Der ominöse Freund des Scheichs von Bahrain
Scheich Salman Al Chalifa wurde fast Fifa-Präsident. Weitere Versuche dürften folgen – doch ein mutmasslicher Millionenbetrüger, den auch die Schweiz sucht, könnte ihm in die Quere kommen.
Veröffentlicht am 27. September 2016 - 09:32 Uhr
Ahsan Ali Syed ist ein gesuchter Mann. Zunächst standen Firmen rund um den Globus Schlange bei seiner Investmentgesellschaft Western Gulf Advisory (WGA) mit Sitz in Bahrain und Zug. Der indische Geschäftsmann bot maroden Unternehmen Millionenkredite gegen Vorausgebühr an. Geld sahen viele von ihnen nie.
Heute sucht die Staatsanwaltschaft Zürich den untergetauchten Ali Syed. In der Schweiz ist er zur Verhaftung ausgeschrieben. Seine Konten sind eingefroren. Das beschlagnahmte Vermögen soll an die Gläubiger verteilt werden. Auch sie suchen nach dem mutmasslichen Betrüger. Doch wo steckt Ahsan Ali Syed?
Eine Spur führt in den kleinen Inselstaat Bahrain zu Fussballfunktionär Scheich Salman Al Chalifa. Dieser unterlag bei der Wahl zum Fifa-Präsidenten am 26. Februar 2016 im Zürcher Hallenstadion knapp seinem Schweizer Rivalen Gianni Infantino.
Infantino hat in seiner kurzen Amtszeit an der Fifa-Spitze bereits einiges von seiner Vertrauenswürdigkeit verspielt. So taucht der Name des Wallisers in den «Panama Papers» auf: Infantino hatte während seiner Zeit beim europäischen Fussballverband Uefa Verträge mit einer Briefkastenfirma zweier Sportrechtehändler unterschrieben, die im neuerlichen Fifa-Skandal von der US-Justiz angeklagt sind. Dazu kamen hohe Spesen für Matratzen oder Fussballschuhe, gesponserte Flüge in Privatjets. Im August sprach ihn die Ethikkommission der Fifa von den Vorwürfen frei. Infantino gefährdet aber damit die notwendigen Reformen innerhalb der Fifa.
Das lenkt den Blick erneut auf den zweitplatzierten Scheich Salman, der im ersten Wahlgang Infantino um nur drei Stimmen unterlag. Al Chalifa ist als Präsident der Asiatischen Fussball-Konföderation (AFC) und als Vizepräsident der Fifa weiterhin einer der mächtigen Funktionäre im Fussball. Ein neuer Anlauf für den Fifa-Thron ist wohl nicht ausgeschlossen. Im Weg stehen könnte allerdings sein bisher unbeachteter Einsatz für den mutmasslichen Kreditbetrüger Ahsan Ali Syed.
Scheich Salman ist ein Cousin des Königs von Bahrain. Die Königsfamilie Al Chalifa dominiert Politik und Wirtschaft. Bahrain zählt neben Dubai zu den wichtigsten Finanzzentren im Nahen Osten. Auch Betrüger konnten ihr Unwesen von den glitzernden Bürotürmen der Hauptstadt Manama aus treiben. Für Ali Syed war Bahrain ein sicherer Ort, ist es wohl bis heute.
Ahsan Ali Syed taucht 2008 in Bahrain auf. Am 11. Februar wird seine Investmentfirma WGA im dortigen Handelsregister angemeldet. Am 17. September wird der Schweizer Ableger der WGA in Zug gegründet.
Öffentlichkeitswirksam inszeniert sich Ali Syed als solventer und spendabler Milliardär. Mit seinem Privatjet pendelt er zwischen Bahrain und Zug, begleitet von Personenschützern. Er gibt vor, ein Pferdefan zu sein, wie viele Mächtige in der Golfregion; ein Pferdekopf ziert das Logo der WGA. Ali Syed sponsert das Neujahrsbenefizkonzert der Unicef 2011 in Luzern, Stargast: Roger Moore.
Sein bestes Argument ist jedoch sein angebliches Kapital. Im WGA-Geschäftsbericht von 2009 schreibt Ali Syed, insgesamt stünden 850 Millionen Dollar für Investitionen bereit. Die Staatsanwaltschaft geht dagegen von folgender Masche aus: Ali Syed bietet verzweifelten Unternehmern Kredite in Millionenhöhe und verlangt dafür eine Vorausgebühr. Firmen aus Australien oder Brasilien überweisen die Gebühr auf WGA-Konten bei der Credit Suisse in Zürich – bekommen den Kredit aber nie ausgezahlt. Die Verluste der Opfer lägen im zweistelligen Millionenbereich, schätzt die Staatsanwaltschaft Zürich.
In Europa stilisiert sich Ali Syed derweil als Retter maroder Fussballvereine. Mitte 2010 will er in England den damaligen Premier-League-Klub Blackburn Rovers für rund 300 Millionen Pfund übernehmen. Der Deal platzt im Oktober 2010. Darauf versucht Ali Syed sein Glück in Spanien. Im Januar 2011 erhält er den Zuschlag, Racing Santander zu übernehmen. Die Fans feiern ihn bei seinem ersten Besuch im Stadion. Doch der sportliche Erfolg bleibt aus: Ende der Saison 2011/12 steigt der Klub ab. Die Spieler können nicht mehr bezahlt werden.
