«Das Zürcher Obergericht sprach ihn wegen des Wegschwimmens der Nichtbefolgung einer polizeilichen Anordnung schuldig.»

«Zürcher Oberländer», 22. September 2022 

Peter Keller schwimmt gern im Greifensee. Seit bald zwanzig Jahren, fast jeden Tag, bei fast jedem Wetter. Er tue das für seine Gesundheit und sein Wohlbefinden, sagt der 71-Jährige, der in Wirklichkeit anders heisst. Um zu «seinem Plätzchen» zu gelangen, gehe er beim Ustermer Schiffsteg dem Uferweg entlang bis zu einem Badehäuschen im Strandbad. Dort lege er sich nach dem Schwumm gern ein paar Minuten in die Sonne, weil es schön windgeschützt sei. Dass er auf dem Weg dahin den Trennzaun der Badi überwinden muss, stört den Rentner nicht. Diesen umgehe er jeweils einfach, indem er am Ufer entlang durch das Wasser wate. All die Jahre habe das nie jemanden gestört. 

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Bis zu jenem verhängnisvollen 1. April 2021. Keller will gerade in den See steigen, als sich ihm zwei Stadtpolizisten in den Weg stellen. Was dann passiert, wird später Gegenstand einer Gerichtsverhandlung. Die Richterin beschreibt den Sachverhalt so: Der Mann in Badehose habe sich in einem geschlossenen Strandbad aufgehalten und damit ein fremdes, umzäuntes Grundstück betreten. Deswegen wollten die Polizisten eine Personenkontrolle durchführen. «Doch der Beschuldigte leistete den Anweisungen keine Folge und entzog sich der Kontrolle, indem er in den See sprang und davonschwamm.»

Teures Aufbegehren

Diesen Umstand streitet der 71-Jährige vor Gericht nicht ab. Zuerst habe er das Ganze für einen 1.-April-Scherz gehalten. Als er den Ernst der Lage erkannte, habe er die Aufforderung der Polizei bewusst missachtet und zivilen Ungehorsam geleistet, ja leisten müssen; und blieb im eiskalten Wasser. Er trainiere nämlich für das Blaueierschwimmen – einen traditionellen Wettbewerb, der jeweils an Ostern im 5 bis 13 Grad kalten Greifensee stattfindet.

Sein Aufbegehren kommt Keller nun teuer zu stehen. Inzwischen hat das Zürcher Obergericht als zweite Instanz das erste Urteil bestätigt. In diesem wird der Rentner zu einer Busse von 130 Franken verurteilt, und er muss Gerichtskosten im vierstelligen Bereich tragen. Das liess sich Keller nicht gefallen und zog das Urteil ans Bundesgericht weiter. Doch dieses trat nicht auf seine Beschwerde ein. Ob er sich weiterhin beim windgeschützten Badehäuschen in die Sonne legt, weiss Keller noch nicht. Seit Anfang Mai ist das Strandbad Uster wieder geöffnet, und der Rentner nutzt – ganz zivilisiert – den ordentlichen Eingang.