käufer. Die Gemeinden, die das Spital betreiben, kaufen eine Firma, die ihnen mehrheitlich gehört. Ein Deal unter Insidern. Je höher der Preis, desto mehr Geld erhalten die Gemeinden vom Spital ausbezahlt. «Die Zeche zahlen wir Krankenversicherten», sagt Werschlein. Er ist überzeugt, dass die Firma viel weniger wert ist.
Die Firma MDZ untersucht im Auftrag des Spitals und der Ärzte der Region die Patienten mit Magnetresonanz- oder Computertomografen (MRI und CT). Die Gemeinden hatten sie gegründet, als es dem Spital noch verboten war, eigene Tomografen zu betreiben. Rund 40 Privatpersonen hatten sich damals ebenfalls an der Firma beteiligt.
Thomas Werschlein ist 51, hat zwei Firmen gegründet und sich beigebracht, Rechtsschriften im Alleingang zu verfassen. Am Anfang wollte er zusammen mit einigen Nachbarn einzig die Ausbaupläne des Spitals ändern. Die Gruppe nannte sich «Uster Akut». Heute wehre er sich auch gegen eine «selbstherrliche Clique» aus Privatpersonen und Behördenvertretern, die die Interessen der Prämienzahler nicht berücksichtigten.
Der Millionendeal war für die Verantwortlichen eine Formsache. Die Rechnungsprüfungskommission des Spital-Zweckverbands befürwortete die 3,9 Millionen Franken für den Firmenkauf im Eiltempo. Sie hatte für die Prüfung der Verkaufsunterlagen nur wenig Zeit. Die Delegierten des Spitalverbands stellten drei kurze Fragen und stimmten dann der Grossinvestition einstimmig zu. Das war im letzten November.
Die Aktionäre der MDZ hatten schon früher gut verdient an den Patienten. Die Firmenbesitzer, also die Gemeinden des Spital-Zweckverbands sowie die beteiligten Ärzte und Politiker, erhielten jährlich schöne Dividenden. Die öffentliche Hand kassierte in zwölf Jahren eine knappe Million Franken, die Privatpersonen rund 200'000 Franken.
Bis vor wenigen Jahren verbuchte die Firma bis zu 23 Prozent des Umsatzes als Reingewinn. Jede Behandlung brachte mehr als 110 Franken ein, zeigen Geschäftsberichte. Trotzdem nannte sich die Firma bis vor kurzem «gemeinnützige Aktiengesellschaft». Ein «Gemeinnützigkeitsschwindel», sagt Werschlein.
Das Geschäft mit Tomografiebildern lief so gut, dass das MDZ Uster expandierte. Allerdings nicht als einzige Firma: Innert fünf Jahren installierten Schweizer Spitäler und Privatanbieter knapp 50 Prozent mehr Tomografen, hat Wolfram Strüwe von der Krankenkasse Helsana errechnet. Weil mehr Anbieter um Patientinnen rangen, nahm der Wettbewerb zu.
Das Geschäft wurde riskanter. Auch weil Politiker die hohen Gewinne auf Kosten der Prämienzahlenden zunehmend hinterfragten. Das Bundesamt für Gesundheit errechnete, dass die Tarife für MRI- und CT-Bilder deutlich zu hoch sind, gemessen an den Kosten. Gesundheitsminister Alain Berset stoppte dann die Tomografen-Bonanza, indem er die Vergütungssätze per 2018 zusammenstrich. Ein MRI- oder CT-Bild eines Kniegelenks wurde rund 40 Prozent günstiger, die Gewinnmarge der MDZ Uster AG schrumpfte um über die Hälfte. Allerdings auch, weil die Expansion nach Wallisellen ZH wenig erfolgreich war. «Kaum sprudeln die Gewinne weniger üppig, will man die Risiken loswerden und verkauft», kritisiert Werschlein.
Der Zweckverband Spital Uster weist solche Vorwürfe als «haltlos» zurück. Der Aktienpreis basiere auf einem neutralen Gutachten der Beratungsfirma PWC. Die Prüfer hätten sich auch auf provisorische Zahlen zum Geschäftsjahr 2018 stützen können. Somit sei die Tarifsenkung durch den Bundesrat berücksichtigt und der Aktienpreis von 790 Franken nicht überhöht. Das Gutachten bleibt indes geheim. Das sei aus juristischen Gründen zwingend, heisst es beim Zweckverband.
Den Vorwurf der Befangenheit will der Zweckverband ebenfalls nicht gelten lassen. Der Spitalpräsident und der Ex-Direktor haben eine Firma zum Kauf vorgeschlagen, die ihnen zu einem sehr kleinen Teil selber gehört. Doch beide haben an der Delegiertenversammlung beim Traktandum Firmenkauf nicht abgestimmt. Man sei mit allfälligen Interessenkonflikten adäquat umgegangen, indem man ein externes Gutachten zum Preis der Firma bestellt habe.
Thomas Werschlein überzeugt das nicht. Der Zweckverband verstecke sich beim Firmenkauf hinter einem Geheimgutachten. «Das können sie beim Neubau eines Schulhauses auch nicht.» Der Millionendeal bleibe fragwürdig. Auch weil die wenig erfolgreiche Expansion Probleme verursache. So musste das MDZ jüngst seiner Tochterfirma mit über einer Million Franken unter die Arme greifen, wie aus einem Verwaltungsratsprotokoll hervorgeht. «Das haben die PWC-Prüfer nicht berücksichtigen können.»
Werschlein kämpft mit seiner Gruppe weiter gegen das einflussreiche Regionalspital – «selbst wenn wir in Uster zu Aussätzigen werden».
2 Kommentare
Mich freut, dass wir in der Person von A. Berset einen BR haben, der auch hier bei den CT-Tarifen kostendämpfend eingriff. So muss es sein. Es sei daran erinnert, dass auch die (kassenpflichtigen) Generika hierzulande deutlich teurer sind als in D oder F. Das wäre noch eine Kostendämpfungs-Baustelle !
solche machenschaften ist der "gute ton" dieser gesellschaft und man kann menschen wie t. werschlein nur danken für seinen mut.
heute dürfte er eine "person non grata" sein. zumindest in uster.
ist dieser rechtsstaat gewillt, die fehlbaren mit aller härte zur rechenschaft zu ziehen? …, wohl kaum. in diesem land lebt sich gefährlich, wer die wahrheit (machenschaften dieser art) aufdeckt und wird womöglich noch verfolgt mit sogenannten rechtsstaatlichen methoden. zu hoffen ist, dass man t. werschlein angemässen entschädigt für seinen aufwand. inwieweit es sich hier um "mafia ähnliche methoden" handelt bleibe dahin gestellt. wichtig ist es in einem proklamierten rechtssatt, solche gewinnorientierte saubermänner mit samthandschuhe anzufassen, ansonsten überquellen unsere gefängnisse.