Auch in der Innerschweiz hoffen zwei Gläubiger auf ihr Geld: Ali Syed kaufte für sich und seine Frau ein Stockwerkeigentum in der Wohnanlage «Seeresidenz Belvédère» in Hergiswil. Geplanter Einzug: Sommer/Herbst 2011. Doch auf den Kosten für den noblen Ausbau der Wohnung am Ufer des Vierwaldstättersees bleiben der Bauherr und der Wohnungseinrichter sitzen. Als es darum geht, die insgesamt über 700'000 Franken zu begleichen, ist Ali Syed verschwunden.
Gleichzeitig beginnen Ali Syeds Gläubiger, ihr Geld zurückzufordern. Sie engagieren den neuseeländischen Privatdetektiv Mark van Leewarden; der tönt im April 2011 in der Presse an, dass die Konten der WGA bei der Credit Suisse in Zürich eingefroren seien. Im Mai jenes Jahres meldet die Bank einen Geldwäschereiverdacht an die Schweizer Behörden.
Die Staatsanwaltschaft Zürich nimmt die Ermittlungen gegen Ali Syed auf. Der Fall zählt zu den ältesten auf dem Pult von Staatsanwalt Marcel Scholl. «Die Opfer von Ali Syed finden sich auf der ganzen Welt verstreut. Das erschwert unsere Ermittlungsbemühungen massiv», sagt er.
Öffentlich tritt der australische Immobilienunternehmer Keith Johnson gegen Ali Syed auf. Im Dezember 2011 spricht ihm ein Schiedsgericht in Bahrain 3,6 Millionen Dollar zu. Anfang 2012 reist Johnson nach Bahrain, um den lokalen Strafverfolgern weitere Papiere zu übergeben.
Ali Syed lässt keine Gelegenheit aus, seine Nähe zur bahrainischen Herrscherfamilie zu dokumentieren: Auf einem Gruppenfoto legt Scheich Salman, in das traditionelle Gewand der Region gekleidet, wohlwollend die Hand auf Ali Syeds Schulter. Das Bild (siehe unten rechts) veröffentlichte dessen Firma auf ihrer Website. Und in Anzeigen von Inflight-Magazinen rühmt sich die WGA, man sei ein «zuverlässiger Berater königlicher Individuen und Familien».
Gegenüber der Nachrichtenagentur AFP lässt sich Ali Syed so zitieren: «Ich bin stolz auf Bahrain. Ich bin stolz auf die Herrscherfamilie. Sie machen einen Superjob, und Bahrain ist so stabil wie Spanien.» Das ist im März 2011. Zu diesem Zeitpunkt hat der Arabische Frühling Bahrain erreicht. Demonstranten ziehen durch die Strassen und werden niedergeschossen.
Just in dem Moment, als die Gläubiger Ali Syed in Bahrain unter Druck setzen, stellt sich Fussballfunktionär Scheich Salman öffentlich auf seine Seite. Im April 2012 publiziert die staatliche Nachrichtenagentur Bahrain News Agency ein Loblied Salmans auf Ali Syed. Man habe volles Vertrauen in dessen Firma WGA, und man «lobpreise» dessen Bemühungen um den bahrainischen Fussball.
Damit sendet Scheich Salman Al Chalifa eine Botschaft an Geschäftspartner und Kunden: Man werde Ali Syed nicht fallen lassen. «Wir wollen noch stärker mit WGA arbeiten, an Sponsoring in anderen Feldern arbeiten und noch grössere Partnerschaften eingehen», heisst es in der besagten Meldung.
Mit einer Wiedergutmachung rechnet der Australier Johnson nicht: «Uns wurden Gelder zugesprochen, aber die Regierung Bahrains hat verhindert, dass wir sie mitnehmen konnten. Ich glaube, kein Gläubiger kann Geld aus Bahrain herausbekommen.» Scheich Salman will gegenüber dem Beobachter und dem Recherchezentrum Correctiv seine Beziehung zu dem mutmasslichen Betrüger nicht ausführen.
Laut offiziellen Angaben hat Ali Syed die Schweiz am 9. Juli 2013 verlassen. Als neuen Wohnort hat er eine Adresse in Bahrain angegeben. Dort vermutet ihn auch das Kantonsgericht Nidwalden, das versucht, Ali Syed Gerichtsakten zuzustellen. Erfolglos. Die Wohnung am Hergiswiler Seeufer steht seit dem Kauf leer, wurde von der Staatsanwaltschaft Zürich beschlagnahmt. Die laufenden Betriebskosten trägt der Bauherr.
Bis heute befindet sich Ali Syed auf freiem Fuss. Die Staatsanwaltschaft Zürich wird ein Rechtshilfegesuch an Bahrain stellen. Grosse Chancen rechnet sich Staatsanwalt Marcel Scholl aber nicht aus. Für Ali Syed gilt die Unschuldsvermutung.
- Hinweis: Dieser Artikel ist durch eine Kooperation mit dem deutschen Recherchezentrum Correctiv entstanden. Die Ko-Autoren Frederik Richter und Bassel Alhamdo sind dort Reporter.