Als der Patient ins Spital eingeliefert wird, ist er bewusstlos. Sein Zustand ist kritisch. Die behandelnden Ärzte wissen nicht, ob er es schaffen wird. Seine Lebenspartnerin macht die Ärzte darauf aufmerksam, dass er einmal gesagt habe, er wolle nicht um jeden Preis am Leben gehalten werden, wenn ihm etwas Schlimmes zustosse. Die herbeigeeilten Eltern des Patienten sind allerdings anderer Meinung. Sie verlangen von den Ärzten, alle lebenserhaltenden medizinischen Massnahmen auszuschöpfen. Ein wüster Streit zwischen Eltern und Lebenspartnerin entsteht. Die Nerven aller Beteiligten liegen blank.

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Die Szene ist erfunden, aber alltäglich.

Solche Situationen können vermieden werden, wenn in einer Patientenverfügung festgehalten wurde, wie in einem solchen Fall vorzugehen sei.

Mit dieser Verfügung kann man in gesunden Tagen schriftlich für den Fall vorsorgen, dass man einmal nicht mehr in der Lage sein könnte, eigene Wünsche zu äussern. Zum Beispiel wenn man nach einem Unfall im Koma liegt, einen Hirnschlag erlitten hat oder wegen krankheitsbedingter Schmerzen unfähig ist, einen klaren Gedanken zu fassen.

Die Patientenverfügung richtet sich in erster Linie an die behandelnden Ärzte. Sie erleichtert ihnen und den Angehörigen, schwierige Entscheide in schwierigen Momenten zu treffen. Angehörige werden entlastet, weil sie nicht um die Frage ringen müssen: «Was hätte die Verunfallte wohl gewollt?»

Die Verfügung enthält Anordnungen über die medizinische Betreuung: Lebensverlängernde Massnahmen sind ebenso zu thematisieren wie die Entbindung vom Arztgeheimnis.

Allenfalls ist darin auch eine Vollmacht für die engsten Bezugspersonen für wichtige medizinische Entscheide zu erteilen. Sie enthält zudem Wünsche des künftigen Patienten über Sterbebegleitung und Sterbeort. In der Verfügung steht auch, ob der Patient Untersuchungen zu Forschungszwecken, eine Organspende oder Obduktion zulässt.

Die Patientenverfügung muss klar formuliert und aktuell sein. Jeder Mensch ändert seine Haltung zum Leben, zu Krankheit und Tod im Lauf der Jahre. Deshalb sollte jede Person ihre Patientenverfügung mindestens alle zwei Jahre überdenken und allenfalls ändern oder bestätigen. Denn je kürzer die Unterzeichnung der Patientenverfügung zurückliegt, desto eher kann der Arzt davon ausgehen, dass sie den Willen des Patienten noch immer richtig zum Ausdruck bringt.

Rätselraten über Patientenwillen

Die Patientenverfügung ist für Ärzte und Angehörige rechtsverbindlich. Der Arzt muss sie ausnahmsweise nicht befolgen, wenn der Patient zur Zeit der Abfassung nicht urteilsfähig war oder wenn Anhaltspunkte bestehen, dass er inzwischen die Meinung geändert hat. Auch wenn Ungesetzliches wie zum Beispiel aktive Sterbehilfe verlangt wird, ist die Verfügung nicht verbindlich.

Ohne Patientenverfügung muss sich der Arzt mit einem allfälligen Beistand, dem Ehegatten, dem Konkubinatspartner, den Nachkommen, den Eltern oder den Geschwistern absprechen. Diese haben seit 2013 in dieser Reihenfolge ein Vertretungsrecht für eine urteilsunfähige Person und haben dann oft weittragende Entscheide zu fällen. Diese können bis zur Frage gehen, ob «sinnlose» lebenserhaltende Massnahmen weiterzuführen sind oder nicht.

Der Arzt trägt zwar immer nach den Regeln der ärztlichen Kunst die volle Verantwortung für den Behandlungsentscheid. Er entscheidet allein, hat aber als Hüter des Selbstbestimmungsrechts des Patienten zu handeln. Seinen Behandlungsentscheid muss er nach dem mutmasslichen Willen des Patienten und in dessen Interesse treffen.

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Wie muss die Verfügung verfasst sein?

Sie sollten Ihre Patientenverfügung datieren und selbst unterschreiben. Sie muss nicht von einem Arzt unterschrieben oder von einem Notar beglaubigt werden. Mit einer Beglaubigung können Sie allenfalls verhindern, dass die Echtheit Ihrer Unterschrift angezweifelt wird.

Es ist sinnvoll, die Verfügung mit einer Vertrauensperson oder dem Hausarzt zu besprechen. So lässt sich am ehesten verhindern, dass im Ernstfall Zweifel an Ihrem Willen aufkommen.

Empfehlenswert ist auch, das gemeinsame Gespräch von der Vertrauensperson bestätigen zu lassen und die nächsten Angehörigen zu informieren.

Das Original können Sie zu Hause aufbewahren. Eine Kopie sollten Sie Ihrem Arzt und einer Vertrauensperson übergeben. Einen schriftlichen Vermerk, wo sich die Verfügung befindet, sollten Sie im Portemonnaie immer mit sich führen (siehe Leserfrage unten). So können Sie sicher sein, dass die Patientenverfügung im Ernstfall gefunden und Ihrem Willen entsprechend gehandelt wird.

Wo die Patientenverfügung aufbewahren?
Leserfrage: Meine Patientenverfügung schreibt vor, dass ich nicht reanimiert werde. Aber was, wenn die Nothelfer sie nicht finden?

Patientenverfügung erstellen: Diese Checkliste hilft

  • Welche medizinische Behandlung will ich im Endstadium einer Krankheit oder nach einem Unfall ohne reelle Aussicht auf Genesung? Sollen die Ärzte alles medizinisch Machbare ausschöpfen? Welche Behandlungen lehne ich wann ab? Hilfreich: Besprechen Sie sich mit Ihrem Arzt.
  • Wenn Sie an einer tödlich verlaufenden Krankheit leiden, sollten Sie mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt besprechen, welche Behandlungen in welchem Krankheitsstadium nicht mehr ausgeführt werden sollen.
  • Besprechen Sie die eigenen Vorstellungen mit den nächsten Angehörigen.
  • Besorgen Sie sich eine Muster-Patientenverfügung, mit deren Hilfe Sie die eigenen Vorstellungen festhalten.
  • Hinterlegen Sie eine Kopie Ihrer Patientenverfügung beim Arzt sowie bei einer Vertrauensperson.
  • Führen Sie stets eine Karte mit sich (am besten im Portemonnaie), mit dem Hinweis, dass Sie eine Patientenverfügung erstellt haben und wo sich diese befindet.
  • Prüfen Sie mindestens alle zwei Jahre die Patientenverfügung auf deren Richtigkeit und bestätigen Sie sie mit aktuellem Datum und Unterschrift.